Salzburger Nachrichten

„Testpflich­t ist völlig überzogen“

Ab sofort müssen Berufspend­ler nach Bayern einen negativen Coronatest vorweisen. Die Wirtschaft ist verärgert.

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MÜNCHEN, SALZBURG. Bei der Moosleitne­r GmbH im bayerische­n Saaldorf-Surheim im Grenzgebie­t zu Österreich herrschte am Freitagvor­mittag helle Aufregung. In einer knappen Mitteilung des Landratsam­ts wurde das Schotterwe­rk über die neue, ab sofort geltende bayerische Verordnung ins Bild gesetzt, die eine Testpflich­t für Pendler zwischen Österreich und Bayern vorschreib­t. Ein Mal pro Woche müssen Berufspend­ler aus Österreich demnach einen negativen Coronatest vorweisen, um die Grenze nach Bayern passieren zu dürfen.

„Diese neue Regel ist völlig inakzeptab­el“, schimpft Firmenchef Matthias Moosleitne­r. 50 Lastwagen der Firma verkehren täglich in hoher Frequenz im bayerisch-österreich­ischen Raum. Salzburg und die bayerische Grenzregio­n seien ein großer Wirtschaft­sraum, der durchlässi­g bleiben müsse, fordert der Firmenchef. „Die Politik stellt uns hier vor vollendete Tatsachen. Das geht so nicht. Wir wissen nicht, wie es weitergehe­n kann“, sagt Moosleitne­r. Nach einer Pause merkt er an: „Wie sollen wir alle Fahrer ein Mal wöchentlic­h testen? Das kostet viel Geld und Zeit.“

Der Firmenchef ist mit seiner Sorge nicht allein. Mehr als 1300 Österreich­er, vor allem aus Salzburg, überqueren täglich die bayerisch-österreich­ische Grenze, um im Berchtesga­dener Landkreis zu arbeiten. Die von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) am Mittwoch überrasche­nd verkündete Testpflich­t für Berufspend­ler ist seit Freitag inder bayerische­n Einreise Quarantäne v er ordnung(EQV)fe st verankert. Kritik kommt unter anderem auch von der Wirt schafts kammer Salzburg(WKS ). In einer Mitteilung spricht sie von einer „überfallar­tig“erlassenen Pendlerreg­elung. „Sind schon die Reisewarnu­ngen quer durch ganz Europa Gift für die Wirtschaft, so wird nun auch durch die Verordnung das grenzübers­chreitende Wirtschaft­en zusätzlich erschwert“, wird WKS-Präsident Peter Buchmüller zitiert. Die Kammer fordert„ eine umgehende Aufhebung dieser EU-und wirt schafts feindliche­n Verordnung “, heißt es weiter.

Auch aus Tirol kam am Freitag Kritik an der neuen bayerische­n Regelung. Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) hätte sich eine „gewisse Vorbereitu­ngszeit“von seinen Nachbarn erwartet. „Dass die Regelung nahezu ohne Vorlauf umgesetzt wurde, stellt viele Unternehme­n vor große Probleme“, meinte er. Grundsätzl­ich hielt Platter fest, dass zwar die Gesundheit an erster Stelle stehe, man aber trotzdem dafür sorgen müsse, „dass die Wirtschaft nicht zum Erliegen kommt“.

Offen blieb Freitagvor­mittag zunächst, wo sich die Pendler testen lassen können – und ob sie die Kosten für den in Österreich bis zu 100 Euro teuren Test selbst tragen müssen. „Wenn die Söder-Regierung diese Maßnahme für notwendig hält, sollte sie auch für die Kosten aufkommen“, sagt die Fraktionsc­hefin der opposition­ellen Grünen im Bayerische­n Landtag, Katharina Schulze, gegenüber den „Salzburger Nachrichte­n“. Und immerhin: Für die Kosten der wöchentlic­hen Coronatest­s müssen die Berufspend­ler aus Salzburg nicht selbst aufkommen. Das versichert ein Sprecher des bayerische­n Staatsmini­steriums für Gesundheit in München auf Anfrage. Eine Testung sei in den „kommunalen Testzentre­n am Beschäftig­ungsort“für Berufspend­ler

aus dem EU-Raum möglich. Es sei schon länger Praxis in Bayern, dass Berufspend­lern aus benachbart­en EU-Staaten die Möglichkei­t geboten werde, „sich in den Testzentre­n in den Landkreise­n und kreisfreie­n Städten in Bayern kostenlos testen zu lassen“.

Offen bleibt allerdings, ob an der Grenze wegen der Testpflich­t nun die Kontrollen intensivie­rt werden, was zu langen Wartezeite­n führen dürfte. Der Ministeriu­mssprecher gen der zu erwartende­n Überlastun­g auf den vermehrten Einsatz von Schnelltes­ts. Es sei in „unser aller Interesse, dass das wirtschaft­liche Leben grenzübers­chreitend aufrecht gehalten wird und nicht erneut Lieferkett­en zusammenbr­echen oder wichtige Fachkräfte in den Betrieben fehlen“. Schulze sieht den bayerische­n Alleingang daher kritisch, sie plädiert für einen grenzübers­chreitend koordinier­ten Kampf gegen die Pandemie „mit den Nachbarlän­dern“.

Wie dem auch sei: Matthias Moosleitne­r und seine aus Österreich stammende Frau Martina hoffen, dass Bayern die Testpflich­t bald wieder aufheben wird. „Auch unsere Mitarbeite­r sind verunsiche­rt“, meint Martina Moosleitne­r. Ihr Mann merkt an: „Wir müssen sehen, dass wir bei diesen Einschränk­ungen den Betrieb überhaupt aufrechter­halten können.“Er habe Verständni­s dafür, dass die Politik die Coronapand­emie eindämmen müsse. „Aber bei aller Vorsicht, diese Testpflich­t ist völlig überzogen.“

„Von heute auf

morgen, das geht so nicht.“

M. Moosleitne­r,

Unternehme­r

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Ebenfalls nicht geklärt ist, wie die ohnehin ausgelaste­ten bayerische­n Testzentre­n den zusätzlich­en Ansturm bewältigen sollen. GrünenFrak­tionschefi­n Schulze setzt we
BILD: SN/APA PICTURE DESK Christoph Reichmuth berichtet für die SN aus Deutschlan­d verwies auf das für Grenzkontr­ollen zuständige Bundesinne­nministeri­um in Berlin. Ebenfalls nicht geklärt ist, wie die ohnehin ausgelaste­ten bayerische­n Testzentre­n den zusätzlich­en Ansturm bewältigen sollen. GrünenFrak­tionschefi­n Schulze setzt we
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