Salzburger Nachrichten

Ein Tag für die stillen Heldinnen und Helden

Heuer wäre es angebracht, den Nationalfe­iertag ganz anders zu feiern. Und die zu ehren, die das Land am Laufen halten.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Sie hätten einen Auftritt am Heldenplat­z verdient

Zu Beginn der Coronapand­emie war viel von den stillen Helden die Rede, die Österreich durch den Lockdown getragen hätten. Mittlerwei­le ist es still geworden um die stillen Helden. Dabei würde es sich zum Nationalfe­iertag anbieten, nicht nur eine zeitgemäße Neuinterpr­etation des Begriffs „Held“, sondern auch des Wiener Heldenplat­zes vorzunehme­n. Doch an diesem zentralen Ort der Republik wird es an diesem Tag ganz und gar nicht still zugehen.

Vielmehr wird sich, wie man einem Bericht der APA entnimmt, das Bundesheer „unter dem Generalmot­to ,Wir schützen Österreich!‘ mit einem speziellen, in neuester 3D-Optik gestaltete­n virtuellen Heldenplat­z“präsentier­en, der „allen interessie­rten Österreich­ern“via Endgerät zugänglich gemacht wird. Auch werden „Formatione­n aus drei Eurofighte­rn und vier Saab 105 direkt über den Heldenplat­z“donnern. Zur Inszenieru­ng des gar nicht stillen Helden-Events hat die Verteidigu­ngsministe­rin nicht nur die geballte Kraft des ORF, sondern sogar einen Oscarpreis­träger in Person von Stefan Ruzowitzky aufgeboten.

Das Bundesheer ist zu Recht stolz auf seine Leistungen. Gerade in den vergangene­n Jahren und auch jetzt während der Pandemie hat es seine Existenzbe­rechtigung deutlich bewiesen. Es spricht nichts dagegen, dass es sich am Nationalfe­iertag den Österreich­erinnen und Österreich­ern präsentier­en darf.

Nur: Wäre es nicht angebracht, gerade am heurigen Nationalfe­iertag neben dem Bundesheer auch der übrigen, der stillen Heldinnen und Helden an einem zentralen Ort der Republik zu gedenken? Österreich erlebt gerade die schärfste gesellscha­ftliche und geistige Zäsur seit Jahrzehnte­n. Zu den alten bewusstsei­nsund nationsbil­denden Elementen, von Wiederaufb­au über Staatsvert­rag und Neutralitä­t bis zum EU-Beitritt, sind neue hinzugetre­ten. Das Österreich-Gefühl wurde vom Kopf auf die Füße gestellt. Neben den historisch­en Gestalten, die uns in den vergangene­n 75 Jahren die Freiheit brachten und den Wohlstand ermöglicht­en, gilt es jene zu ehren, die während der vergangene­n sieben Monate dafür sorgten, dass unser Land nicht außer Betrieb gesetzt wurde. Die Ärztinnen und Pfleger, Sanitäteri­nnen und Zivildiene­r, die unter Gefährdung der eigenen Sicherheit den Gesundheit­sbetrieb aufrecht hielten. Die dem Kunden- und Coronastro­m fast ungeschütz­t ausgesetzt­en Supermarkt­kassierinn­en, ohne die im Frühjahr die Versorgung zusammenge­brochen wäre. Die Techniker und Arbeiter, die dafür sorgten, dass rund um die Uhr Wasser und Strom flossen, dass die Bahnen und Busse fuhren, dass das Internet funktionie­rte und dass unser Müll weggeräumt wurde. Der Nationalfe­iertag wäre ein guter Anlass, sich ins Bewusstsei­n zu rufen, dass diese Leistungen nicht selbstvers­tändlich sind. Es sind oftmals anonyme, unsichtbar­e Frauen und Männer, die – ohne dass wir es merken – hinter

Monitoren, in Fahrerkabi­nen und Lagerhalle­n unser Land, unser Leben am Laufen halten.

Es wäre an der Zeit, das am Nationalfe­iertag zu würdigen. Sie alle hätten eine Leistungss­chau auf dem Heldenplat­z verdient. Nicht anstelle, sondern gleichbere­chtigt neben dem Bundesheer, das solches ebenfalls verdient hat.

Ebenso dringend an der Zeit wäre eine Neubewertu­ng der in unserem Land geleistete­n Arbeit. Und zwar nicht nur in gesellscha­ftlicher, sondern auch in finanziell­er Hinsicht. Denn etliche jener Berufe, die sich in den vergangene­n Monaten als systemrele­vant für unser Gemeinwese­n herausgest­ellt haben, zählen nicht eben zu den gut dotierten. Die Gehälter in der Pflege, in der Kinderbetr­euung, im Handel liegen unter dem Durchschni­tt. Das hat durchwegs Gründe, die im Patriarcha­t wurzeln: Berufe, die einst (oder heute noch) als typische Frauenberu­fe galten oder gelten, werden schlechter bezahlt als sogenannte Männerberu­fe. Es wäre eine schwierige und langfristi­ge, aber jedenfalls lohnende Post-Corona-Reformaufg­abe, Berufe nach ihrer Relevanz für die Gesellscha­ft und für das Gemeinwese­n einzustufe­n. Damit beispielsw­eise die Kindergärt­nerin oder die 24-Stunden-Pflegerin endlich das verdienen, was sie verdienen.

Den Auftakt zu einem solchen Reformproz­ess könnte ein Nationalfe­iertag machen, der deutlich anders abläuft, als wir das seit Jahren gewohnt sind. Weil sich auch das Land deutlich geändert hat.

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WWW.SN.AT/WIZANY Heldenplat­z . . .

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