Ein Gescheiterter kehrt zurück
Vor einem Jahr ist Saad Hariri im Libanon zum Rücktritt gezwungen worden. Jetzt soll er wieder eine Regierung bilden. Für die verheerende Wirtschaftskrise im Land ist der Milliardär mitverantwortlich.
Mit Fassungslosigkeit und ungläubigem Staunen haben Angehörige der libanesischen Protestbewegung auf die erneute Ernennung von Saad Hariri zum Regierungschef des krisengeschüttelten Libanon reagiert. Zu Zehntausenden waren sie über Monate auf die Straßen gegangen, bis am 29. Oktober letzten Jahres Hariri seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten erklärt hatte.
„Kullun iani kullun“– zu Deutsch: Alle heißt alle –, hatten die Volksmassen immer wieder skandiert und damit ihre Forderung nach einem kompletten Neuanfang ohne Repräsentanten des korrupten politischen Establishments zum Ausdruck gebracht, zu dem auch Hariri gehört. Unter seiner Amtsführung war der gesamte Bankensektor zusammengebrochen. Die Landeswährung verlor mehr als 80 Prozent ihres Werts, was dazu führte, dass ein großer Teil der Bevölkerung die Ersparnisse verlor sowie vielfach auch den Arbeitsplatz.
Hariri ignorierte nicht nur den Kollaps des Finanzsystems. Über die Beiruter „Hausbank“Bankmed, an der der Milliardär 42 Prozent der Anteile hält, beteiligte er sich an umfangreichen Währungsspekulationen zu seinen Gunsten, welche von den meisten Experten als kriminell eingestuft werden. Hariri konnte es sich sogar leisten, einer
Geliebten in Südafrika 16 Millionen Dollar zu überweisen. Die von der „New York Times“verbreitete Nachricht von dem Transfer hatte die Wut der libanesischen Protestbewegung weiter angefacht.
„Politische Posten kommen und gehen. Aber die Würde des Landes ist jetzt wichtiger“, hatte Hariri bei seinem Rücktritt vor einem Jahr gesagt. Seit diesem Donnerstag ist der sunnitische Politiker wieder in Amt und Würden. Hariri versprach, den „wirtschaftlichen Verfall“, für den er maßgeblich verantwortlich war und ist, aufzuhalten sowie die Schäden der verheerenden Explosionskatastrophe im Beiruter Hafen, die von seiner Regierung hätte verhindert werden können, zu reparieren.
Am 4. August waren dort 2750 Tonnen Ammoniumnitrat detoniert. Die Explosion hatte über 200 Menschen in den Tod gerissen und fast 7000 verletzt. 30.000 Menschen verloren ihre Wohnung. Hariris Amtsnachfolger Hassan Diab war nach der Katastrophe zurückgetreten und auch dessen designierter Nachfolger Mustafa Adib schaffte es nicht, die von ihm gewollte Expertenregierung zu bilden.
Seit Mittwoch ist die libanesische Protestbewegung wieder auf den Straßen und fordert weiter einen kompletten Neuanfang. Dass Hariri dies ablehnt, zeigt seine Bereitschaft, weiter mit dem politischen Establishment zusammenzuarbeiten, also mit Personen, die für den Niedergang des Libanon stehen.
Mit ihnen soll Hariri die von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron geforderten Reformen umsetzen, die das Fundament für einen politischen Neuanfang bilden. Ob dies gelingt, hängt nicht nur von seinen schiitischen Rivalen von der Hisbollah und Amal-Partei ab. Auch der Iran und Saudi-Arabien, der traditionelle Verbündete des Sunniten Hariri, pochen auf Mitspracherecht.