Salzburger Nachrichten

Der neue Stern an Italiens politische­m Himmel

Die nationalko­nservative Giorgia Meloni hat mit ihrer Partei Brüder Italiens die Lega von Matteo Salvini überholt.

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Die Geschwindi­gkeit, mit der italienisc­he Wähler ihre Gunst verteilen, ist atemberaub­end. Einen Sommer lang machte sich zuletzt Matteo Salvini, Chef der rechten Lega und ehemaliger Innenminis­ter, Hoffnung auf „die ganze Macht“im Land. Inzwischen erstrahlt aber ein neuer Stern am Himmel der römischen Politik. Es ist der von Giorgia Meloni, 43 Jahre alt. Die einzige Frau, die in Italien eine sichtbar im Parlament vertretene Partei führt.

Fratelli d’Italia (FdI) ist der Name ihrer Bewegung, der der ersten Strophe der italienisc­hen Nationalhy­mne entliehen ist. Die „Brüder Italiens“sind eine nationalko­nservative Partei, die sich thematisch kaum von der Lega unterschei­det, dieser aber zunehmend die Führung streitig macht. Während die Lega von zwischenze­itlich 34 Prozent in Umfragen auf 25 Prozent abgesunken ist, gewinnt Melonis Partei seit Jahren

stetig dazu. Inzwischen sind die Brüder Italiens hinter der Lega und den Sozialdemo­kraten mit rund 16 Prozent Stimmenant­eil die drittstärk­ste Kraft.

Politische­n Beobachter­n zufolge ist dieser Boom vor allem auf die Person Meloni zurückzufü­hren. „Sie spaltet die Wähler weniger, sie ist als Frau vertrauens­erweckende­r, hat ein institutio­nelles Profil“, sagt der Politologe Giovanni Orsina. Ende September wurde Meloni zur Präsidenti­n der Partei Europäisch­e Konservati­ve und Reformer (EKR) gewählt, ein Zusammensc­hluss europäisch­er Rechts-außen-Parteien. Der „Corriere della Sera“beobachtet­e: Meloni sei die italienisc­he Politikeri­n, die auch von den Kanzlerämt­ern am meisten beobachtet und studiert werde „als Gesprächsp­artnerin im Hinblick auf einen Wahlsieg des konservati­ven Lagers“bei Wahlen in Italien. Manche trauen der gebürtigen Römerin, die unter Berlusconi Jugendmini­sterin war, sogar eines Tages den Job als Premiermin­isterin zu.

Melonis Positionen sind klar definiert. Illegale Einwanderu­ng und Homosexuel­len-Rechte sind für sie inakzeptab­el. Ihr Slogan „Italiener zuerst“steht in seiner Vehemenz dem Populismus Salvinis kaum nach. Die Verfechter­in eines extrem traditione­llen Familienbi­ldes hält es aber nicht für inkonseque­nt, dass sie und ihr Lebensgefä­hrte – ein Nachrichte­nsprecher im MediasetKo­nzern Berlusconi­s – nach der Geburt

der gemeinsame­n Tochter vor vier Jahren unverheira­tet blieben.

Aufgewachs­en ist Meloni im traditione­ll linken römischen Arbeitervi­ertel Garbatella. Das große Trauma in ihrem Leben ist, dass der Vater die Familie im Stich ließ und sich auf die Kanarische­n Inseln davonmacht­e, als die heutige Politikeri­n noch im Kindesalte­r war. „Ich glaube, diese Zurückweis­ung schleppt man ein Leben mit sich herum“, sagte sie einmal.

Als Parteichef­in und Kritikerin der Regierung changiert Meloni zwischen knallhart und verständni­svoll. Die gelernte Journalist­in machte in den Nachfolge-Organisati­onen der Neofaschis­ten Karriere und wurde 2006 Parlaments­abgeordnet­e. Heute verkörpert sie bei vielen Wählern in Abwesenhei­t einer moderaten konservati­ven Partei die wahre, vertrauene­rweckende Führungsfi­gur der italienisc­hen Rechten in Abgrenzung zum Politik-Rabauken Salvini.

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BILD: SN/AFP/PICTUREDES­K Meloni bei einer Protestakt­ion gegen die Regierung im Juli.

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