„Influenza ist leichter übertragbar als Corona“
Im Coronajahr sei eine Grippeimpfung besonders wichtig, raten Experten. Es gibt auch keine Hinweise auf einen schwereren Covid-19-Verlauf nach einer Impfung gegen Influenza.
WIEN. Gerade einmal elf Wochen dauerte die Grippewelle im vergangenen Winter. Mit Beginn des Lockdowns in Österreich sei sie so gut wie beendet gewesen, sagt Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien. „Die Hygienemaßnahmen, die zur Eindämmung des Coronavirus getroffen wurden, wirkten sich positiv auf die Verbreitung von Influenzaviren aus.“Wie steht es aber in Hinblick auf die bevorstehende kalte Saison: Sollte man sich gegen Influenzaviren impfen lassen?
Schon vor Corona wurde häufig über den Nutzen einer Grippeimpfung diskutiert. Impfgegner führen immer wieder das Argument ins Treffen, eine Impfung schwäche das Immunsystem. „Das ist völliger Unsinn“, sagt WiedermannSchmidt. Für die Influenzaimpfung wird jährlich ein inaktivierter Impfstoff (Totimpfstoff ) produziert – aus den Influenzaviren, die zuletzt am meisten zirkulierten. „Die Impfung führt nicht dazu, dass das Immunsystem
geschwächt ist, nur die Erkrankung selbst.“Es gebe auch keine validen Studien darüber, dass eine Influenzaimpfung zu einem schwereren Verlauf einer Coronavirus-Erkrankung führe, ergänzt Infektiologe Robert Krause von der MedUni Graz.
Das Sozialministerium empfiehlt die Grippeimpfung allen Personen, die sich schützen wollen, insbesondere Schwangeren, Kleinkindern, Personen ab dem 60. Lebensjahr und Menschen mit chronischen Erkrankungen. Eine Grippeimpfung sei heuer mehr denn je zu empfehlen – schon allein in Hinblick auf die Spitalskapazitäten, merkt Wiedermann-Schmidt an.
Wie sieht es aber nun mit Doppelinfektionen aus: Kann man sich gleichzeitig mit Influenzaviren und SARS-CoV-2 anstecken? Möglich sei das schon, „aber es wurden nur sehr wenige solcher Fälle in der vergangenen Saison registriert“, sagt Robert Krause. „Das liegt ganz einfach daran, dass man mit einer Grippeerkrankung zu Hause im Bett liegt und so auch weniger gefährdet ist, sich mit anderen Viren, wie SARS-CoV-2, anzustecken.“
Vergleiche zwischen Influenza und Covid-19 wurden seit Beginn der Pandemie gezogen. Eine neue Studie aus Wien zeigte am Montag, dass im Durchschnitt 500 Viren übertragen werden müssen, um eine SARS-CoV-2-Infektion auszulösen. Bei Influenza ist diese Zahl niedriger: Sie liegt bei etwa 127 bis 320 Viren.
„Die Infektionsdosis ist bei Influenza zwar geringer als bei Corona, aber jeder Influenzainfizierte kann ein bis zwei Personen anstecken“, erklärt Wiedermann-Schmidt. Es handelt sich um eine sogenannte homogene Infektionswelle. Bei Covid-19 gebe es indes einige Superspreader, die viele Personen anstecken können, aber eben auch viele, die infiziert sind und das Virus nicht weitergeben, weil die Viruslast zu gering sei.
Nicht nur in dieser Hinsicht gibt es große Unterschiede – auch, was die Personengruppen betrifft. Bei Corona spielten Kinder als Übertrager nur eine geringe Rolle. „Bei einer Influenza sind Kinder nicht nur diejenigen, die die Viren weitertragen, sie sind selbst auch häufig stark betroffen“, sagt WiedermannSchmidt. Auch deshalb wurde die Influenzaimpfung für Kinder heuer vom Gesundheitsministerium in das Gratis-Impfprogramm aufgenommen.
Es zeigt sich: Beide Infektionen sind respiratorische Erkrankungen und werden durch Tröpfchen übertragen, ihre Erkrankungen weisen jedoch unterschiedliche Verläufe auf. Expertin Wiedermann-Schmidt hofft durch die Hygienemaßnahmen heuer auf eine mildere Grippesaison. Ein positiver Nebeneffekt von Corona: „Die Leute nehmen Influenza nun auch endlich ernst.“
„Endlich wird Influenza ernst genommen.“
Ursula Wiedermann-Schmidt, Immunologin