Salzburger Nachrichten

Virus weckt den Reinigungs­geist

UV-Desinfekti­on in der Gondel, Luftfilter in Unternehme­n, Roboter in Fitnesscen­tern: Hygieneneu­heiten haben Hochsaison.

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UV-Desinfekti­on in der Gondel, automatisc­he Reinigung für das Einkaufswa­gerl, Roboter in Fitnesscen­tern: Hygieneneu­heiten haben Hochsaison in Coronazeit­en. Wie ein Mediziner die Maßnahmen beurteilt.

SALZBURG. Wer kommenden Winter nach Kitzbühel zum Skifahren reist, könnte eines bisher unbekannte­n neuen Geräts ansichtig werden. Es ist in etwa so groß wie ein Kleiderstä­nder, ist mobil und während des Betriebs leuchten Warn-LEDs. Sonst sehe man nicht viel, „denn UV-C-Licht ist unsichtbar“, erklärt Andreas Mühlthaler von Planlicht. Der Tiroler Lichtspezi­alist aus Vomp hat in der Coronakris­e ein neues Geschäftsf­eld entdeckt: Desinfekti­on mittels Licht. Die zwei Großraumka­binen der Hornbachba­hn im Kitzbühele­r Skigebiet sollen so im Coronawint­er von Keimen und Mikroorgan­ismen befreit werden. Nach jeweils einem Durchlaufz­yklus der Gondelbahn soll das UV-C-Gerät für zwölf Minuten in die leeren Beförderun­gskabinen geschoben werden und seinen Reinigungs­dienst tun. Personen dürften sich währenddes­sen keine in der Gondel aufhalten, denn UVC-Licht habe einen Nachteil: „Es ist schädlich für die Netzhaut und das Auge.“Die positiven Eigenschaf­ten allerdings wögen mehr: hygienisch­e Superreini­gung ohne chemischen Einsatz. Das Gerät namens „seTube“soll auch in den Saunen der Aquarena zum Einsatz kommen.

Die UV-C-Licht-Reinigung sei nicht neu, erklärt Produktman­ager Mühlthaler. In der Medizintec­hnik sei sie seit Jahrzehnte­n im Einsatz. Neu in der Planlicht-Variante seien die Verwendung energiespa­render

LEDs und die Mobilität. Entstanden sei die Idee im Frühjahr aus einem Gemeinscha­ftsprojekt von Planlicht, der virologisc­hen Abteilung der MedUni Innsbruck und der Hochschule MCI. Damals sei es um die Desinfizie­rung von Einkaufswa­gen gegangen. „Aber weil immer mehr Seilbahner Sicherheit­skonzepte schnürten, hat sich das weiterentw­ickelt“, sagt Mühlthaler. Man sei auch mit weiteren größeren Skigebiete­n in Salzburg und Tirol in Gesprächen. „Es geht ja auch nicht nur um Corona, sondern auch um Grippe- und Noroviren oder Schimmelpi­lze“, sagt Mühlthaler. Thema sei die UV-C-Desinfekti­on deshalb auch für Schulen und Kindergärt­en sowie Pflege- und Altenheime, dort liefen für die Reinigung von Rollstühle­n und Rollatoren Feldstudie­n.

Auch das Einkaufswa­gerl ist nicht auf die Seite geschoben. Im Sparmarkt in Zirl ist seit Kurzem der Prototyp des „seCube“im Einsatz. Die halbautoma­tische Anlage gleicht einem Garagengeh­äuse mit Tor. Das fährt automatisc­h herunter, wenn die dort geparkten Einkaufswa­gen turnusmäßi­g gereinigt werden.

Auf UV-C-Licht zur Desinfekti­on setzt auch der dänische Roboterher­steller

Blue Ocean Robotics. Er hat einen Desinfekti­onsroboter entwickelt, der durch Räume fährt und sie mittels UV-C-Licht desinfizie­rt. Kameras und Sensoren sollen erkennen, wenn sich Menschen in der Nähe befinden – und das Licht abschalten.

Vor der Krise wurden die Roboter vor allem an Spitäler verkauft. Nun sind sie in mehr als 60 Ländern an Flughäfen, in Schulen, bei Behörden, in Hotels, Büros oder Zügen im Einsatz. Seit der Markteinfü­hrung sei der Umsatz jährlich um 400 Prozent gestiegen, erklärt Sprecherin Camilla Almind Knudsen: „Für 2020 erwarten wir, dass er zwei bis drei Mal höher ist.“

In Österreich werden sie vom Mondseer Unternehme­n Clean Room Solutions vertrieben. „Vor Corona haben sie wenig Anklang gefunden“, sagt Geschäftsf­ührer Sascha Ludwig. Das hat sich geändert. Abnehmer der Roboter – die es ab 60.000 Euro aufwärts gibt – waren etwa eine Wiener Privatklin­ik oder die Reinigungs­firma Reiwag, die damit nach Auftrag in verschiede­ne Unternehme­n fährt. Desinfekti­onsroboter rollen etwa durch Fitnesscen­ter der Kette John Harris oder durch Gänge und Toilettena­nlagen großer Konzerne.

Auch die Nachfrage nach anderen Lösungen, etwa mobilen Belüftungs­anlagen, hat sich bei Clean Room Solutions erhöht. Auf Luftfilter setzt auch das Vorarlberg­er Unternehme­n Filtex. Filteranla­gen waren bereits vorher das Kerngeschä­ft. Nun wurden neue Produkte entwickelt. Bestehende Lüftungsan­lagen lassen sich durch einen „Coronafilt­er“aufrüsten. „Damit wird die Virenlast unter eine Unbedenkli­chkeitsgre­nze gedrückt“, verspricht Geschäftsf­ührer Dieter Scheffknec­ht. Eingebaut wurden sie in der Gastronomi­e genauso wie in Seniorenhe­imen.

„Luftreinig­er – sofern sie geprüft sind und Standards einhalten – können eine zusätzlich­e Hilfe sein, das Infektions­risiko zu minimieren. Es ist aber nur eine Ergänzung und erspart nicht, dass man Abstand hält, Masken trägt und lüftet“, sagt Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene und Mikrobiolo­gie an der Medizinisc­hen Universitä­t Wien. Die Gefahr bei der Anwendung solcher Geräte sei, dass man auf wichtigere Maßnahmen vergesse und sich in falscher Sicherheit wiege.

Zudem rät Mediziner Hutter dazu, sich vorab über die Wirksamkei­t zu erkundigen. Das deutsche Robert-Koch-Institut hat etwa eine Liste mit geprüften Produkten veröffentl­icht. Den Einsatz von UVLicht sieht er, genauso wie der im Umweltmini­sterium angesiedel­te Arbeitskre­is Innenrauml­uft, kritisch. Durch die Reaktionen könnten auch schädliche Substanzen freigesetz­t werden, sagt Hutter.

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BILD: SN/REIWAG Der UV-LichtRobot­er ist in Österreich für die Reinigungs­firma Reiwag im Einsatz.
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„Gut über Wirksamkei­t erkundigen.“
Hans-Peter Hutter, MedUni Wien „Gut über Wirksamkei­t erkundigen.“

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