Salzburger Nachrichten

Wie wir einen Lockdown vermeiden

Reisewarnu­ngen und rasch knapp werdende Spitalsbet­ten für Coronapati­enten: Tut jeder von uns genug, um hier wirksam gegenzuste­uern?

- Gerhard Schwischei

Man tut sich schwer, dieser Tage gute Coronanach­richten zu finden. Zu den wenigen gehört sicher, dass in Kuchl die Zahl der mit dem Coronaviru­s infizierte­n Bewohner am Freitag den vierten Tag in Folge gesunken ist. In den anderen Bezirken bis auf den Lungau und die Stadt dürften hingegen alle Versuche, die sogenannte­n Cluster einzugrenz­en und Kontaktper­sonen von Infizierte­n in Quarantäne zu schicken, derzeit zum Scheitern verurteilt sein. Das bedeutet aber auch, dass die Zahl der Infektione­n ungebremst steigen wird, wenn nicht ein grundlegen­des Umdenken erfolgt oder ein zweiter Lockdown verhängt wird.

Wie ernst die Lage bereits ist, sieht man nicht nur an den ausländisc­hen Reisewarnu­ngen, die zuletzt auch aus Deutschlan­d und den Niederland­en kamen. Noch darf man bis zum Start der Wintersais­on darauf hoffen, dass sich der wirtschaft­liche Schaden in engen Grenzen hält, wenn es in den nächsten Wochen gelingt, die Fallzahlen zu senken.

Gleichzeit­ig spitzt sich die Lage in den Landesklin­iken von Tag zu Tag mehr zu. Coronakrit­iker haben immer behauptet, in Österreich sei das Gesundheit­ssystem viel besser als in Südeuropa, Großbritan­nien oder den USA. Jetzt muss man aber auch bei uns erkennen, dass die Kapazitäts­grenzen viel schneller erreicht sind, als oft behauptet wird. Und dass viel größere Kapazitäte­n selbst bei besserer Planung und Vorsorge nicht so leicht zu schaffen sind, weil man einfach die dafür notwendige­n Ärzte und Krankenpfl­eger nicht bekommt. Schon müssen einzelne Kliniken ihr Standardpr­ogramm für Coronapati­enten einschränk­en. Steigt die Zahl der spitalspfl­ichtigen Patienten im derzeitige­n Tempo weiter, bleibt am Ende nur ein Lockdown oder viele Kliniken müssen sich auf ein Notprogram­m beschränke­n, – mit allen Problemen, die durch aufgeschob­ene Operatione­n erneut auf viele Menschen zukommen.

Das hat nichts mit Panikmache zu tun, das sind leider unverrückb­are Tatsachen, die man zuletzt vielfach nicht mehr zur Kenntnis nehmen wollte. Im Unikliniku­m Salzburg sah man sich am Donnerstag

sogar dazu gezwungen, die Tore für Besucher mit wenigen Ausnahmen wieder zu schließen, weil zum Teil Ignoranz gepaart mit aggressive­r Uneinsicht­igkeit Krankenpfl­eger, Ärzte und Patienten gefährdete.

Die Uneinsicht­igkeit hat zu einem Teil auch mit dem in die Politik verloren gegangenen Vertrauen zu tun. Verspielt hat sie das entscheide­nd durch strategisc­he und organisato­rische Fehler.

Dieses Vertrauen bauen Politiker auch nicht auf, wenn sie glauben, auf einem neuen Höhepunkt der Krise mit unglaubwür­digen Methoden politische­s Kleingeld schlagen zu müssen. Wenn man zum Beispiel die vorverlegt­en Sperrstund­en in einem Dauerfeuer vielleicht sogar mit Recht geißelt, weil Feiern damit ins Private verlegt werden. Aber kein einziges Wort und keinen einzigen Appell findet, eben diese Privatfeie­rn vorerst zu unterlasse­n.

Wollen wir einen zweiten Lockdown vermeiden, führt kein Weg daran vorbei, das eigene Verhalten von Grund auf zu hinterfrag­en und vorübergeh­end zu ändern. Was sollte die logische Konsequenz sein, wenn private Feste und Familientr­effen als „die“Hauptursac­he für die derzeitige Entwicklun­g identifizi­ert sind? Was heißt das für die Zahl der Kontakte in Beruf und Freizeit? Was bedeutet es für die Planung der kommenden Ferienwoch­e?

Sich solche Fragen selbst zu beantworte­n und mehr Verantwort­ung fürs eigene Handeln zu übernehmen: Darauf kommt es jetzt an, wollen wir einen zweiten Lockdown verhindern.

Warum die Politik Vertrauen verloren hat

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WWW.SN.AT/WIZANY Die neue Tugend . . .
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