Ein Tag für die stillen Heldinnen und Helden
Heuer wäre es angebracht, den Nationalfeiertag ganz anders zu feiern. Und die zu ehren, die das Land am Laufen halten.
Sie hätten einen Auftritt am Heldenplatz verdient
Zu Beginn der Coronapandemie war viel von den stillen Helden die Rede, die Österreich durch den Lockdown getragen hätten. Mittlerweile ist es still geworden um die stillen Helden. Dabei würde es sich zum Nationalfeiertag anbieten, nicht nur eine zeitgemäße Neuinterpretation des Begriffs „Held“, sondern auch des Wiener Heldenplatzes vorzunehmen. Doch an diesem zentralen Ort der Republik wird es an diesem Tag ganz und gar nicht still zugehen.
Vielmehr wird sich, wie man einem Bericht der APA entnimmt, das Bundesheer „unter dem Generalmotto ,Wir schützen Österreich!‘ mit einem speziellen, in neuester 3D-Optik gestalteten virtuellen Heldenplatz“präsentieren, der „allen interessierten Österreichern“via Endgerät zugänglich gemacht wird. Auch werden „Formationen aus drei Eurofightern und vier Saab 105 direkt über den Heldenplatz“donnern. Zur Inszenierung des gar nicht stillen Helden-Events hat die Verteidigungsministerin nicht nur die geballte Kraft des ORF, sondern sogar einen Oscarpreisträger in Person von Stefan Ruzowitzky aufgeboten.
Das Bundesheer ist zu Recht stolz auf seine Leistungen. Gerade in den vergangenen Jahren und auch jetzt während der Pandemie hat es seine Existenzberechtigung deutlich bewiesen. Es spricht nichts dagegen, dass es sich am Nationalfeiertag den Österreicherinnen und Österreichern präsentieren darf.
Nur: Wäre es nicht angebracht, gerade am heurigen Nationalfeiertag neben dem Bundesheer auch der übrigen, der stillen Heldinnen und Helden an einem zentralen Ort der Republik zu gedenken? Österreich erlebt gerade die schärfste gesellschaftliche und geistige Zäsur seit Jahrzehnten. Zu den alten bewusstseinsund nationsbildenden Elementen, von Wiederaufbau über Staatsvertrag und Neutralität bis zum EU-Beitritt, sind neue hinzugetreten. Das Österreich-Gefühl wurde vom Kopf auf die Füße gestellt. Neben den historischen Gestalten, die uns in den vergangenen 75 Jahren die Freiheit brachten und den Wohlstand ermöglichten, gilt es jene zu ehren, die während der vergangenen sieben Monate dafür sorgten, dass unser Land nicht außer Betrieb gesetzt wurde. Die Ärztinnen und Pfleger, Sanitäterinnen und Zivildiener, die unter Gefährdung der eigenen Sicherheit den Gesundheitsbetrieb aufrecht hielten. Die dem Kunden- und Coronastrom fast ungeschützt ausgesetzten Supermarktkassierinnen, ohne die im Frühjahr die Versorgung zusammengebrochen wäre. Die Techniker und Arbeiter, die dafür sorgten, dass rund um die Uhr Wasser und Strom flossen, dass die Bahnen und Busse fuhren, dass das Internet funktionierte und dass unser Müll weggeräumt wurde. Der Nationalfeiertag wäre ein guter Anlass, sich ins Bewusstsein zu rufen, dass diese Leistungen nicht selbstverständlich sind. Es sind oftmals anonyme, unsichtbare Frauen und Männer, die – ohne dass wir es merken – hinter
Monitoren, in Fahrerkabinen und Lagerhallen unser Land, unser Leben am Laufen halten.
Es wäre an der Zeit, das am Nationalfeiertag zu würdigen. Sie alle hätten eine Leistungsschau auf dem Heldenplatz verdient. Nicht anstelle, sondern gleichberechtigt neben dem Bundesheer, das solches ebenfalls verdient hat.
Ebenso dringend an der Zeit wäre eine Neubewertung der in unserem Land geleisteten Arbeit. Und zwar nicht nur in gesellschaftlicher, sondern auch in finanzieller Hinsicht. Denn etliche jener Berufe, die sich in den vergangenen Monaten als systemrelevant für unser Gemeinwesen herausgestellt haben, zählen nicht eben zu den gut dotierten. Die Gehälter in der Pflege, in der Kinderbetreuung, im Handel liegen unter dem Durchschnitt. Das hat durchwegs Gründe, die im Patriarchat wurzeln: Berufe, die einst (oder heute noch) als typische Frauenberufe galten oder gelten, werden schlechter bezahlt als sogenannte Männerberufe. Es wäre eine schwierige und langfristige, aber jedenfalls lohnende Post-Corona-Reformaufgabe, Berufe nach ihrer Relevanz für die Gesellschaft und für das Gemeinwesen einzustufen. Damit beispielsweise die Kindergärtnerin oder die 24-Stunden-Pflegerin endlich das verdienen, was sie verdienen.
Den Auftakt zu einem solchen Reformprozess könnte ein Nationalfeiertag machen, der deutlich anders abläuft, als wir das seit Jahren gewohnt sind. Weil sich auch das Land deutlich geändert hat.