Wie wir einen Lockdown vermeiden
Reisewarnungen und rasch knapp werdende Spitalsbetten für Coronapatienten: Tut jeder von uns genug, um hier wirksam gegenzusteuern?
Man tut sich schwer, dieser Tage gute Coronanachrichten zu finden. Zu den wenigen gehört sicher, dass in Kuchl die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Bewohner am Freitag den vierten Tag in Folge gesunken ist. In den anderen Bezirken bis auf den Lungau und die Stadt dürften hingegen alle Versuche, die sogenannten Cluster einzugrenzen und Kontaktpersonen von Infizierten in Quarantäne zu schicken, derzeit zum Scheitern verurteilt sein. Das bedeutet aber auch, dass die Zahl der Infektionen ungebremst steigen wird, wenn nicht ein grundlegendes Umdenken erfolgt oder ein zweiter Lockdown verhängt wird.
Wie ernst die Lage bereits ist, sieht man nicht nur an den ausländischen Reisewarnungen, die zuletzt auch aus Deutschland und den Niederlanden kamen. Noch darf man bis zum Start der Wintersaison darauf hoffen, dass sich der wirtschaftliche Schaden in engen Grenzen hält, wenn es in den nächsten Wochen gelingt, die Fallzahlen zu senken.
Gleichzeitig spitzt sich die Lage in den Landeskliniken von Tag zu Tag mehr zu. Coronakritiker haben immer behauptet, in Österreich sei das Gesundheitssystem viel besser als in Südeuropa, Großbritannien oder den USA. Jetzt muss man aber auch bei uns erkennen, dass die Kapazitätsgrenzen viel schneller erreicht sind, als oft behauptet wird. Und dass viel größere Kapazitäten selbst bei besserer Planung und Vorsorge nicht so leicht zu schaffen sind, weil man einfach die dafür notwendigen Ärzte und Krankenpfleger nicht bekommt. Schon müssen einzelne Kliniken ihr Standardprogramm für Coronapatienten einschränken. Steigt die Zahl der spitalspflichtigen Patienten im derzeitigen Tempo weiter, bleibt am Ende nur ein Lockdown oder viele Kliniken müssen sich auf ein Notprogramm beschränken, – mit allen Problemen, die durch aufgeschobene Operationen erneut auf viele Menschen zukommen.
Das hat nichts mit Panikmache zu tun, das sind leider unverrückbare Tatsachen, die man zuletzt vielfach nicht mehr zur Kenntnis nehmen wollte. Im Uniklinikum Salzburg sah man sich am Donnerstag
sogar dazu gezwungen, die Tore für Besucher mit wenigen Ausnahmen wieder zu schließen, weil zum Teil Ignoranz gepaart mit aggressiver Uneinsichtigkeit Krankenpfleger, Ärzte und Patienten gefährdete.
Die Uneinsichtigkeit hat zu einem Teil auch mit dem in die Politik verloren gegangenen Vertrauen zu tun. Verspielt hat sie das entscheidend durch strategische und organisatorische Fehler.
Dieses Vertrauen bauen Politiker auch nicht auf, wenn sie glauben, auf einem neuen Höhepunkt der Krise mit unglaubwürdigen Methoden politisches Kleingeld schlagen zu müssen. Wenn man zum Beispiel die vorverlegten Sperrstunden in einem Dauerfeuer vielleicht sogar mit Recht geißelt, weil Feiern damit ins Private verlegt werden. Aber kein einziges Wort und keinen einzigen Appell findet, eben diese Privatfeiern vorerst zu unterlassen.
Wollen wir einen zweiten Lockdown vermeiden, führt kein Weg daran vorbei, das eigene Verhalten von Grund auf zu hinterfragen und vorübergehend zu ändern. Was sollte die logische Konsequenz sein, wenn private Feste und Familientreffen als „die“Hauptursache für die derzeitige Entwicklung identifiziert sind? Was heißt das für die Zahl der Kontakte in Beruf und Freizeit? Was bedeutet es für die Planung der kommenden Ferienwoche?
Sich solche Fragen selbst zu beantworten und mehr Verantwortung fürs eigene Handeln zu übernehmen: Darauf kommt es jetzt an, wollen wir einen zweiten Lockdown verhindern.
Warum die Politik Vertrauen verloren hat