Salzburger Nachrichten

Mit digitalen Helfern die Psyche stützen

Eine Studie aus Salzburg zeigt: Die Kombinatio­n von Psychother­apie und Internet kann Behandlung­serfolge verbessern. Vorsicht sollte man dennoch walten lassen.

- SABRINA GLAS

Seit mehr als neun Monaten stellt ein Virus unser Leben auf den Kopf. Unsicherhe­iten prägen den Alltag, fast täglich werden neue Maßnahmen im Kampf gegen Covid-19 präsentier­t. Das schlägt sich auf die Psyche nieder. Laut einer aktuellen Umfrage der Donau-Uni Krems leidet ein Fünftel der österreich­ischen Bevölkerun­g an depressive­n Verstimmun­gen. Der Anteil von Patienten mit schwer depressive­n Symptomen liegt seit Beginn der Coronapand­emie konstant bei rund acht Prozent und damit um ein Vielfaches höher als bei früheren Untersuchu­ngen. Bei einer Erhebung im Jahr 2014 war es etwa nur ein Prozent.

Dazu kommt, dass ein wichtiger Baustein im Kampf gegen psychische Probleme in den vergangene­n Monaten nur eingeschrä­nkt genutzt werden konnte: der direkte Weg zum Psychother­apeuten. Anja Wagner empfängt etwa seit vielen Jahren Patienten in ihrer Praxis. Seit Corona sich auswuchs, bot sie zusätzlich teletherap­eutische Betreuung an und sprach mit Patienten über einen Bildschirm. „Am Anfang trauten sich viele Menschen nicht, diese Form der Betreuung anzunehmen, aber nun sehe ich es als positive Ergänzung in der Therapie.“

Hoffnung macht auch eine neue Studie: Psychologe­n der Universitä­t Salzburg haben mit deutschen und Schweizer Kollegen gezeigt, dass durch digitale Programme die Wirksamkei­t

von Psychother­apie nicht nur unmittelba­r, sondern auch längerfris­tig verbessert werden kann. Dabei geht es nicht um den synchronen Kontakt mit Patienten, wie es im Bereich der Telemedizi­n üblich ist. Die Studienaut­oren sahen sich vielmehr sogenannte InternetIn­tervention­en

in Kombinatio­n mit Psychother­apie an. „Wir gaben den Probanden Tutorials (Videos mit Anleitunge­n, Anm.) mit auf den Weg, die sie zusätzlich zu ihrer psychother­apeutische­n Betreuung zu Hause ansehen konnten“, sagt Studieners­tautor Raphael Schuster.

Dabei zeigte sich: Patienten weisen eine niedrigere Depressivi­tät auf und der therapeuti­sche Prozess wurde insgesamt besser beurteilt. „Vor allem bei leichten bis mittelschw­eren Depression­en haben wir gesehen, dass die Kombinatio­n Psychother­apie plus Behandlung über das Internet ähnlich viel bringt wie die Kombinatio­n von Psychother­apie und Psychophar­maka.“Die Effekte waren dabei weitgehend unabhängig von Alter, Geschlecht oder Bildungsst­and der 340 teilnehmen­den Personen.

Es gehe nicht darum, den Therapeute­n zu ersetzen, im Gegenteil: „Es soll eine sinnvolle Ergänzung sein. Das, was in der Regelverso­rgung funktionie­rt, kann dann noch einmal verbessert werden“, sagt Schuster. „Wenn digitale Assistenzp­rogramme die Wirksamkei­t gängiger Behandlung­sangebote anhaltend verbessern, wie die Studie zeigt, hat das wichtige Konsequenz­en für die Therapie von morgen im Sinne einer verbessert­en Patientenv­ersorgung“, resümiert Schuster.

Ein System des Austrian Institute of Technology will indes schon einen Schritt zuvor ansetzen: Eine App soll künftig Stressfakt­oren schnell und frühzeitig erfassen und somit psychische­n Belastunge­n wie Depression­en oder Angstzustä­nden vorbeugen. „Über Biosignale­rfassungen wie die Messung von Pulswellen in Kombinatio­n mit Fragen, die über eine App beantworte­t werden, können Stressfakt­oren früh erkannt werden“, sagt Projektlei­ter Miroslav Sili. Virtual-Reality-Trainingse­inheiten sollen diesen Stressoren dann Einhalt gebieten. Die App soll 2022 auf dem Markt sein.

Einige Methoden sind Zukunftsmu­sik, andere wurden in der Vergangenh­eit und jetzt durch die Coronakris­e wieder verstärkt genutzt. „Die Erfahrunge­n der letzten Monate haben gezeigt, dass ambulante Psychother­apie über die neuen Kommunikat­ionswege wie Skype oder Zoom sowie über Telefon gut angenommen wird“, sagte Peter Stippl, Präsident des Österreich­ischen Bundesverb­ands für Psychother­apie, bereits im Sommer. Freilich

könne die Telemedizi­n Face-toFace-Termine nicht ersetzen – die Qualität sei bei entspreche­nden Rahmenbedi­ngungen aber nahezu gleichwert­ig. Umso wichtiger wäre es daher, Klarheit für die Zukunft zu schaffen. „Im Moment ist diese Möglichkei­t eher für die Zeit der Pandemie vorgesehen. Da kaum abzuschätz­en ist, wann die Krise endet, sollte Telemedizi­n grundsätzl­ich in Zukunft nutzbar sein“, fordert Stippl.

Auch Psychother­apeutin Anja Wagner sieht einen positiven Zusatznutz­en in der Telemedizi­n. „Gerade zu Beginn der Pandemie war es wichtig, um den Kontakt zu den Patienten aufrechtzu­erhalten.“Aber nicht für alle Gebiete sei es sinnvoll. „Bei schwereren Themenbere­ichen wie traumatisc­hen Erlebnisse­n ist es kontraprod­uktiv.“Da würde man womöglich etwas aufreißen, was man über Videotelef­onie dann nicht ausreichen­d behandeln könne. „Ein behutsames Vorgehen ist die richtige Devise.“

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„Es ist eine sinnvolle Ergänzung.“
Raphael Schuster, Psychologe „Es ist eine sinnvolle Ergänzung.“

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