„Wird es diesmal anders?“
Corona hat die globale Energienachfrage gekappt wie nie zuvor. Die Internationale Energieagentur sagt Sonnen- und Windkraft nun eine große Zukunft voraus – unter bestimmten Bedingungen.
Die Coronapandemie wird 2020 das fast Unmögliche schaffen: Die dadurch ausgelöste Wirtschaftskrise wird den globalen Energieverbrauch um fünf Prozent senken, die Treibhausgasemissionen sogar um sieben Prozent, geht aus dem aktuellen „Welt-EnergieBericht“hervor, den die Internationalen Energieagentur (IEA) am Dienstag in Paris präsentiert hat.
Es war der bisher größte Einbruch. Vor allem Öl und Kohle haben den wochenlangen Lockdown zu spüren bekommen, die Nachfrage ging um acht bzw. sieben Prozent zurück. Kohle, früher der wichtigste Energieträger, hat laut IEA ihre beste Zeit hinter sich und sogar bei Öl sollte das ewige Wachstum 2030 zu Ende sein.
Die Klimakrise wird durch die Rezession aber nicht gelöst. „Auch wenn die CO2-Emissionen heuer rekordverdächtig gesunken sind, reicht das nicht aus, um die Emissionen auch in Zukunft niedriger zu halten“, betonte IEA-Chef Fatih Birol. Der Energiehunger werde, je nachdem wie lange die Coronakrise die Welt in Bann hält, 2023 oder 2025 wieder auf Vorkrisenniveau steigen, ähnlich die Nachfrage nach Öl und noch stärker nach Erdgas. „Die Frage ist, wird es diesmal anders“, sagt IEA-Experte Tim Gould.
Um die CO2-Emissionen tatsächlich bis 2050 auf null zu senken, wie das immer mehr Länder ankündigen, braucht es andere Energiesysteme, aber auch Verhaltensänderungen. So etwa müssten in zehn Jahren mehr als die Hälfte der (statt derzeit 2,5 Prozent) verkauften Pkw elektrisch betrieben sein und drei Viertel des Stroms (statt derzeit 49 Prozent) aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Bis 2023 müsste jährlich eine Billion Dollar (850 Mrd. Euro) zusätzlich in Energieeffizienz, Stromnetze und erneuerbare Energiequellen und saubere Treibstoffe investiert werden, hat die IEA errechnet. Damit würden die globalen CO2-Emissionen nie mehr das Niveau von 2019 erreichen und wären bis 2030 um zehn Gigatonnen niedriger.
Der Schlüssel zur Energiewende sind laut IEA Wind und Sonne und die Um- und Aufrüstung der Stromnetze.
Erneuerbare Energie soll 80 Prozent des zusätzlichen Strombedarfs bis 2030 decken, wobei Wasserkraft Nummer eins bleibt, heißt es im „World Energy Outlook“.
Die Gefahr: Sollte die Krise länger dauern, könnte das Projekte gefährden. Bisher haben sich die Investitionen in Solar- und Windkraft – anders als bei Öl, Gas oder Kohle – als krisenresistent erwiesen. Und sie werden steigen. „Solarenergie wird der neue König des weltweiten Strommarkts. Nach heutigen Rahmenbedingungen wird Photovoltaik nach 2022 jedes Jahr einen Rekord bei neuen Kapazitäten aufstellen“, erwartet Birol. Sie werde die günstigste Stromquelle, die die Welt je gesehen habe. Notwendig werde aber auch der Ausbau von Wind, Wasserstoff, CO2-Speicherung und für viele Länder ein „neues Momentum bei der Atomkraft“, so die IEA. „Die Herausforderungen sind so groß, sodass es alle Formen von sauberer Energie braucht“, sagt der IEA-Chef. Die Coronapandemie werde Narben hinterlassen, noch sei aber unklar, ob sie die Energiewende bremsen oder ihr neue Dynamik verleihen wird.