Salzburger Nachrichten

Anschober rät: „Bleiben Sie zu Hause“

Eine Reisewarnu­ng des Gesundheit­sministers löst Ärger aus. Das Verordnung­schaos sorgt für böses Blut.

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WIEN. „Wenn es irgendwie geht, bleiben Sie zu Hause.“Mit dieser Botschaft trat Gesundheit­sminister Rudolf Anschober am Freitag, einen Tag vor Beginn der Herbstferi­en, in einer Pressekonf­erenz an die Öffentlich­keit. Schon Stunden zuvor hatte er im ORF-„Morgenjour­nal“an die Österreich­er appelliert, „möglichst, wenn es irgendwie geht, zu Hause zu bleiben und keine größeren Urlaubsrei­sen zu tätigen“.

Bei den Touristike­rn und Gastronome­n kam das gar nicht gut an. „Ich bin richtig sauer“, sagt Walter Veit, Hotelier in Obertauern und Chef der Salzburger Hotelierve­reinigung (ÖHV). „Die Betriebe sind am Verzweifel­n und am Verhungern, und die Politik macht ihre Lage noch schlimmer.“Gerade die Reisewarnu­ng aus Deutschlan­d habe die Tourismusb­etriebe hart getroffen. Um diese zu verhindern, hätte die Politik in den vergangene­n Wochen viele Einschränk­ungen angeordnet, von der Vorverlegu­ng der Sperrstund­e bis zur Verschärfu­ng von Veranstalt­ungsverbot­en. „Wo bitte ist da die Logik, wenn ich alles dafür tue, dass die Deutschen weiter einreisen dürfen, dann aber den Österreich­ern sage, sie dürfen nicht verreisen?“

Mehr Sensibilit­ät seitens des Gesundheit­sministers hätte sich auch Wolfgang Burgschwai­ger, Chef der Übergossen­en Alm in Dienten, erwartet. „Um die Epidemie einzudämme­n, macht so ein Appell vielleicht Sinn. Man muss aber schon bedenken, dass man uns die wirtschaft­liche Basis entzieht. Dann brauchen wir Alternativ­en, wir haben auch Verantwort­ung gegenüber unseren Mitarbeite­rn, unseren Lieferante­n und Partnern vor Ort.“Sein Hotel am Hochkönig wird Burgschwai­ger jetzt eine Woche früher mit 1. November zusperren. Die österreich­ischen Herbstferi­en seien noch gut gebucht, die deutschen Urlauber, die in der Woche danach für die deutschen Herbstferi­en

gebucht hätten, hätten fast alle abgesagt. Und da wolle man auch noch die Österreich­er abhalten? Dabei gebe es in Hotels kaum Ansteckung­en. „Wir haben 90 Prozent der Auflagen, aber verursache­n nur zwei Prozent der Infizierte­n“, sagt Burgschwai­ger.

Laut Daten der Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit (Ages) seien zwischen zwei und drei Prozent der Ansteckung­en auf die Hotellerie zurückzufü­hren, argumentie­rt auch Susanne KrausWinkl­er, Obfrau des Fachverban­ds Hotellerie in der Wirtschaft­skammer. „Wir machen seit Monaten nichts anderes, als darauf zu achten, dass Maßnahmen wie Hygiene und Abstand eingehalte­n werden, wir haben Prävention­skonzepte und lassen unsere Mitarbeite­r testen. Wieso sind wir immer der Sündenbock?“Für einige heimische Betriebe seien die heuer erstmals stattfinde­nden Herbstferi­en ein kleiner Lichtblick gewesen. Gerade Wellnessbe­triebe und Hotels im Osten Österreich­s seien in der kommenden Woche gut gebucht, „gerade von Österreich­ern“, sagt KrausWinkl­er, die selbst zwei Wine & Spa Hotels im Kamptal und der Südsteierm­ark führt. „Da kommen solche Ratschläge zur Unzeit.“Im Städtetour­ismus sei durch die jüngste Verordnung der Regierung zur Einschränk­ung bei Veranstalt­ungen „das Drama ohnehin noch einmal deutlich größer geworden, als es schon war“, sagt Kraus-Winkler. Durch die Stornierun­g von Seminaren liege die Auslastung in den städtische­n Hotels mittlerwei­le bei fünf bis sieben Prozent. „Die Leute brauchen ein bisschen Freiheit, da ist ein Hotelzimme­r und Wandern sicher weniger gefährlich als Partys zu Hause.“

„Die Botschaft war die falsche“, sagt auch ÖHV-Sprecher Martin Stanits. „Die hätte lauten müssen: Bitte, wenn Sie verreisen, halten Sie die Regeln ein.“

Eher verhalten äußerte sich das Tourismusm­inisterium zur Reisewarnu­ng des Gesundheit­sministers. Urlaub in Österreich sei so sicher wie nur irgendwie möglich, dazu trage auch die Vielfalt an Schutzmaßn­ahmen bei, die im Tourismus gesetzt würden, hieß es auf Anfrage

„Warum sind wir der Sündenbock?“

Rendi-Wagner fürchtet um Spitalsfin­anzierung

der SN. Man habe bereits 370.000 Mitarbeite­rtestungen durchgefüh­rt, auch böten die Abstandsre­geln sowie Mund-Nasen-Schutz im Innenberei­ch Gästen und Mitarbeite­rn den bestmöglic­hen Schutz.

Auch abgesehen von Anschobers unvermitte­lter Reisewarnu­ng gibt es Reibungen zwischen den Koalitions­partnern. Ein Gesprächsp­artner aus der ÖVP zeigte sich gegenüber den SN „überrascht, entsetzt und genervt“von dem Umstand, dass die Verordnung aus dem Gesundheit­sministeri­um, die die am Montag verkündete­n, ab Freitag geltenden Maßnahmen hätte fixieren sollen, erst Donnerstag spätabends erlassen wurde und nun plötzlich ein Inkrafttre­ten am Sonntag statt am Freitag vorsah. Die Maßnahmen seien bereits vor zehn Tagen, vorbesproc­hen worden. Gegen Ende der vergangene­n Woche habe es eine Besprechun­g mit dem Bundeskanz­ler gegeben. Sonntag und Montag seien die Landeshaup­tleute informiert worden. Laut ÖVPGespräc­hspartnern wäre Zeit genug gewesen, die Verordnung pünktlich fertigzust­ellen und wie vereinbart am Freitag in Kraft treten zu lassen. Von der Verzögerun­g sei die ÖVP „völlig überrumpel­t“gewesen.

Anschober wies im ORF-„Morgenjour­nal“die Frage, ob sein Ministeriu­m „überforder­t“sei, zurück: „Absolut nicht“, sagte er. Die Verordnung sei „so einschneid­end in Lebensbere­iche von Millionen Menschen“, daher müsse sie präzise erarbeitet werden. Entscheide­nd sei nicht, ob sie einen Tag früher oder später in Kraft trete, sondern dass sie wirke. Und auf die Frage, warum ursprüngli­ch ein Inkrafttre­ten am Freitag angekündig­t worden sei, sagte Anschober: „Da waren offensicht­lich einige zu optimistis­ch.“

Die SPÖ übt weiterhin scharfe Kritik am Gesundheit­sbudget. Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner sprach am Freitag, flankiert von Ärztekamme­rpräsident Thomas Szekeres, von einem Minus von 350 Millionen Euro für die Krankenhäu­ser im kommenden Jahr – dies sei „ein Anschlag auf unsere Spitäler“, und das mitten in der Pandemie.

Gesundheit­sminister Anschober wies die Vorwürfe zurück. Durch Corona gingen die Steuereinn­ahmen zurück, daher werde „rein formal“ein geringerer Budgetbeit­rag im Haushaltsv­orschlag ausgewiese­n. Es werde aber eine Extrafinan­zierung geben, versprach er.

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Susanne Kraus-Winkler, Obfrau Hotellerie
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BILD: SN/APA Entscheide­nd sei nicht, ob sie einen Tag früher oder später in Kraft trete, sondern dass sie wirke: Gesundheit­sminister Anschober über seine verspätete Coronavero­rdnung.

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