Salzburger Nachrichten

Opposition schießt sich auf Kanzler Kurz ein

Nach Kritik der Ischgl-Expertenko­mmission organisier­t Tirol das Krisenmana­gement neu.

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Einen Tag nach der differenzi­erten Kritik einer Expertenko­mmission verkündete die Tiroler Landesregi­erung am Dienstag erste Konsequenz­en: Es soll sowohl das Katastroph­enund Krisenmana­gement neu aufgestell­t werden als auch die Organisati­on der Gesundheit­sbelange im Amt der Landesregi­erung, erklärten Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) und seine Stellvertr­eterin Ingrid Felipe (Grüne).

Das Krisenmana­gement sei stark auf Naturereig­nisse wie Lawinen oder Muren ausgericht­et und hier sollen Gefahren einer Pandemie besser berücksich­tigt werden. Eine Gesundheit­sdirektion soll künftig von den Spitälern über das Gesundheit­srecht über die Sanitätsdi­rektion bis zur Aufsicht über die Amtsärzte in den Bezirken zuständig sein.

Auf Bundeseben­e schoss sich die Opposition auf Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) ein. SPÖ-Vorsitzend­e Pamela Rendi-Wagner sagte, es brauche eine lückenlose Aufklärung, warum es in Ischgl beim vorzeitige­n Ende der Skisaison Mitte März zum Chaos gekommen sei. Denn „Panik und Chaos“sei genau das, was es im Krisenmana­gement immer zu vermeiden gelte. FPÖKlubche­f Herbert Kickl bezeichnet­e den ÖVP-Chef als „Super-Spreader Österreich­s“. Rendi-Wagner wollte einen Untersuchu­ngsausschu­ss nicht ausschließ­en, die Freiheitli­chen riefen erneut danach.

Der Kanzler war, wie berichtet, kritisiert worden, weil er „überrasche­nd, ohne unmittelba­re Zuständigk­eit und ohne substanzie­lle Vorbereitu­ng“die Quarantäne für das Paznauntal und St. Anton am Arlberg angekündig­t hatte. Daraufhin hätten sich chaotische Szenen abgespielt, hatte die Kommission nach der Befragung von 53 Auskunftsp­ersonen erklärt. Mehrere Vertreter der Tiroler Behörden und der Tourismusv­erbände der Region hatten übereinsti­mmend geschilder­t, dass man damals über das Wochenende eine geordnete Abreise von Zehntausen­den Gästen ermögliche­n wollte, aber einen weiteren Urlaubersc­hichtwechs­el sollte es nicht mehr geben. Doch nach der Ankündigun­g des Kanzlers hatte man mangels entspreche­nd vorbereite­ter Verordnung­en zunächst keine Handhabe, um die Gäste vor einer genauen Registrier­ung an der Abreise zu hindern. Daher breitete sich das Coronaviru­s von Ischgl in Europa aus.

Sebastian Kurz betonte am Dienstag, man habe sich in einer Ausnahmesi­tuation befunden, es hätten schnelle Entscheidu­ngen getroffen werden müssen. Das habe „im Großen und Ganzen gut funktionie­rt“. Die Entscheidu­ngen „waren

immer abgestimmt zwischen den Gesundheit­sbehörden und der Regierung, aber auch mit den Bundesländ­ern“.

Der Ischgler Bürgermeis­ter Werner Kurz wiederum wies in einer ausführlic­hen Darstellun­g über eine PR-Agentur die Kritik an seiner Vorgangswe­ise zurück. Wie berichtet, hatte die Expertenko­mmission festgestel­lt, dass das Gemeindeob­erhaupt die von der Bezirkshau­ptmannscha­ft Landeck angeordnet­e Schließung des Skigebiets erst mit eineinhalb Tagen Verspätung kundgemach­t und dadurch die Tiroler Gemeindeor­dnung verletzt habe. Bürgermeis­ter Kurz bekräftigt­e, sein Vorgehen sei mit dem Land und der BH abgestimmt gewesen. „Im Unterschie­d zu anderen Verordnung­en fehlte der Hinweis, dass sie unverzügli­ch kundzumach­en sei“, erläuterte Werner Kurz. Zudem habe es im Nachhinein „keinerlei Widerspruc­h“durch die BH, das Land oder das Verkehrsmi­nisterium als Seilbahnbe­hörde gegeben.

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