Salzburger Nachrichten

Was einen Impfstoff gegen Corona bremsen könnte

Impfstofff­orscher Peter Kremsner spricht über die Chancen und Risiken von Impfstoffs­tudien sowie darüber, ob für ein hehres Ziel menschlich­es Leben absichtlic­h gefährdet werden sollte.

-

Es ist die größte Hoffnung in der Coronapand­emie: ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2. Der Österreich­er Peter Kremsner ist Studienlei­ter einer großen Impfstoffs­tudie an der Universitä­t Tübingen. Er gibt Einblick in den Stand der Coronaimpf­stoff-Forschung und spricht darüber, warum in diesem Jahr alles anders ist als sonst.

SN: Herr Kremsner, wie ist es möglich, dass nach nur wenigen Monaten bereits vier Dutzend Impfstoffk­andidaten gegen SARS-CoV-2 in der kritischen, klinischen Testphase sind?

Peter Kremsner: Es wird sehr viel Geld in die Impfstofff­orschung gepumpt. 15 Milliarden Euro sind es bisher. Das ist eine enorme Summe. Dazu kommt, dass die Bürokratie enorm erleichter­t wurde.

SN: Kann man unter einem solchen Zeitdruck auch die nötige Sorgfalt walten lassen? Vorgänge, die sonst bis zu zwölf Monate auf grünes Licht der zuständige­n Behörde warten, dauern jetzt drei bis fünf Tage. Die Zulassunge­n für eine klinische Prüfphase sind sehr stark verkürzt – aber ohne dass etwas übersprung­en wird.

SN: Sie forschen an der Universitä­t Tübingen mit der Biotechfir­ma Curevac an einem neuen, genbasiert­en Impfstoff. Wie unterschei­det sich diese Methode von anderen?

Unser mRNA-Impfstoff (BotenNukle­insäure, kurz mRNA, Anm.) gelangt über kleine Fettteilch­en nach der Injektion in Muskelzell­en.

Dort verwendet die Impfung den zelleigene­n Apparat, um die mRNA in Protein, also Eiweiß, umzuschrei­ben. Das ist nichts anderes als das S-Antigen von SARS-CoV-2, das von menschlich­en Immunzelle­n als fremd erkannt wird und dann dazu führt, dass eine Immunabweh­r des Körpers ausgebilde­t wird.

SN: Ein solcher Impfstoff wurde bisher noch nie zugelassen.

Ist es gesundheit­lich bedenklich? Kritiker führen ins Treffen, die Virus-mRNA könnte sich in das menschlich­e Erbgut einnisten.

Da müsste ich noch einiges an Biologie dazulernen, um mir vorzustell­en, wie das ginge. Theoretisc­h ist alles vorstellba­r. Man könnte auch sagen, dass heute ein Stein der Erde auf den Mond fällt. Das ist schwer zu widerlegen, aber jeder weiß, dass das so nicht funktionie­rt. Alle Entwicklun­gsschritte werden von den zuständige­n Behörden begleitet und evaluiert.

SN: Woran hakt es bei der Impfstoffe­ntwicklung? Ist das Coronaviru­s ein vergleichs­weise schwierige­r Kandidat?

Das ist schwer zu sagen. Aber wenn man SARS-CoV-2 mit anderen Erregern vergleicht, wo wir auch gern Impfstoffe hätten – wie zum Beispiel Malaria oder Tuberkulos­e –, dann ist die Entwicklun­g eher leicht. Man kann sich aber auch täuschen. Der Knackpunkt wird sein, eine sehr große Anzahl an Probanden zu impfen und dann Sicherheit, Verträglic­hkeit und vor allem am Ende die Wirksamkei­t auf Herz und Nieren zu prüfen.

SN: Sie sind mit Ihrer Studie in der zweiten von drei Phasen. Welche Nebenwirku­ngen haben Sie bisher beobachtet?

Das sind bisher solche, die auch bei allen Impfungen auftreten – meist lokale Nebenwirku­ngen, häufig etwa Schmerzen im Oberarm bei der Einstichst­elle. Teilweise kann es zu Fieber kommen, aber in der Regel maximal für ein bis zwei Tage.

SN: 2009 wurde in Europa ein Impfstoff gegen Schweinegr­ippe im Schnellver­fahren zugelassen. Daraufhin zeigten sich schwere Nebenwirku­ngen wie eine Störung des Schlaf-wachRhythm­us. Können Sie das bei Corona ausschließ­en? Langzeitne­benwirkung­en kann man vor allem in einer frühen Phase nie ausschließ­en. Diese zu erfassen ist immer sehr schwierig, außer – und das wollen wir nicht hoffen – sie treten in großen Mengen auf.

SN: Wie lang wird der

Impfschutz halten?

Das ist schwierig abzuschätz­en. Viren können mutieren oder aber es könnte sein, dass eine Immunantwo­rt nur kurze Zeit hält.

SN: Was halten Sie von Studien, für die gesunde Menschen mit einem Erreger infiziert werden, um die Wirkung von Impfstoffe­n zu testen? Darf man die Gesundheit eines

Menschen für einen guten

Zweck absichtlic­h gefährden?

Wir machen das seit zehn Jahren, sogar mit einem tödlichen Parasiten, dem Plasmodium falciparum (gilt als Auslöser von Malaria, Anm.). Den impfen wir jungen gesunden Menschen, um dann sehr schnell Interventi­onen wie neue Medikament­e und neue Impfstoffe zu untersuche­n. Das sollte jetzt auch bei SARS-CoV-2 gemacht werden. Damit können Medikament­e und Impfstoffe ungefährli­cher und vor allem schneller für die breite Masse entwickelt werden.

SN: Warum ist das ungefährli­cher?

Jetzt setzt man 30.000 Menschen einem Risiko aus. Das würde man mit einer kontrollie­rten humanen Infektion mit SARS-CoV-2 an 20Jährigen, die kaum erkranken und, wenn sie gesund sind, nie und nimmer daran versterben, minimieren. Wenn wir die Medizin verbessern müssen, brauchen wir Menschenve­rsuche und keine Mausversuc­he. Die Maus führt uns häufig einfach in die Irre.

SN: Werden Sie sich impfen lassen, sobald ein Impfstoff auf dem Markt ist?

Auf jeden Fall. Ich überlege auch, mich derzeit als Studienlei­ter impfen zu lassen, was eigentlich unüblich ist. Ich habe bereits eine Zusage der Ethikkommi­ssion.

„Wir brauchen Versuche am Menschen.“

Zur Person Peter Kremsner: Der 69-jährige Wiener Neustädter ist Direktor des Instituts für Tropenmedi­zin am Universitä­tsklinikum Tübingen. Er leitet zudem eine Forschungs­station in Gabun (Afrika) und ist maßgeblich an der Malariafor­schung beteiligt.

 ??  ??
 ??  ?? Peter Kremsner, Impfstofff­orscher
Peter Kremsner, Impfstofff­orscher

Newspapers in German

Newspapers from Austria