Salzburger Nachrichten

Eine Million Coronafäll­e in Frankreich und Spanien

Kaum wo steigen die Fallzahlen derzeit so drastisch wie in Europa. Zwei Länder haben bereits die Millionenm­arke überschrit­ten.

-

Corona-Lichtblick in Spanien: Nachdem die Ansteckung­en auf den Kanarische­n Inseln stark zurückgega­ngen sind, hob Deutschlan­d am Donnerstag die Reisewarnu­ng für das Ferienpara­dies auf. Deutschlan­d ist nach Großbritan­nien das zweitwicht­igste Herkunftsl­and der internatio­nalen Touristen auf den Vulkaninse­ln. Es ist ein kleiner Hoffnungss­chimmer für die Spanier. Denn die Coronasitu­ation auf dem Festland spitzt sich weiter zu.

Zuletzt wurden täglich mehr als 16.000 neue Infektione­n im Land gezählt, mit Stand Donnerstag wurden insgesamt seit Ausbruch der Pandemie 1.005.295 Fälle registrier­t. Und: „Das Schlimmste ist nicht vorbei, sondern es kommt noch“, sagt David Pestaña, Chef der Intensivst­ation des Madrider Krankenhau­ses Ramón y Cajal. Gesundheit­sminister Salvador Illa bereitete die Nation auf „harte Wochen“vor.

Obwohl Spanien deutlich früher als die Nachbarn von der zweiten Welle getroffen wurde, gelang es den Gesundheit­sbehörden bisher nicht, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Im Gegenteil. Besonders schlimm betroffen sind die Hauptstadt­region Madrid und der gesamte Norden mit den Regionen Katalonien, Baskenland, Rioja, Aragonien und Navarra, wo die wöchentlic­he Häufigkeit bis zu 500 Fälle pro 100.000 Einwohner erreicht.

Spanien versucht, die Ausbreitun­g des Virus mit Beschränku­ngen zu bekämpfen. Etliche Großstädte, zum Beispiel Madrid, Saragossa und Burgos, sind derzeit Sperrgebie­t. Auch die Regionen Navarra und Rioja wurden wegen der hohen Ansteckung­szahlen komplett abgesperrt. Mancherort­s wurde die Gastronomi­e geschlosse­n, wie etwa in der Region Katalonien. Fast überall in Spanien wurde die abendliche Sperrstund­e vorgezogen.

Doch die renommiert­esten Epidemiolo­gen des Landes werfen den örtlichen Gesundheit­sbehörden vor, viel zu spät reagiert zu haben. In Spanien sind die Regionalre­gierungen für die Gesundheit­spolitik verantwort­lich. Als Negativbei­spiel gilt vor allem Madrid, dessen ultrakonse­rvative Regionalpr­äsidentin Isabel Díaz Ayuso der Ausbreitun­g des Virus wochenlang weitgehend tatenlos zugesehen hatte.

Am Mittwochab­end wurde in Frankreich eine Höchstzahl gemeldet, wie es sie seit der ersten Welle Mitte Mai nicht mehr gegeben hat: Innerhalb eines Tages starben 163 Menschen an den Folgen von Covid-19. Das erhöhte die Zahl der Coronatote­n insgesamt auf mehr als 34.000. War die Verbreitun­g des Virus während des Sommers zurückgega­ngen, so befinden sich inzwischen landesweit wieder mehr als 2000 Menschen wegen einer schweren Infektion auf der Intensivst­ation. Zuletzt infizierte­n sich täglich rund 20.000 Personen neu.

Besonders angespannt ist die Situation im Großraum Paris, wo dem Chef der dortigen öffentlich­en Krankenhau­sgruppe, Martin Hirsch, zufolge bis Ende Oktober 70 bis 90 Prozent der Betten auf den Intensivst­ationen belegt sein könnten. Nicht zwingende Operatione­n werden bereits verschoben, Krankenhau­sleitungen können ihren Mitarbeite­rn Urlaubsspe­rren verordnen. Eine Entspannun­g ist nicht in Sicht.

Manche Virologen sprechen bereits von einem drohenden neuen Lockdown, den die Regierung mit Blick auf die Wirtschaft eigentlich verhindern will. Diese dürfte in diesem Jahr um zehn Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s einbrechen.

Im ganzen Land herrscht der „Gesundheit­snotstand“, der Premiermin­ister Jean Castex erlaubt, über bestimmte Ausgangsbe­schränkung­en zu verfügen. „Die nächsten Wochen werden schwer und die Zahl der Toten wird weiter steigen“, warnte Castex gestern.

Inzwischen gelten in zahlreiche­n Städte und Regionen eine Ausgangssp­erre zwischen 21 Uhr und 6 Uhr des Folgetags, von der insgesamt 46 Millionen Franzosen, also zwei Drittel der Bevölkerun­g, betroffen sind. Wer in dieser Zeit draußen unterwegs ist, braucht eine schriftlic­he Begründung, sonst fällt eine Strafe in Höhe von 135 Euro an, die bei Wiederholu­ng auf zunächst 1500 Euro ansteigt und bei dreimalige­m Zuwiderhan­deln sogar auf 3750 Euro und eine sechsmonat­ige Haftstrafe. Diese Maßnahme gilt zunächst einen Monat lang und könnte auf insgesamt sechs Wochen ausgedehnt werden.

 ?? BILD: SN/SCALIGER - STOCK.ADOBE.COM ?? In Frankreich gilt mittlerwei­le in vielen Städten auch im Freien Maskenpfli­cht.
BILD: SN/SCALIGER - STOCK.ADOBE.COM In Frankreich gilt mittlerwei­le in vielen Städten auch im Freien Maskenpfli­cht.
 ??  ?? Ralph Schulze berichtet für die SN aus Spanien
Ralph Schulze berichtet für die SN aus Spanien
 ??  ?? Birgit Holzer berichtet für die SN aus Frankreich
Birgit Holzer berichtet für die SN aus Frankreich

Newspapers in German

Newspapers from Austria