Kogler kündigt neuen Zuschuss für Arbeitslose an
Vizekanzler Werner Kogler im SN-Gespräch: Arbeitslose erhalten einen Zuschuss von jeweils 150 Euro für die Monate Oktober, November und Dezember.
So wie bereits im Sommer werde es auch im Herbst mehr Geld für Arbeitslose geben. Das kündigte Vizekanzler Werner Kogler im Gespräch mit den SN an. Laut Kogler geht es um eine Einmalzahlung von 150 Euro pro Monat, macht für den Zeitraum Oktober bis Dezember insgesamt 450 Euro Zuschuss pro Arbeitslosem. Die genaue gesetzliche
Regelung ist noch ausständig, doch laut Kogler hat die Koalition bereits eine Einigung über den Zuschuss erzielt. Der Vizekanzler kündigte an, dass man nach dem „gleichen Schema wie bereits im Sommerquartal“vorgehen werde. Damals kamen Personen in den Genuss der Mehrzahlung, die zwischen Mai und August mindestens 60 Tage lang arbeitslos waren. Die Auszahlung erfolgte im September.
Wie Kogler weiter erklärte, wird es im kommenden Jahr ein gezieltes Kurzarbeitsmodell geben müssen, das vor allem auf die exportorientierte Industrie zugeschnitten ist. Denn die österreichische Industrie sei extrem von den Weltmärkten abhängig und in etlichen Partnerländern sei die Coronasituation teilweise viel dramatischer als in Österreich.
Eine Aussage darüber, wie lang Österreich noch im Bann der Krise stehen werde, vermied der Vizekanzler und grüne Parteichef. „Wenn jemand sagt, den Zeitpunkt voraussehen zu können, glaube ich ihm kein Wort“, sagte er.
Werner Kogler ist nicht nur grüner Parteichef und Vizekanzler, er ist auch für Sport und Kultur zuständig und koordiniert im grünen Regierungsteam die Wirtschaftspolitik. Entsprechend breitgefächert fielen die Fragen der SN aus.
SN: Welche Logik hat es, wenn in einem Stadion mit 30.000 oder 50.000 Plätzen nur 1500 Zuseher sitzen dürfen, in der Staatsoper mit nur 1700 Sitzplätzen aber 1000?
Werner Kogler: Es geht uns in der Bundesregierung darum, größere Zusammenkünfte überhaupt zu reduzieren. Je weniger Kontakte, desto weniger Ansteckungen. Aber wir wollen ermöglichen, was gesundheitspolitisch geht. Schauen Sie über die Grenze: Würden wir so streng vorgehen wie andere Länder, etwa Deutschland, hätten wir überhaupt nur noch Geisterspiele und keine Zuseher. In Belgien ist alles zugedreht. In Holland sind alle Amateurligen dicht. In Italien dürfen nur 1000 Leute in die riesigen Stadien. Österreich ist bei denen, die noch am meisten zulassen. Je nach Entwicklung der regionalen Zahlen wären die Landeshauptleute eigentlich aufgerufen, darüber nachzudenken, ob sie nicht weitere regionale Restriktionen vornehmen.
SN: Sollen sie das tun?
Nein, nicht automatisch, das hängt von den Ansteckungszahlen ab, dafür gibt es die regionalisierte Ampel. Und außerdem: Wenn es zu einer deutlichen Abflachung der Kurve und Senkung der Infektionszahlen kommt, bin ich sofort bei einer Lockerung dabei. Da müssten die Vereine und Stadionbetreiber aber mitgehen und beispielsweise alle Eingänge und alle Sektoren aufsperren.
SN: Lockerungen können Sie wohl nicht in Aussicht stellen?
Da bin ich ehrlicherweise sehr skeptisch. Wenn jemand sagt, den Zeitpunkt voraussehen zu können, glaube ich ihm kein Wort. Es sind die Scharlatane, die so tun, als ob Corona von allein besser würde. Der Punkt ist: Wir müssen Gesundheitsschutz und die Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens, der Beschäftigung und vor allem der Bildung unter einen Hut bringen.
SN: Apropos Wirtschaftsleben: Welche Botschaft haben Sie für die Menschen, die von
Arbeitslosigkeit betroffen sind?
Erstens einmal gibt es Investitionsprogramme, die dazu führen, dass in mehreren Sektoren der Wirtschaft eine Trendwende eingeleitet werden konnte. Ich denke da an Branchen, die mit Digitalisierung und Ökologisierung zu tun haben. Da stecken Zigtausende Arbeitsplätze drin. Wir investieren auch in Umschulungen und Qualifizierungsmaßnahmen.
SN: Und die Arbeitslosen?
Wir Grüne setzen um, was wir angekündigt haben: Es wird eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes geben, und zwar im gleichen Schema wie bereits im Sommerquartal. Diese Aktion wird über den Herbst verlängert. Arbeitslose erhalten also noch einmal einen Zuschuss von drei Mal 150 Euro.
SN: Das ist Ihre Forderung?
Ich kündige es an und es ist bereits in der Bundesregierung vereinbart, und es wird so kommen. Insgesamt gibt es also in diesem Coronajahr einen Zuschuss von sechs Mal 150 Euro. Das ist doch eine deutliche Erhöhung.
SN: Wie viel wird das kosten?
Die Erhöhung im vergangenen Quartal hat fast 200 Millionen gekostet. Das wird jetzt nicht viel anders sein.
SN: Wann wird sich der Arbeitsmarkt erholen?
Über den Winter wird die Arbeitslosigkeit leider zunächst einmal steigen, weil bestimmte Insolvenzen nicht zu vermeiden sind. Da muss man ehrlich sein. Und man wird im nächsten Jahr die Kurzarbeit nicht ewig ausdehnen können. Wir müssen gezielt jene Bereiche ankurbeln und Firmen stabilisieren, wo vor der Krise keine Insolvenzgefahr bestand. Ein großes Fragezeichen für das kommende Jahr ist die Abhängigkeit unserer hochwertigen, exportorientierten Industrie von den Weltmärkten. International gibt es ja viel dramatischere coronabedingte Verwerfungen als bei uns. Hier werden wir wohl ein gezieltes Industrie-Kurzarbeitszeitmodell entwickeln müssen.
SN: Es gibt die Kritik, dass dank Kurzarbeit Arbeitskräfte in nicht lebensfähigen Betrieben festsitzen, die anderswo dringend gebraucht würden.
Das ist natürlich eine Gefahr. Daher wird die Kurzarbeit auch laufend adaptiert. Es gibt aber Gespräche mit dem AMS, dass wir Menschen konkret in Zukunftsbranchen hineinschulen. Also in Umwelttechnologie, Ökowirtschaft, auch ins Baunebengewerbe, wenn wir mit den Gebäudesanierungen durchstarten. Und natürlich in die Pflegeund Gesundheitsberufe.
SN: Wie gestaltet sich eigentlich die Zusammenarbeit mit der ÖVP? Man hört immer, dass die ÖVP strengere Coronamaßnahmen durchsetzen möchte, die Grünen aber auf der Bremse stehen.
Das Gerücht höre ich öfter, aber in der Praxis ist das nicht so. Die Zusammenarbeit funktioniert gut. Wir haben auf Bundesebene gewisse Standards gesetzt, und im Sinne der von uns Grünen forcierten Regionalisierung müssen die Länder entscheiden, wo sie nachschärfen. Und wenn die Zahlen überall steigen, werden wir als Regierung wieder etwas unternehmen müssen.
SN: Ist es nicht so, dass der gemeinsame Kampf gegen Corona manche koalitionären Differenzen überdeckt?
Stichwort Moria ...
Dieser Konflikt wird auch ausgetragen, hier haben wir völlig unterschiedliche Positionen.
SN: Es hat sich halt die ÖVP durchgesetzt.
Das werden wir sehen. Wir Grüne sind in intensivem Austausch mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, und da sind viele Türkise beziehungsweise Schwarze dabei, die bereit wären, Menschen aus Moria aufzunehmen. Wir sind im Austausch mit der Bischofskonferenz, mit der Diakonie und mit NGOs. Wir wollen darauf hinwirken, dass Österreich – im europäischen Geist – gemeinsam mit anderen Ländern ein Kontingent an Kindern und den dazugehörigen Familien aufnimmt. Außerdem möchte ich schon darauf verweisen, dass wir den stillen Tod der Justiz abgewendet und erstmals seit Jahren eine drastische Erhöhung des Justizbudgets durchgesetzt und somit eine Trendwende eingeleitet haben; dass wir Milliarden im ökologisch-wirtschaftlichen Bereich durchgesetzt haben; dass wir das Kulturbudget erhöht haben. Die Volksgruppenförderung wurde verdoppelt. Beim Auslandskatastrophenfonds gibt es de facto eine Vervierfachung. Mit welcher Regierungskonstellation wäre das gelungen? Es passiert dauernd etwas Grünes.