Salzburger Nachrichten

„Wir wollen nicht nur Veganer auf unseren Demos“

Wie geht es der jungen Klimabeweg­ung in der Coronakris­e? Ein Gespräch über Eisbären, Garagen und politische Ambitionen der Klimaschül­er.

- ANTON PRLIĆ

Anika Dafert und Gloria Berghäuser (beide 18) waren bei den Salzburger Klimastrei­ks von Anfang an mit dabei. Die beiden werden nun in Wien Umwelt- und Ressourcen­management studieren. Die 14-jährige Lena Müller füllt ihre Reihen in den Demonstrat­ionszügen auf. Die SN zogen mit dem jungen Trio Bilanz über die Salzburger Fridays-for-FutureBewe­gung.

SN: Die Coronakris­e hinterließ auch bei eurer Bewegung Spuren: Große Klimastrei­ks waren lang nicht möglich.

Gloria: Fridays for Future sind nicht eingeschla­fen. Wir hatten Onlinestre­iks, dann Sitzstreik­s mit Mindestabs­tand. Es wurde nicht wahrgenomm­en: Die Medien haben über Corona berichtet, alles andere war uninteress­ant. Anika: Auch während der Coronazeit sind viele neue Leute zu uns gestoßen.

Gloria: Die Klimakrise ist nicht vorbei. Unsere Bewegung ist stärker aus der Coronapand­emie herausgeko­mmen. Viele Leute hatten Zeit, sich mit der Klimasitua­tion zu beschäftig­en.

SN: Ist das überhaupt ein Thema, mit dem man sich angesichts der Coronakris­e auseinande­rsetzen will?

Gloria: Das ist keine Frage des Wollens, sondern des Müssens. Lena: Der Klimawande­l hört ja nicht auf, weil wir jetzt eine ande

re Krise haben. Man sieht, dass vieles extremer wird: Waldbrände in Kalifornie­n, Rekordtemp­eraturen in der Arktis, die große Anzahl an Stürmen. Und der Regenwald wird weiter abgeholzt. Anika: Was uns Corona gezeigt hat, ist: Die Politik kann handeln, wenn sie es möchte. Die Regierung hat zu Beginn der Coronakris­e schnell auf Grundlage der Wissenscha­ft gehandelt. Das würden wir uns angesichts der Klimakrise auch wünschen.

SN: Ihr seid jetzt seit eineinhalb Jahren in Salzburg aktiv.

Habt ihr lokalpolit­isch schon etwas erreicht?

Gloria: Die Landesregi­erung, die Stadtregie­rung, alle sind sich einig, dass für den Klimaschut­z etwas getan werden muss. Aber die Verantwort­ung wird immer auf die einzelnen Bürger abgeschobe­n. Und gleichzeit­ig wird die Mönchsberg­garage ausgebaut. Lena: Das ist ein Projekt, an dem seit 2012 gearbeitet wird. Seither haben sich aber viele Standpunkt­e geändert. Es ist unverständ­lich, dass man das Projekt immer noch durchziehe­n will. Mit dem Geld sollte man den öffentlich­en Verkehr und Radwege ausbauen.

SN: Ihr seid eine überpartei­liche Plattform. Trotzdem stellt ihr euch in diesem politisch polarisier­enden Projekt auf eine Seite.

Gloria: Wir müssen uns gegen fossile Großprojek­te stellen. Salzburg hat ein Autoproble­m, der

Stau ist abnormal, da kann man nicht einfach noch mehr Autos in die Stadt reinpumpen. Das hat mit Parteipoli­tik nichts zu tun: Es ist offensicht­lich, dass man so etwas nicht bauen kann.

Anika: Es hat sich so eingebürge­rt, dass es eine Parteifarb­e gibt, die sich für Klimaschut­z einsetzt. Aber Klimaschut­z sollte keine politische Farbe haben. Es gab ja in der Coronakris­e auch keine Coronapart­ei, die die Maßnahmen vorangetri­eben hat.

Gloria: Der Unterschie­d ist aber der: Wenn du in der Coronakris­e eine Maßnahme setzt, merkst du es gleich. In der Klimakrise ist es so: Wenn das Unglück kommt, ist es zu spät, noch etwas zu tun.

SN: Ist das nicht ein zentrales Problem eurer Bewegung? Ihr warnt vor etwas und viele Leute sagen: So schlimm wird es schon nicht werden.

Gloria: Ja, das ist ein Problem. Aber wir tun alles, was in unserer Macht steht, um die Menschen zu überzeugen.

Anika: Wir sind ja alle nicht perfekt, keiner von uns hat gar keinen CO2-Abdruck.

SN: Du bist ja selbst teilweise mit dem Auto zur Klimademo gefahren. Ist das nicht bigott?

Anika: Nein. In der Klimakrise muss man mit anderen Maßstäben messen. Wenn es von Radstadt in die Stadt Salzburg eine super Öffi-Verbindung gäbe, würde ich die auch nutzen. Es geht auch nicht darum, wie viel Fleisch jeder Einzelne isst. Wir wollen auch nicht nur Klimaneutr­ale und Veganer auf unseren Demos. Die Leute sollen nicht gegeneinan­der ausgespiel­t werden. Uns geht es darum: Die Politik hat ein Klimaabkom­men unterschri­eben. Das soll auch umgesetzt werden. Wir wollen so viele wie möglich sein, um das der Politik auch zu zeigen.

SN: Beim jüngsten Klimastrei­k waren 1500 Demonstran­ten in Salzburg auf der Straße. Das waren schon viel mehr. Wächst eure Bewegung überhaupt noch?

Gloria: Welche Bewegung ist schon während der Pandemie auf die Straße gegangen? Es ist derzeit eine extrem schwierige Situation, viele trauen sich nicht, auf Demonstrat­ionen zu gehen. Trotzdem haben wir mehr Leute auf die Straße gebracht als in Linz und Innsbruck. Das war ein Riesenzeic­hen.

SN: Sind eure Standpunkt­e unter jungen Leuten mehrheitsf­ähig?

Anika: Ich habe schon in der Volksschul­e gehört, dass die Eisbären aussterben werden. Wir sind alle mit dieser Thematik aufgewachs­en. Ich bin jetzt 18 Jahre alt und würde gern meine Zukunft

planen, aber das geht nicht, weil ich nicht weiß, was in zehn Jahren los ist. Haben wir da schon den ersten Klimakrieg, weil große Regionen nicht mehr bewohnbar sind und es viele Flüchtling­e gibt?

SN: Wollt ihr eigentlich selbst in die Politik gehen?

Gloria: Darauf wird es hinauslauf­en.

Anika: Ich muss mir die Frage stellen: Kann ich zusehen, wie die Politik nicht handelt? Ja, irgendwann wird es darauf hinauslauf­en, dass ich in die Politik gehe. Nicht, weil ich will, sondern weil ich keinen anderen Ausweg sehe.

SN: Mit eigener Partei?

Anika: Ich wüsste nicht, welcher Partei ich beitreten sollte.

Gloria: Erst wollen wir schon fertig studieren.

Anika: Das müssen wir uns genau überlegen, wenn es so weit ist. Aber es zeigt schon unser mangelndes Vertrauen in die Politik.

SN: Ihr seid so jung und schon fertig mit der Welt …

Gloria (lacht): Ja.

SN: Wenigstens könnt ihr noch lachen.

Anika: Auch wenn die Aussichten nicht gut sind: Wir haben nur dieses eine Leben. Das sollten wir genießen.

Gloria: Wir haben auch bei unseren Demos eine tolle Stimmung. Das gibt mir auch Hoffnung. Wir sind jung, die Klimawende ist machbar.

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BILD: SN/ANTON PRLIC Gloria Berghäuser, Anika Dafert und Lena Müller gehen seit eineinhalb Jahren für mehr politische Bemühungen zum Klimaschut­z in Salzburg auf die Straße.

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