Mainstream-Medien? Mahlstrom Social Media!
Österreich fehlt eine Diskussion, wie sie in Deutschland tobt. Dort hat die „Süddeutsche“(SZ) einen bösen Text über Pianist Igor Levit veröffentlicht. Es folgte ein via Twitter orchestrierter Proteststurm – Antisemitismus-Vorwurf inklusive. Das führte zur Entschuldigung der SZ. Nun hagelt es im Blätterwald den Vorwurf vom Bärendienst an der Meinungsfreiheit.
Die Gegner in diesem Konflikt vertreten journalistische Institutionen, die von Populisten als Mainstream-Medien gebrandmarkt und von Extremisten als Lügenpresse verleumdet werden. Wie irreal solche Behauptungen sind, zeigt beispielhaft der transparent und leidenschaftlich ausgefochtene Streit angeblich gleichgeschalteter Redaktionen. Diese Wehrhaftigkeit braucht es auch nach außen. Ohne im Fall Levit werten zu wollen, wirkt eine Kritik an der SZ schlüssig: Das Einknicken nur wegen Aufwallung via Social Media wäre Selbstaufgabe von Journalismus. Was unter ihn fällt, bleibt dennoch zu klären, und eine Entschuldigung im Versagensfall wichtig.
Wie sehr es redaktioneller Kampfbereitschaft bedarf und diese mit Selbstverteidigung von Demokratie verbunden ist, zeigen weitere Vorgänge: In den USA war die Diffamierung unliebsamer
Nachrichten zu Fake News ein polarisierendes Erfolgsrezept für Donald Trump. Seit seiner Wahl erreicht das Medienvertrauen der Demokraten mit drei Vierteln historische Höchstwerte. Doch nur noch jeder zehnte Republikaner empfindet Zeitungen, Radio und TV als glaubwürdig. Das Gift wirkt. Die Genesung wird schwierig.
Der französische Lehrer Samuel Paty hat an die Kraft von Bildung als Heilmittel der Demokratie geglaubt. Doch seine Diskussion von Mohammed-Karikaturen kostete ihn den Kopf. Auch diese Enthauptung der Meinungsfreiheit wird in Österreich zu wenig diskutiert. Wie bei Levit und dem AntisemitismusVorwurf ist bei Paty die Scheu vor der Antiislamismus-Unterstellung groß. Nicht wegen der freien Medien-Wildbahn, sondern angesichts des Dschungels von Social Media.
Dagegenhalten, auch wenn die Menge der anderen erdrückend wirkt, ist eine Qualität von Journalismus. Das hat nichts mit links oder rechts, Regierung oder Opposition zu tun. Es geht ums vollständige Bild. Fehlende Puzzlestücke sind oft nicht massentauglich. Wer ihnen nach verantwortungsvoller Prüfung dennoch Raum gibt, ist das Gegenteil von Mainstream.
Den andere Meinung rücksichtslos niederwalzenden Mahlstrom gibt es nur auf Social Media.