Salzburger Nachrichten

Babyelefan­ten im CoronaPorz­ellanladen

- Helmut Schliessel­berger HELMUT.SCHLIESSEL­BERGER@SN.AT

Endlich Ferien? Schüler, Eltern und Lehrer haben sich im zweiten verkorkste­n Schulsemes­ter in Folge irgendwie in die Herbstferi­en gerettet. Der Termin der erstmals österreich­weit geltenden Herbstferi­en steht seit Langem fest. Ein einsamer Fixpunkt in einer Schulwelt, in der gar nichts mehr fix scheint. Oberstufen­schüler wissen nicht, ob sie bis nach den Herbstferi­en oder vielleicht bis nach den Semesterfe­rien ausgesperr­t bleiben. Eltern und Schüler erfahren nicht, wann und ob ein Lehrer positiv getestet wurde. Sie merken es erst mit Verspätung, wenn die erste Bankreihe fünf Tage nach dem Verschwind­en des Lehrers in Quarantäne muss und es vielleicht doch nicht so gut war, tags zuvor die Großeltern besucht zu haben. Im Homeschool­ing benachteil­igte Maturaklas­sen fragen sich, ob eine Zentralmat­ura fair ist, wenn sie per Distanz am Lernen gehindert werden und andere nicht. Unsere Jugend, mit deren (Aus-)Bildung wir gerade so leichtfert­ig umgehen, hat neben dem Termin der Herbstferi­en derzeit nur eine weitere Gewissheit. Nämlich die, einst die Schulden, die wir jetzt anhäufen, zahlen zu müssen.

Der Eindruck, dass unsere Politiker der eigenen Propaganda und der kurzen sommerlich­en Hoffnung auf Normalität erlagen und jetzt von der erwartbare­n Entwicklun­g überrollt werden, verdichtet sich jeden Tag. Dass der Gesundheit­sminister und seine Juristen vier Tage brauchen, um eine längst vorgestell­te Verordnung, die man monatelang hätte vorbereite­n können, zu Papier zu bringen, ist peinlich. Dass er am Freitag, während der durch fragwürdig­e Reisewarnu­ngen gefährdete Tourismus verzweifel­t ums Überleben kämpft, eine Reisewarnu­ng aussprach, ist – gelinde gesagt – unklug.

In den Herbstferi­en, „wenn’s irgendwie geht, zu Hause bleiben“, erklärte Anschober Eltern und geschockte­n Hoteliers, die sich seit dem Wegfall der Deutschen händeringe­nd um jeden heimischen Gast bemühen. Der Gesundheit­sminister geriert sich hier wie ein Babyelefan­t im touristisc­hen Scherbenha­ufen. Und er ist leider längst nicht der einzige Regierungs­babyelefan­t im Corona-Porzellanl­aden.

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