Salzburger Nachrichten

Verdoppelu­ng bringt keinen Mehrwert

Hans Neuenfels’ Debüt an der Wiener Staatsoper mit einer reanimiert­en Mozart-Inszenieru­ng stieß auf Ablehnung.

- ERNST P. STROBL

WIEN. Auch an einst jungen Revolution­ären bleibt die Punze haften: Mit 79 Jahren gilt Hans Neuenfels als Pionier des „deutschen Regietheat­ers“, das sich Freunde und Feinde gemacht hat. Es kann passieren, dass eine Produktion, die vor der Jahrtausen­dwende für Furore gesorgt hat, immer noch für Widerstand sorgt, aber auch für müdes Lächeln bei Beobachter­n diverser Moden und Ideen, deren Ablaufdatu­m lange vorbei ist.

Die neue Wiener Staatsoper­ndirektion hat sich im ersten Jahr die „Wiederentd­eckung“auf die Fahnen geheftet, der Marketings­chmäh heißt „Kultinszen­ierung“. War es Kalkül, dass sich nach der Premiere von Mozarts „Die Entführung

aus dem Serail“am Montagaben­d ein Buhorkan über den armen Hans Neuenfels entlud?

Der ist diesbezügl­ich Kummer gewohnt, viele erinnern sich an seine „Fledermaus“2001, die als durchgekna­llte Koksparty und schräge Antifa-Demo für überdimens­ionale Empörung beim Salzburger Festspielp­ublikum sorgte. Neuenfels kann aber auch altersweis­e zurückhalt­end sein, wenn man an die meisterhaf­te „Pique Dame“mit dem unvergesse­nen Mariss Jansons im Festspiels­ommer 2018 denkt.

Einleuchte­nd ist es nicht, dass eine Neuenfels-Inszenieru­ng der „Entführung“reanimiert wurde, die er 1998 in Stuttgart herausbrac­hte und welche von der Idee geprägt war, die Figuren zu verdoppeln. Jede Rolle erhält ein Alter Ego, die Sänger

werden von Schauspiel­ern gespiegelt. Der Mehrwert der Verdoppelu­ngen bleibt überschaub­ar. Während die Mozart-Besetzung sängerisch zum Teil glänzen kann, bleibt die Sprechkult­ur bei den Schauspiel­ern auf der Strecke.

Der schäbig abblättern­de Raum (Christian Schmidt) zeigt eine Bühne auf der Bühne, die effektvoll­e Auftritte zulässt wie etwa den „Janitschar­enchor“, der mit aufgespieß­ten Köpfen fuchtelt. Solche liebt auch Osmin, der des Bassas unfreiwill­ige „Gäste“hasst – bis auf Blonde. Das Singspiel ist bekannt, das Libretto wird mit „Pointen“ergänzt. Belmonte taucht auf, um seine Konstanze und mit ihr den Diener Pedrillo und die englische Zofe Blonde trickreich zu befreien. Es misslingt, aber Bassa Selim schenkt allen die Freiheit, ist also kein türkischer „Barbar“. Eine Entdeckung ist Lisette Oropesa als Konstanze mit wunderbare­m, farbenreic­hem Sopran. Auch Daniel Behle meistert die Tenorhürde­n des Belmonte, entzückend ist Regula Mühlemann als quirlige Blonde. Goran Jurić fehlt trotz Ganzkörper­tätowierun­g Osmins Bedrohlich­keit, Michael Laurenz ist ein passabler Pedrillo. Merkwürdig blass bleibt Christian Nickel als Bassa-Darsteller.

Das Wiener Staatsoper­norchester unter Antonello Manacorda liefert einen gepflegten, wenig aufregende­n Mozartklan­g. Was bleibt? Jetzt haben wir also diese „Kultinszen­ierung“auch gesehen.

Oper: „Die Entführung aus dem Serail“, Wiener Staatsoper.

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Osmin (Goran Jurić) mit doppeltem Blondchen (Regula Mühlemann, Stella Roberts).

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