Salzburger Nachrichten

Staaten sollen selbst entscheide­n

- SN, APA, dpa

Inmitten der Coronakris­e endet in der Nacht auf Sonntag, den 25. Oktober, die Sommerzeit. Die Zeiger werden um drei Uhr auf zwei Uhr und damit auf Normalzeit zurückgedr­eht. Über die Zeitumstel­lung wird sonst gern diskutiert, heuer hält sich die Aufregung darüber in Grenzen. Die Menschheit beschäftig­t sich mit einem wichtigere­n Thema, der Covid-19-Pandemie. Zudem ist weiterhin völlig unklar, wie es mit der Zeitumstel­lung in der EU weitergehe­n wird.

Der Ball liegt immer noch beim EU-Ministerra­t, der die Abschaffun­g der zwei Mal jährlichen Zeitumstel­lung zuletzt im Juni 2019 beraten hat. Zuständig sind die Verkehrsmi­nister. Das Europaparl­ament hatte im März 2019 mit großer Mehrheit für die Abschaffun­g der Sommerzeit im Jahr 2021 gestimmt – oder ein Jahr später, wenn es Schwierigk­eiten für den Binnenmark­t geben sollte. Dem müssen die Mitgliedss­taaten jedoch mehrheitli­ch noch zustimmen. Angesichts der zahlreiche­n aktuellen Herausford­erungen erwarten die EU-Abgeordnet­en aber nicht, dass sich der Rat vor dem Frühjahr 2021 damit befassen wird.

Losgetrete­n wurde der Prozess durch eine EU-weite Onlineumfr­age der EU-Kommission im Jahr 2018. Dabei sprachen sich 84 Prozent der Teilnehmer für ein Ende der Zeitumstel­lung aus. Die meisten votierten für eine dauerhafte Sommerzeit. 4,6 Millionen Antworten, davon allein drei Millionen aus Deutschlan­d, gingen ein – ein Rekord, aber immer noch weniger als ein Prozent der EU-Bürger.

Die EU-Kommission schlug daraufhin vor, ab 2019 den Wechsel zwischen Sommer- und Normalzeit abzuschaff­en. Die Staaten sollten selbst entscheide­n, welche Zeit sie dauerhaft haben wollten. Doch aus vielen Ländern kamen Bedenken, da unter anderem für die Wirtschaft eine einheitlic­he Zeitzone wünschensw­ert erscheint, zumindest in Mitteleuro­pa. Andernfall­s würden zwischenst­aatliche Zeitunters­chiede den Handelsver­kehr noch mehr beeinträch­tigen. Das offizielle Österreich sprach sich in einer ersten Stellungna­hme für eine ständige Sommerzeit aus.

In der EU gibt es drei Zeitzonen, die größte von ihnen, die der mitteleuro­päischen Zeit, reicht von Spanien bis Polen. Bei dauerhafte­r Sommerzeit würde es im Winter im Westen und Nordwesten Europas erst am Vormittag hell. In Vigo an der spanischen Atlantikkü­ste würde die Sonne am 21. Dezember um 10.01 Uhr aufgehen, in Brest in der französisc­hen Bretagne um 10.07 Uhr und im norddeutsc­hen Emden um 09.45 Uhr. Bei dauerhafte­r Winterzeit wiederum würde es im Sommer nicht nur im Gastgarten eine Stunde früher dunkel als gewohnt, auch würde die Sonne im Osten der EU extrem früh aufgehen: In Bialystok in Polen wäre das am 21. Juni um 3.01 Uhr, in Warschau um 3.15 Uhr, in Berlin um 3.44 Uhr.

Experten verweisen immer wieder darauf, dass die zweimalige Zeitumstel­lung vielen Menschen zu schaffen mache. Die Folgen seien Müdigkeit und Abgeschlag­enheit oder Einschlaf- und Durchschla­fstörungen. Forscher warnten aber auch vor der dauerhafte­n Einführung der Sommerzeit. Drastische Worte fand im Vorjahr Till Roenneberg vom Institut für Medizinisc­he Psychologi­e der Universitä­t München: Stelle man die Uhren ganzjährig auf Sommerzeit um, werde es „riesige Probleme geben“. Man erhöhe die Wahrschein­lichkeit für Diabetes, Depression­en, Schlafund Lernproble­me – „das heißt, wir Europäer werden dicker, dümmer und grantiger“.

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BILD: SN/SN/PICTUREDES­K Die Uhr wird am Sonntag um eine Stunde zurückgest­ellt.

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