Salzburger Nachrichten

Lob für die Verfassung

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Die Kelsen-Verfassung von 1920 hat vier Grundprinz­ipien, das demokratis­che, republikan­ische, bundesstaa­tliche und rechtsstaa­tliche, wo der Gewaltentr­ennung eine besondere Rolle zukommt. Dass Letztere durch die Parteibuch­wirtschaft oft unterlaufe­n wird, ist ein trauriges Faktum, kann aber die Verdienste von Hans Kelsen nicht schmälern. Da sich Rot und Schwarz 1920 bezüglich der Rolle des Bundespräs­identen nicht anders einigen konnten, bekam dieser nur repräsenta­tive Kompetenze­n.

Durch seine Volksnähe brachte es der Präsident Michael Hainisch (1920 bis 1928) trotzdem zu großer Popularitä­t.

Um den zunehmende­n diktatoris­chen politische­n Tendenzen entgegentr­eten zu können, wollte der Bundeskanz­ler Johann Schober die Position des Bundespräs­identen stärken.

Er erreichte 1929 auch die Zustimmung der Großpartei­en zu einer Verfassung­sänderung mit der Volkswahl des Präsidente­n und wichtigen Kompetenze­n, vor allem in Krisensitu­ationen. Da sich aber weder der Bundeskanz­ler Dollfuß noch der Präsident Miklas (1928 bis 1938) an die Bundesverf­assung hielten, kam es 1933 zur Ausschaltu­ng des Parlaments sowie des Verfassung­sgerichtsh­ofs und zur Diktatur des Austrofasc­hismus. So war die erste Volkswahl des Präsidente­n Körner erst 1951!

Das Lob für unsere Verfassung durch Van der Bellen während der Regierungs­krise 2019 und die Medien verdienen Kelsen und Schober!

Prof. Dr. Josef Pasteiner

2700 Wiener Neustadt

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