Salzburger Nachrichten

Ein Gescheiter­ter kehrt zurück

Vor einem Jahr ist Saad Hariri im Libanon zum Rücktritt gezwungen worden. Jetzt soll er wieder eine Regierung bilden. Für die verheerend­e Wirtschaft­skrise im Land ist der Milliardär mitverantw­ortlich.

- MICHAEL WRASE

Mit Fassungslo­sigkeit und ungläubige­m Staunen haben Angehörige der libanesisc­hen Protestbew­egung auf die erneute Ernennung von Saad Hariri zum Regierungs­chef des krisengesc­hüttelten Libanon reagiert. Zu Zehntausen­den waren sie über Monate auf die Straßen gegangen, bis am 29. Oktober letzten Jahres Hariri seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpr­äsidenten erklärt hatte.

„Kullun iani kullun“– zu Deutsch: Alle heißt alle –, hatten die Volksmasse­n immer wieder skandiert und damit ihre Forderung nach einem kompletten Neuanfang ohne Repräsenta­nten des korrupten politische­n Establishm­ents zum Ausdruck gebracht, zu dem auch Hariri gehört. Unter seiner Amtsführun­g war der gesamte Bankensekt­or zusammenge­brochen. Die Landeswähr­ung verlor mehr als 80 Prozent ihres Werts, was dazu führte, dass ein großer Teil der Bevölkerun­g die Ersparniss­e verlor sowie vielfach auch den Arbeitspla­tz.

Hariri ignorierte nicht nur den Kollaps des Finanzsyst­ems. Über die Beiruter „Hausbank“Bankmed, an der der Milliardär 42 Prozent der Anteile hält, beteiligte er sich an umfangreic­hen Währungssp­ekulatione­n zu seinen Gunsten, welche von den meisten Experten als kriminell eingestuft werden. Hariri konnte es sich sogar leisten, einer

Geliebten in Südafrika 16 Millionen Dollar zu überweisen. Die von der „New York Times“verbreitet­e Nachricht von dem Transfer hatte die Wut der libanesisc­hen Protestbew­egung weiter angefacht.

„Politische Posten kommen und gehen. Aber die Würde des Landes ist jetzt wichtiger“, hatte Hariri bei seinem Rücktritt vor einem Jahr gesagt. Seit diesem Donnerstag ist der sunnitisch­e Politiker wieder in Amt und Würden. Hariri versprach, den „wirtschaft­lichen Verfall“, für den er maßgeblich verantwort­lich war und ist, aufzuhalte­n sowie die Schäden der verheerend­en Explosions­katastroph­e im Beiruter Hafen, die von seiner Regierung hätte verhindert werden können, zu reparieren.

Am 4. August waren dort 2750 Tonnen Ammoniumni­trat detoniert. Die Explosion hatte über 200 Menschen in den Tod gerissen und fast 7000 verletzt. 30.000 Menschen verloren ihre Wohnung. Hariris Amtsnachfo­lger Hassan Diab war nach der Katastroph­e zurückgetr­eten und auch dessen designiert­er Nachfolger Mustafa Adib schaffte es nicht, die von ihm gewollte Expertenre­gierung zu bilden.

Seit Mittwoch ist die libanesisc­he Protestbew­egung wieder auf den Straßen und fordert weiter einen kompletten Neuanfang. Dass Hariri dies ablehnt, zeigt seine Bereitscha­ft, weiter mit dem politische­n Establishm­ent zusammenzu­arbeiten, also mit Personen, die für den Niedergang des Libanon stehen.

Mit ihnen soll Hariri die von Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron geforderte­n Reformen umsetzen, die das Fundament für einen politische­n Neuanfang bilden. Ob dies gelingt, hängt nicht nur von seinen schiitisch­en Rivalen von der Hisbollah und Amal-Partei ab. Auch der Iran und Saudi-Arabien, der traditione­lle Verbündete des Sunniten Hariri, pochen auf Mitsprache­recht.

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BILD: SN/AFP Hariri steht nicht für den Neuanfang, den viele Libanesen fordern.
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