„Wir wollen nicht nur Veganer auf unseren Demos“
Wie geht es der jungen Klimabewegung in der Coronakrise? Ein Gespräch über Eisbären, Garagen und politische Ambitionen der Klimaschüler.
Anika Dafert und Gloria Berghäuser (beide 18) waren bei den Salzburger Klimastreiks von Anfang an mit dabei. Die beiden werden nun in Wien Umwelt- und Ressourcenmanagement studieren. Die 14-jährige Lena Müller füllt ihre Reihen in den Demonstrationszügen auf. Die SN zogen mit dem jungen Trio Bilanz über die Salzburger Fridays-for-FutureBewegung.
SN: Die Coronakrise hinterließ auch bei eurer Bewegung Spuren: Große Klimastreiks waren lang nicht möglich.
Gloria: Fridays for Future sind nicht eingeschlafen. Wir hatten Onlinestreiks, dann Sitzstreiks mit Mindestabstand. Es wurde nicht wahrgenommen: Die Medien haben über Corona berichtet, alles andere war uninteressant. Anika: Auch während der Coronazeit sind viele neue Leute zu uns gestoßen.
Gloria: Die Klimakrise ist nicht vorbei. Unsere Bewegung ist stärker aus der Coronapandemie herausgekommen. Viele Leute hatten Zeit, sich mit der Klimasituation zu beschäftigen.
SN: Ist das überhaupt ein Thema, mit dem man sich angesichts der Coronakrise auseinandersetzen will?
Gloria: Das ist keine Frage des Wollens, sondern des Müssens. Lena: Der Klimawandel hört ja nicht auf, weil wir jetzt eine ande
re Krise haben. Man sieht, dass vieles extremer wird: Waldbrände in Kalifornien, Rekordtemperaturen in der Arktis, die große Anzahl an Stürmen. Und der Regenwald wird weiter abgeholzt. Anika: Was uns Corona gezeigt hat, ist: Die Politik kann handeln, wenn sie es möchte. Die Regierung hat zu Beginn der Coronakrise schnell auf Grundlage der Wissenschaft gehandelt. Das würden wir uns angesichts der Klimakrise auch wünschen.
SN: Ihr seid jetzt seit eineinhalb Jahren in Salzburg aktiv.
Habt ihr lokalpolitisch schon etwas erreicht?
Gloria: Die Landesregierung, die Stadtregierung, alle sind sich einig, dass für den Klimaschutz etwas getan werden muss. Aber die Verantwortung wird immer auf die einzelnen Bürger abgeschoben. Und gleichzeitig wird die Mönchsberggarage ausgebaut. Lena: Das ist ein Projekt, an dem seit 2012 gearbeitet wird. Seither haben sich aber viele Standpunkte geändert. Es ist unverständlich, dass man das Projekt immer noch durchziehen will. Mit dem Geld sollte man den öffentlichen Verkehr und Radwege ausbauen.
SN: Ihr seid eine überparteiliche Plattform. Trotzdem stellt ihr euch in diesem politisch polarisierenden Projekt auf eine Seite.
Gloria: Wir müssen uns gegen fossile Großprojekte stellen. Salzburg hat ein Autoproblem, der
Stau ist abnormal, da kann man nicht einfach noch mehr Autos in die Stadt reinpumpen. Das hat mit Parteipolitik nichts zu tun: Es ist offensichtlich, dass man so etwas nicht bauen kann.
Anika: Es hat sich so eingebürgert, dass es eine Parteifarbe gibt, die sich für Klimaschutz einsetzt. Aber Klimaschutz sollte keine politische Farbe haben. Es gab ja in der Coronakrise auch keine Coronapartei, die die Maßnahmen vorangetrieben hat.
Gloria: Der Unterschied ist aber der: Wenn du in der Coronakrise eine Maßnahme setzt, merkst du es gleich. In der Klimakrise ist es so: Wenn das Unglück kommt, ist es zu spät, noch etwas zu tun.
SN: Ist das nicht ein zentrales Problem eurer Bewegung? Ihr warnt vor etwas und viele Leute sagen: So schlimm wird es schon nicht werden.
Gloria: Ja, das ist ein Problem. Aber wir tun alles, was in unserer Macht steht, um die Menschen zu überzeugen.
Anika: Wir sind ja alle nicht perfekt, keiner von uns hat gar keinen CO2-Abdruck.
SN: Du bist ja selbst teilweise mit dem Auto zur Klimademo gefahren. Ist das nicht bigott?
Anika: Nein. In der Klimakrise muss man mit anderen Maßstäben messen. Wenn es von Radstadt in die Stadt Salzburg eine super Öffi-Verbindung gäbe, würde ich die auch nutzen. Es geht auch nicht darum, wie viel Fleisch jeder Einzelne isst. Wir wollen auch nicht nur Klimaneutrale und Veganer auf unseren Demos. Die Leute sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Uns geht es darum: Die Politik hat ein Klimaabkommen unterschrieben. Das soll auch umgesetzt werden. Wir wollen so viele wie möglich sein, um das der Politik auch zu zeigen.
SN: Beim jüngsten Klimastreik waren 1500 Demonstranten in Salzburg auf der Straße. Das waren schon viel mehr. Wächst eure Bewegung überhaupt noch?
Gloria: Welche Bewegung ist schon während der Pandemie auf die Straße gegangen? Es ist derzeit eine extrem schwierige Situation, viele trauen sich nicht, auf Demonstrationen zu gehen. Trotzdem haben wir mehr Leute auf die Straße gebracht als in Linz und Innsbruck. Das war ein Riesenzeichen.
SN: Sind eure Standpunkte unter jungen Leuten mehrheitsfähig?
Anika: Ich habe schon in der Volksschule gehört, dass die Eisbären aussterben werden. Wir sind alle mit dieser Thematik aufgewachsen. Ich bin jetzt 18 Jahre alt und würde gern meine Zukunft
planen, aber das geht nicht, weil ich nicht weiß, was in zehn Jahren los ist. Haben wir da schon den ersten Klimakrieg, weil große Regionen nicht mehr bewohnbar sind und es viele Flüchtlinge gibt?
SN: Wollt ihr eigentlich selbst in die Politik gehen?
Gloria: Darauf wird es hinauslaufen.
Anika: Ich muss mir die Frage stellen: Kann ich zusehen, wie die Politik nicht handelt? Ja, irgendwann wird es darauf hinauslaufen, dass ich in die Politik gehe. Nicht, weil ich will, sondern weil ich keinen anderen Ausweg sehe.
SN: Mit eigener Partei?
Anika: Ich wüsste nicht, welcher Partei ich beitreten sollte.
Gloria: Erst wollen wir schon fertig studieren.
Anika: Das müssen wir uns genau überlegen, wenn es so weit ist. Aber es zeigt schon unser mangelndes Vertrauen in die Politik.
SN: Ihr seid so jung und schon fertig mit der Welt …
Gloria (lacht): Ja.
SN: Wenigstens könnt ihr noch lachen.
Anika: Auch wenn die Aussichten nicht gut sind: Wir haben nur dieses eine Leben. Das sollten wir genießen.
Gloria: Wir haben auch bei unseren Demos eine tolle Stimmung. Das gibt mir auch Hoffnung. Wir sind jung, die Klimawende ist machbar.