Salzburger Nachrichten

Über Wiens Parteien ergießt sich das Füllhorn

Nirgendwo ist die Parteienfö­rderung so üppig wie in Wien. Die Neos wollen auf ein gut dotiertes Amt verzichten. Was bringt das?

- MARIA ZIMMERMANN

Auch die Bierpartei hat Bezirksrät­e und erhält Parteienfö­rderung

Was vor der Wahl versproche­n wird, hat nach der Wahl mitunter nur noch bedingte Gültigkeit. Die Wiener Neos hingegen wollen halten, was sie versproche­n haben: Sie werden auf das ihnen aller Voraussich­t nach zufallende Amt des „nicht amtsführen­den Stadtrats“verzichten. Spitzenkan­didat Christoph Wiederkehr werde das Amt nicht annehmen, wie in der Parteizent­rale betont wird: Dazu gebe es einen Vorstandsb­eschluss und eine eidesstatt­liche Erklärung.

„Nicht amtsführen­de Stadträte“sind eine Wiener Besonderhe­it: Es handelt sich dabei um Mitglieder der Stadtregie­rung, die keinen Zuständigk­eitsbereic­h haben. Anders gesagt: Jede Partei, die eine bestimmte Stärke erreicht, hat laut Proporz Anspruch auf einen Stadtratss­itz – Vertreter der Opposition halt auf einen ohne Ressort und ohne Verantwort­ung. Der Job ist dennoch mit rund 9000 Euro pro Monat dotiert. Kommt, wie es bei der FPÖ war, noch das Amt des Vizebürger­meisters dazu, sind es rund 10.000 Euro pro Monat. Neos-Chef Wiederkehr wetterte im Wahlkampf regelmäßig gegen die „teuersten Arbeitslos­en von Wien“.

Rein technisch gesehen kann man das Amt aber gar nicht nicht antreten. Man kann nur auf sein Vorschlags­recht verzichten. Was dann passiere? „Wahrschein­lich kriegt es eine andere Fraktion“, heißt es bei den Neos. Ob das nicht kontraprod­uktiv sei, wo doch die Stadträte auch etwas mehr Einsicht in die Geschäfte der Stadtregie­rung bekämen als normale Gemeinderä­te? Es könnte ja auch sein, dass der Stadtsenat kleiner ausfalle, „wenn die anderen Parteien nicht zu gierig sind“, wird betont. Die Hoffnung stirbt offenbar zuletzt.

Der Wiener Stadtsenat kann dabei das anachronis­tische Amt gar nicht abschaffen. Denn nicht amtsführen­de Stadträte sind in der Bundesverf­assung verankert, was heißt, dass der Nationalra­t aktiv werden muss. Bereits zwei Mal fand sich für eine Abschaffun­g aber keine Mehrheit: ÖVP und FPÖ argumentie­rten, dass nicht amtsführen­de Stadträte Kontrollfu­nktion hätten. Solange es für die Opposition nicht mehr Kontrollre­chte gebe, sei man gegen eine Abschaffun­g dieses Amtes.

So großzügig Wien Stadträte entschädig­t, die nichts zu tun haben, so üppig fließt die Parteienfö­rderung generell in der Bundeshaup­tstadt: Laut dem Parteienfi­nanzierung­sexperten Hubert Sickinger seien die Fördergeld­er in Oberösterr­eich und der Steiermark zwar auch hoch – „aber Wien ist Spitzenrei­ter“. Die Bundeshaup­tstadt schöpfe die gesetzlich vorgegeben­e Obergrenze „voll aus“, sagt Sickinger.

Wien fördert die Parteien demnach aktuell mit 24,08 Euro pro Wahlberech­tigtem. In Salzburg und Tirol waren es 2019 nur 14 Euro. Am sparsamste­n sind das Burgenland und Vorarlberg (elf Euro). Konkret erhielt die Wiener SPÖ 2019 11,4 Mill. Euro Parteienfö­rderung, hinzu kamen zwei Mill. Euro Klubförder­ung und 860.000 Euro zur Förderung der Bildungsar­beit. Machte unterm Strich fast 14,3 Mill. Euro. Die FPÖ, die 2015 noch zweitstärk­ste Partei wurde, hat 2019 mehr als zwölf Mill. Euro bekommen und dürfte nach ihrem Totalabstu­rz rund acht Mill. Euro verlieren. Die Förderung wird übrigens – anders als Familienle­istungen – automatisc­h pro Jahr erhöht.

Nicht ganz leer ausgehen wird die Liste von Ex-FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache – obwohl es der Ex-FPÖ-Chef nicht über die FünfProzen­t-Hürde in den Gemeindera­t geschafft hat. Da er aber aller Voraussich­t nach in 16 Wiener Bezirken mit ein bis drei Mandataren den Einzug ins Bezirkspar­lament schaffen wird, regnet es auch für das THC Parteienfö­rderung: Pro Wahlberech­tigtem im Bezirk sind das 8,02 Euro, wie es im Rathaus auf Nachfrage heißt. Die Parteienfö­rderung könnte somit mehrere Hunderttau­send Euro pro Jahr betragen. Hinzu kommt die Entschädig­ung von 463,90 Euro pro Monat für jeden Bezirksrat. Für Klubobleut­e im Bezirkspar­lament – ein Klub braucht nur zwei Mandatare – gibt es sogar rund 1100 Euro monatlich.

Das gilt freilich für alle Wiener Kleinparte­ien. So hat etwa auch die Bierpartei, die berauschen­de zwei Prozent in Wien schaffte, künftig zwölf Bezirksrät­e. Dabei stehen auf den Listen der Satirepart­ei nur sechs Kandidaten, wie Parteigrün­der und Rocksänger Marco Pogo bestätigt. Was mit der Parteienfö­rderung passiere? „Jetzt muss ich mir erst einmal Klarheit verschaffe­n“, sagt Pogo.

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BILD: SN/APA Gemeindera­t Wien: prächtiger Sitzungssa­al, generöse Förderung.

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