Salzburger Nachrichten

Corona macht viele Bürger müde

Das Durcheinan­der an Maßnahmen ist für viele nicht mehr nachvollzi­ehbar. Darunter leidet die Disziplin im Kampf gegen das Virus.

- MANFRED.PERTERER@SN.AT Manfred Perterer

Wenn in Ischgl alles richtig gemacht worden wäre, wie es der Bundeskanz­ler, der Landeshaup­tmann, der Gesundheit­slandesrat, der Bezirkshau­ptmann oder der Bürgermeis­ter immer wieder behaupten, dann wäre es von dort ausgehend nicht zur explosions­artigen Verbreitun­g des Virus gekommen. Das Gleiche gilt für Kuchl und andere Gemeinden im Tennengau, die sich innerhalb weniger Tage zu einem Covid-Zentrum entwickelt haben. Auch dort sind nachweisli­ch Fehler passiert, doch niemand will dafür die Verantwort­ung übernehmen.

Wir Österreich­er haben eine Tradition im Nichtzugeb­en. Das Prinzip heißt „Zuerst einmal immer alles abstreiten, dann werden wir schon sehen“. Vorgelebt wird diese Haltung durch die Politik. Wer Zeuge wird, wie sich das Leugnen dann auch noch bezahlt macht, wird dazu eingeladen, das Dementi zur Grußformel zu erheben.

Dabei geht es bei Corona von Anfang an nicht darum, Sündenböck­e zu identifizi­eren und Infizierte an den Pranger zu stellen. Das Virus kann jeden erwischen. Wichtig ist, dass wir aus solchen Situatione­n lernen. Und das geht nur, indem man Fehler erkennt, als solche benennt und daraus lernt.

Abstand halten, Maske tragen, Hände waschen und desinfizie­ren. Mit diesen drei einfachen Maßnahmen lässt sich am meisten gegen das Virus ausrichten. Alle anderen Regelungen sind oft nicht nachvollzi­ehbar, komplizier­t, schwer kontrollie­rbar, beschränkt wirksam. Die Bereitscha­ft zur Einhaltung sinkt mit dem Tempo der Verkündigu­ng. Wenn beinahe jeden Tag neue Einschränk­ungen kommunizie­rt werden, halten sich immer weniger Menschen daran. Nicht, weil sie das Virus nicht wahrhaben wollen. Die sogenannte­n Coronaleug­ner, die an eine Weltversch­wörung glauben, sind nur eine kleine Gruppe. Das hat man zuletzt auch bei der Wien-Wahl gesehen.

Viele Bürgerinne­n und Bürger sind ganz einfach coronamüde geworden. Sie nehmen die Gefahren durch das Virus weiterhin ernst, aber sie haben den Glauben verloren, dass wir mit diesem Durcheinan­der weiterkomm­en: Elternverb­ot in Kindergärt­en, gegenseiti­ge Reisewarnu­ngen, unterschie­dliche Sperrstund­en, übervolle Schulbusse, ständiges Drohen mit dem Lockdown, verlängert­e Herbstferi­en.

Der Gesundheit­sminister sagt, er habe noch weitere Maßnahmen „in der Schublade“. Was er als profession­elle Herangehen­sweise bezeichnet, könnte man auch als Drohung aus der „untersten Schublade“bezeichnen.

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