„Müssen mit Technik kritischer umgehen“
„Wie füttern wir unsere Systeme? Wie klassifiziert man Daten?“
Manuela Naveau, Uni-Professorin
Die Kunstuniversität Linz setzt mit der neuen, in Österreich bislang einzigartigen Professur Critical Data einen Schwerpunkt für einen kritischen Diskurs in einer von Technologie bestimmten Welt. Manuela Naveau, 48-jährige Künstlerin und Kuratorin, übernimmt diese Professur – sie sieht sich als „Begleiterin von Studierenden, die sich mit den aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung beschäftigen“. „Lange Zeit stand Technik für Korrektheit und Präzision, etwas, dem man vertrauen kann. Das hat sich geändert. Es wird jetzt klar, dass wir mit der Technik anders, also kritischer umgehen müssen“, sagt Naveau im SN-Gespräch.
Netflix-Serien wie „Das Dilemma der sozialen Medien“seien Anzeichen dafür, dass sich ein kritisches Bewusstsein im Umgang mit digitalen Netzwerken etabliere, betont Naveau. Was mit der Frage „Wie füttern wir unsere Systeme?“beginne, führe weiter zu Analysen, welche
Agenda hinter den Datensätzen stehe oder warum ein Verschwinden von Privatsphäre oder eine Einschränkung der Bürgerrechte drohe. „Das Themenfeld wird immer breiter und gewinnt zusehends an Brisanz“, sagt Naveau. Konzerne mit ähnlich gearteten Produkten würden sich zusammenschließen, um ihre Datenbanken zu koppeln und so noch bessere Kundenprofile für punktgenauere Produktplatzierung zu erstellen.
In diesem Zusammenhang stellt die Wissenschafterin, die seit 18 Jahren für die Ars Electronica arbeitet, auch die Frage, warum die österreichische StoppCorona-App von einem privaten Unternehmen entwickelt worden sei: „Warum verzichtete man auf die Kompetenz der heimischen technischen Universitäten und überlässt das Terrain profitorientierten Firmen?“
Unter den Studierenden der Linzer Kunstuni ortet Naveau ein „extrem ausgeprägtes kritisches Potenzial“, wenn es um das Hinterfragen von Daten, Algorithmen und selbstlernende Systeme geht. Gerade die subversiven Möglichkeiten, die die Kunst biete, seien ein ideales Mittel, um eine „breit aufgestellte Diskussion“zu diesen Themen einzuleiten. Als Beispiel nennt sie etwa die britische Künstlerin Ann Ridler, die über eine von künstlicher Intelligenz gesteuerte Bilderflut von imaginären Tulpen den von Spekulationen geprägten Finanzmarkt beschreibt. Die Arbeit „Mosaic Virus“ zieht damit Parallelen zum „Tulpenfieber“, der Wirtschaftskrise im 17. Jahrhundert.
„Wie klassifiziert man Daten, was sind reine, was verschmutzte Daten und was bedeutet das?“Mit Fragestellungen wie dieser will man in Linz mit einem „alten Verständnis von Technik“aufräumen. Freilich mit internationaler Beteiligung, wobei verstärkt auf Forscherinnen gesetzt wird. Denn: „Immer mehr Frauen setzen sich kritisch mit Daten und künstlicher Intelligenz auseinander.“Sind Frauen bei dieser Problematik sensibler? „Sie sind vielleicht weniger technologiehörig und deshalb bereit, die hinter der Technik stehende Haltung zu befragen.“Ein reiches Aufgabenfeld zwischen Versprechung, Manipulation und Verschwörung.