Studentenpartys werden in Schweden zu Corona-Hotspots
Die Neuinfektionen steigen auf einem ähnlichen Niveau wie in Deutschland. Seine Strategie ändert Schweden nicht.
Von West nach Ost leuchtet die europaweite CoronaAmpel mittlerweile fast durchgängig rot. Von Nord nach Süd steht sie ausgehend von Skandinavien über Deutschland bis nach Italien auf Orange. Noch? Während Gesundheitsexperten in Berlin und Rom angesichts steigender Zahlen alarmiert sind, entgegnet Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell auf die Frage, ob eine zweiten Coronawelle anrollt, ganz klar: „Nein. Die Steigerung in Schweden ist weniger dramatisch als in vielen anderen Ländern.“
Dennoch steigt die Zahl der Neuinfektionen an, wenngleich weit weniger stark als in Tschechien, Spanien oder Belgien. Vergleicht man die Neuinfektionen im 14-Tage-Durchschnitt pro 100.000 Einwohnern,
liegt Schweden mit 99,8 etwa gleichauf mit Deutschland mit 90,0, wie die Daten des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten zeigen. Österreich liegt bei 203. Anders als in Deutschland wird in Schweden aber kaum über strengere Coronamaßnahmen diskutiert.
Das Land geht seinen Weg beharrlich weiter. Es ist ein Sonderweg ohne Lockdown und mit wenigen Verboten und Einschränkungen, wie es sie auch in Schweden etwa für öffentliche Veranstaltungen gibt. Hauptsächlich arbeitet das Gesundheitsamt mit Empfehlungen: daheim bleiben, im Homeoffice arbeiten, vor allem, wenn man sich krank fühlt. Während Schulen bis zur neunten Schulstufe offen blieben, sind Schulen ab der zehnten Klasse und Universitäten frühzeitig auf digitalen Fernunterricht umgeschwenkt. Arbeitskräfte, die sich krankmelden, erhalten 80 Prozent des Gehalts. Während der Pandemie brauchen sie kein ärztliches Attest vorzulegen.
Die Empfehlungen wurden in Schweden gut angenommen. Die UBahnen, Geschäfte, Bars und zentralen Stadtteile in Stockholm waren im Frühling zeitweise gespenstisch leer. Im Grunde hat Schweden somit einen weichen, freiwilligen Lockdown durchgeführt, damit die Menschen das längerfristig durchhalten und nicht nach den ersten
Lockerungen unvorsichtig werden, so der Tenor vom Gesundheitsamt.
Die steigenden Neuinfektionszahlen beunruhigen nun aber die Bevölkerung. Anders als im Frühling sind es nun anscheinend in steigendem Maße jüngere Schweden, die sich bei sozialen Aktivitäten anstecken. Sie weisen aber zumeist milde Symptome auf, weshalb Todesrate und die Anzahl von Intensivstationspatienten weiterhin relativ niedrig sind.
Einer der derzeitigen CoronaHotspots in Schweden ist die für ihre Erstsemesterpartys im September und Oktober berüchtigte Studentenstadt Uppsala. Zwar wurden keine Verbote ausgesprochen, aber dringliche Empfehlungen, etwa öffentliche Verkehrsmittel in Uppsala nicht zu nutzen und zu Hause zu bleiben, wenn es geht. Doch auch hier keine Maskenpflicht, kein verpflichtender Lockdown. Gleiches gilt für den südschwedischen Hotspot Skåne, wo die Zahlen der Neuinfizierten deutlich steigen. Der Staatsepidemiologe Tegnell rief allerdings vor allem die jüngeren Schweden im Fernsehen auf: „Geht nicht auf Feiern!“
Bislang bleibt alles freiwillig. Doch auch Tegnell schließt nicht aus, dass bei entsprechender Entwicklung neue Maßnahmen ergriffen werden könnten. Er bleibt dabei aber vage. Von Verboten ist nicht die Rede. Die Regierung will aber neue Gesetze ratifizieren, die ihr bei der Pandemie im Notfall mehr Handlungsmöglichkeiten geben würde.
Erleichterungen gibt es trotz der steigenden Zahlen für Kulturbetriebe: Die Grenze für sitzendes Publikum bei Veranstaltungen wird ab 1. November von 50 auf 3oo erhöht.