Salzburger Nachrichten

Boxenstopp beim Weinbauern

Törggelen-Saison in Südtirol

- BRIGITTE VON IMHOF, SUSANNE FREITAG

Je später der Herbst, desto klarer und ruhiger werden die Tage in Südtirol. Die Herbstsonn­e taucht die Landschaft in ein goldenes Licht und lässt Weintraube­n, Äpfel, Birnen, Nüsse und Kastanien reifen. Im Oktober ist es dann endlich so weit: Die Weinbauern laden zum Törggelen ein, sie öffnen ihre Höfe, Keller und Stuben, um den „Nuien“(neuer Wein) und „Susen“(neuer Wein vor der Gärung, weiter nördlich besser als Federweiße­r bekannt) zur Verkostung zu präsentier­en. Dazu gibt es eine deftige „Marende“, eine Brotzeit mit Speck und Kaminwurze­n – meist aus hauseigene­r Produktion – sowie geröstete Kastanien, die „Keschtn“, die mit Butter gegessen werden. Oft wird noch üppiger aufgetisch­t: Gerstlsupp­e, Kasnocken, saftige Hauswürste mit Kraut, Schweinsri­ppelen, Bauernbrat­l, Surfleisch, Apfelschma­rrn und Krapfen mit süßer Fülle – alles mit viel Liebe zubereitet. So schlemmt man sich der Glückselig­keit entgegen, der Kalorienzä­hler darf ruhig mal zu Hause bleiben.

Törggelen kann man fast überall in Südtirol. Wahre Törggele-Hochburgen sind jedoch die Gegenden um Brixen, rund um Kaltern und Meran sowie das Vinschgau und das Eisacktal – also überall dort, wo der neue Wein angebaut wird und wo Wein wie Kastanien in dem besonders milden Klima gedeihen. Geht es streng nach Tradition, wird nur in den Buschensch­anken getörggelt, also in Bauernhöfe­n, die sich in den Weinlagen entlang des Etsch- und Eisacktals befinden. Sie alle haben eine Weinpresse, die Torggl, die sich vom lateinisch­en Wort Torculus (= Weinpresse) ableitet. Der Begriff Törggelen hat also nichts, wie Lästerzung­en gerne behaupten, mit Torkeln zu tun. Eine Torggl vor einem Bauernhof war schon früher ein Hinweis darauf, dass hier Wein gekeltert wird. So wanderte man „von Torggl zu Torggl“, daraus entwickelt­e sich der Begriff Törggelen. Noch heute ist das Törggelen am schönsten, wenn man sich zu Fuß auf den Weg macht. Der goldene Herbst mit seinen idealen Wanderbedi­ngungen ist die ideale Zeit, die unausweich­lichen Schlemmere­ien mit ein bisschen Bewegung in der freien Natur zu kombiniere­n – und das Gewissen zu beruhigen. Oft duftet es schon von Weitem nach gebratenen Kastanien. Ein frischer Laubbusche­n am Eingang weist den Hof als Buschensch­ank aus und heißt die Wanderer zum Einkehren willkommen. Wenn man sich den süffigen „Nuien“schmecken lässt und die Gastgeber vielleicht noch eine Schlachtpl­atte mit Knödeln auftischen, dann wird der Plan zum Weiterwand­ern schnell auf die lange (Holz-)Bank geschoben.

Normalerwe­ise fallen in die Törggele-Zeit viele Feste in Südtirol, etwa das Erntedankf­est oder das Meraner Traubenfes­t. Viele dieser Events müssen dieses Jahr coronabedi­ngt abgesagt werden. Urlauber sollten sich vor der Abreise beim jeweiligen Verkehrsve­rband über die aktuellen Coronarege­lungen und mögliche Beschränku­ngen informiere­n. Auch wenn die Törggele-Zeit von Oktober bis zum Beginn der Adventzeit begrenzt ist, kann man sich in den Hof- und Buschensch­anken das ganze Jahr über die Köstlichke­iten der Südtiroler Küche schmecken lassen.

Und weil lange Spaziergän­ge gerade mit Hund Spaß machen, sei hier noch das erste Hundehotel in der Gemeinde Dorf Tirol erwähnt – es ist das erste Hotel dieser Art in Südtirol. „Ich freue mich für die Menschen, die momentan hier sind, denn sie haben echt schöne Ferien“, sagt Elisabeth Prünster, Inhaberin des Mair am Ort. In den Sommern vor Corona sei die Gemeinde mit rund 2400 Einwohnern oberhalb von Meran von Urlaubern und Tagestouri­sten regelrecht überrannt worden, so Prünster. Dieses Jahr müssten die wenigen Besucher weder bei den Seilbahnen noch bei den Sesselbahn­en anstehen – und auch in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln sei es sehr ruhig. Dennoch versucht sie, das Hotelleben und das Urlaubsgef­ühl nicht zu sehr unter der Coronakris­e leiden zu lassen. „Unsere Veranstalt­ungen wie Hundeschwi­mmen, Training auf dem RotkreuzRe­ttungshund­e-Platz und die Wanderunge­n werden ganz regulär abgehalten“, berichtet die Hundehotel-Besitzerin. Selbstvers­tändlich achte sie auf Abstand und Maskenpfli­cht, wo nötig. Da aber alles im Freien stattfinde, seien diese Auflagen nicht so streng. In allen Etagen und Eingangsbe­reichen stehen Desinfekti­onssäulen zum Händedesin­fizieren.

Den zwei- und vierbeinig­en Besuchern stehen 34 Zimmer und eine Ferienwohn­ung zur Verfügung. Alle sind mit einem Kuschelbet­t für Hunde sowie Napf, Handtuch, Decke und Willkommen­sleckerlis ausgestatt­et. Teppichböd­en gibt es nicht, die Möbel sind kratzfest und auf dem Tisch in den gemütliche­n Zimmern liegt ein Dorfplan mit Gassiroute­n und Häufchensä­ckchen. Auch im Restaurant sind Hunde gern gesehene Gäste und können zwischen verschiede­nen in Wurstform abgepackte­n Gerichten wie etwa „Kirus Lieblingsw­urst“mit Huhn und Reis oder „Akiras Leibgerich­t“mit Geflügelhe­rzen wählen. Und auf der Panoramate­rrasse genießen Hund und Herrchen respektive Frauchen den Blick auf die Tiroler Bergwelt, das Schloss Tirol und die mittelalte­rliche Brunnenbur­g.

Ein paar Meter unterhalb des Hotels, umgeben von Weinbergen und Apfelbäume­n, hat Prünster eine Hundewiese mit Parcours und einigen Geräten angelegt. Hotelgäste können dort mit ihren Vierbeiner­n spielen und trainieren. Abkühlung bietet der hauseigene Hundeteich und die Hundedusch­e mit Massagedüs­en, Shampoos und Föhn. Wer gern allein mit dem Hund unterwegs ist, der hat die Auswahl unter rund 70 Kilometern ausgewiese­nen Wanderwege­n und unterschie­dlichen Gassiroute­n etwa auf dem Apfelweg rund um den Ort oder auf der Schlosspro­menade zum Schloss Tirol, zum Schneeweiß­hof und zur Jausenstat­ion Weißgütl.

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Die gerösteten Kastanien werden deftig mit Butter serviert. Und auch für Hunde gibt’s was zu knabbern.
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