Dudeln und Jodeln wird jetzt erforscht
Über Töne aus einem Sack und Melodien auf „ui-di-dö-ha-da“gibt es neue Erkenntnisse.
SALZBURG. Die Sackpfeifer haben seit jeher in Salzburg musiziert. Zwar ist kein altes, original hiesiges Instrument erhalten, schon gar keine passenden Noten. Trotzdem werden jetzt einige Nachweise gelüftet, dass das vermeintlich typisch schottische Instrument im alpinen bäuerlichen Milieu mindestens so beliebt gewesen ist wie bei Hof. Dass in traditionsbewusste Volksmusik auch der munter schnarrende Singsang von Sackpfeifen gehört, legt der auf Dudelsack und Drehleier spezialisierte Salzburger Musiker Michael Vereno in einem exzellenten Aufsatz dar, der soeben publiziert worden ist.
Das rund 550 Seiten dicke Buch umschreibt Herausgeber Wolfgang Dreier-Andres als „die umfassendste Geschichte der Salzburger Volksmusik, die je erschienen ist“. Die rund 20 Beiträge eines 2016 in Werfen abgehaltenen Symposiums sind dafür überarbeitet, illustriert und mit 27 Hörbeispielen auf einer CD sowie etwa 100 kompletten Notenschriften von Instrumentalmusik und Gesängen ergänzt. Allein an Liedern sei darin mehr zu finden als in einem üblichen Liederbuch, sagt Wolfgang Dreier-Andres, Musikwissenschafter und Bibliothekar des Salzburger Volksliedwerks.
Die ältesten Salzburger Zeugnisse für Dudelsackpfeifer hat Michael Vereno in Kirchen gefunden – etwa im Weihnachtsbild der Franziskanerkirche, wenngleich ungewiss ist, ob der um 1600 vom Sienneser
Francesco Vanni mit Dudelsack abgebildete Hirte toskanisch oder salzburgisch ist. Noch älter, aus etwa 1480, ist im linken Seitenflügel des Flügelaltars in Morzg ein Engel, der eine einbordunige Sackpfeife spielt, auf dass der heilige Vitus mit Musik – nebstbei mit Tanz, Wollust und Schmaus – betört werde.
Während man für das, was Volksmusiker „Kunstmusik“nennen, längst Noten aufgeschrieben hat, sind überlieferte Zeugnisse für Volksmusik mickrig. Denn die Musikanten spielen auch heute noch kaum nach Noten oder gar kodifizierten Kompositionen, sondern lernen Lieder und Stücke über Nachspielen wie Mitsingen. Erst ab dem 18. und vor allem im 19. Jahrhundert wurde Volksmusik aufgezeichnet und dort und da systematisch gesammelt. Für die Sackpfeife ist noch weniger erhalten als für andere Genres, weil sie bei Beginn des
Sammelns aus der Mode gekommen ist. Umso mehr staunt man über die vielen von Michael Vereno gelüfteten Details.
Ähnlich dürftig sind Quellen des Jodelns. Diese seien nicht einmal im Sammeleifer des 19. Jahrhunderts aufzeichnet worden, weil dazu gesungene Silben wie „ui-di-dö-hada“oder „hådl-di-hå-i-ri“nicht als Text gegolten hätten, erläutert die Volksmusikforscherin Evelyn FinkMennel. Dass viele Jahrhunderte vor der 1886 beginnenden Jodlerforschung gejodelt worden ist, belegt auch sie mit einem Kirchenbild: Im Fresko von 1750 in Ottobeuern sind zwei Notenzeilen, die zunächst als Tanzmusik – vermutlich ein Tiroler Schleuniger – erscheinen, möglicherweise aber den ältesten aufgezeichneten Jodler wiedergeben. Nicht nur in Tänzen, auch in Schnaderhüpfeln stecken Jodelmelodien. Und Evelyn Fink-Mennel hebt hervor, dass die von Benedikt Hacker 1816 in Salzburg herausgegebenen „Lustigen Gesänge“die „früheste gedruckte Jodelschule im deutschsprachigen Raum“seien.
Faszinierend sind die Annäherungen an das Rätsel: „Wie hat’s früher geklungen?“Josef Radauer, Volksmusikant wie Kontrabassist in der Camerata Salzburg, vergleicht Beispiele aus Franz Lackners Pinzgauer Liedsammlung der 1880erJahre mit heute üblichem Notensatz und folgert: Einiges in den zumindest 150 Jahre alten Versionen erscheine zunächst unerwartet oder unvollständig, klinge aber reizvoller oder leichter als das Neue.
Grandios ist Rudie Pietschs Untersuchung des Salzburger Ländlers am Beispiel der 1819 aufgezeichneten 24 Abtenauer Tänze. Dieser Musikwissenschafter, Tanzgeiger und Pädagoge ist im Februar 2020 gestorben. Das ihm gewidmete Buch enthält sein schwungvoll witziges wie fundiertes Referat, und die CD bietet die Aufzeichnung dreier von ihm scharf aufgespielter Tänze.
Buch: