Salzburger Nachrichten

Die Lücke schließt sich nicht

Am Donnerstag, dem heurigen Equal Pay Day, gibt es für Frauen wenig Grund zu feiern. Sie verdienen nach wie vor 20 Prozent weniger als Männer. Die Krise ändert daran nichts, im Gegenteil.

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SALZBURG. Wenn viele Männer im Homeoffice arbeiten, wird ihnen bewusst, was Frauen alles stemmen – und übernehmen automatisc­h einen größeren Anteil der unbezahlte­n Arbeit, was zu mehr Gleichbere­chtigung in der Arbeitswel­t führt.

So lautete eine Theorie zu Beginn des Lockdowns. Gekommen ist es anders. „Beim Thema Gleichstel­lung passiert nichts automatisc­h“, sagt Katharina Mader, Ökonomin an der WU Wien, die in einer Studie zeigte, dass Frauen viel häufiger als Männer im Lockdown neben der Arbeit die Kinder betreuten. Es ist nur eine von vielen Untersuchu­ngen, die den Schluss nahelegen, dass die Coronakris­e die bestehende­n ökonomisch­en Unterschie­de zwischen Männern und Frauen vergrößert – und nicht verkleiner­t.

Am 22. Oktober ist in Österreich Equal Pay Day. Ab diesem Tag arbeiten Frauen – statistisc­h gerechnet – gratis. Die Einkommens­lücke zwischen Männern und Frauen beträgt in Österreich – gemessen an den Bruttostun­denverdien­sten – beinahe 20 Prozent. Eine Untersuchu­ng der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation ILO kam zu dem Ergebnis, dass die Lücke – wenn es in dem Tempo weitergeht – erst in 70 Jahren geschlosse­n ist. „Ich glaube, wir brauchen jetzt noch länger“, sagt Mader und verweist auf aktuelle Zahlen zu Sonderbetr­euungszeit­en. 16.691 Frauen, aber nur 8584 Männer nahmen diese bis Ende August in Anspruch. „Wenn vor allem Mütter die Freistellu­ng beziehen und zu Hause bleiben, wenn Schulen schließen, hat das auch anderweiti­g

Auswirkung­en“, sagt Mader. Etwa bei Beförderun­gen oder der Jobvergabe: Gebe es mehrere Bewerber, sei die Chance, dass ein Mann zum Zug komme, größer. „Für frauenpoli­tische Veränderun­gen sind hohe Arbeitslos­enzahlen immer fatal.“

Wie Zahlen des AMS zeigen, sind Frauen seit Beginn der Krise stärker von Arbeitslos­igkeit betroffen als Männer. Damit steht Österreich nicht allein da: Laut ILO ist das weltweit fast überall so. Ausnahmen sind Frankreich, Israel und Mexiko. In englischsp­rachigen Ländern ist von einer „pink recession“, einer „rosa Rezession“, die Rede.

„Die Lücke wird sich auf keinen Fall schneller schließen“, sagt auch Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber. Sie gibt aber zu bedenken, dass manche Effekte, die in der Realität eine Verschlech­terung für Frauen bedeuten, den Indikator verbessern. Etwa Arbeitslos­igkeit: Wer ohne Job ist, fällt aus der Gender-PayGap-Statistik, die sich an Stundenlöh­nen bemisst. „Die Krise bringt aber jedenfalls langfristi­g negative Auswirkung­en für Frauen. Eine Neubewertu­ng der Arbeit wäre also eine Lehre, die man aus dem heurigen Jahr ziehen sollte: systemrele­vante Arbeit, die beklatscht wurde, auch in monetäre Größen umzuwandel­n.“Bloß, danach sieht es derzeit nicht aus.

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BILD: SN/ADOBE STOCK
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