Die Karriere des Erzes
In einem Quiz tauchte jüngst die Frage auf: Was ist ein Purgatorium? Die angebotenen Antwortmöglichkeiten lauteten: A) Veranstaltungssaal, B) CoronaImpfstoff, C) Fegefeuer, D) Brechmittel. Hm, da fiel die Wahl schwer. Korrekte Antwort wäre natürlich E) Kolumne gewesen. Wesentlich leichter zu beantworten ist die Frage, was Donald Trumps Kandidatin für den Supreme Court ist. Die richtige Antwort wurde in den ORFNachrichten derart oft verbreitet, dass sie jetzt jedes Kind weiß: Erzkonservativ. Sie ist erzkonservativ.
Was das genau ist, weiß hingegen kein Kind und auch kein Erwachsener. Es muss aber etwas Lobenswertes und Gutes sein. Schließlich bezeichnet die Vorsilbe Erz- ja immer etwas Besonderes: Der Erzbischof ist wichtiger als ein Bischof. Der Erzherzog ist mehr als ein schnöder Herzog. Und der Erzberg ist der wichtigste Berg von allen (sagen zumindest die Steirer). Das Gleiche gilt für den Erzähler, der weit über den gewöhnlichen Ähler hinausragt.
Hingegen wäre es verfehlt, den Gewinner eines Friseurwettbewerbs als Erzfriseur, Corona als Erz-GAU und den schönsten Dackel einer Hundeausstellung als Erzwaldi zu bezeichnen. Weil, wie klingt denn das?
Andererseits hätte es sich unser Gesundheitsminister angesichts der Leidenschaft, mit der er täglich neue Coronagrafiken präsentiert, längst verdient, Erzgesundheitsminister genannt zu werden. Der SPÖ-Chefin sollte man den von mancherlei Dolchstößen bedrohten Rücken stärken, indem man sie in den Nachrichten als erzsozialdemokratisch würdigt. Und dass unser aller Kanzler nicht längst zum Erzkanzler erhoben wurde, verwundert nach allem, was er geleistet hat, schon ein bisschen. Denn Erz- ist doch irgendwie super.
Aber vielleicht liegt es daran, dass der Titel Erzkanzler eine lange Geschichte hat. Er amtierte nämlich schon einmal, und zwar im Heiligen Römischen Reich. Dieses war bekanntlich derart erzkonservativ, dass es tausend Jahre bestand und unterhalb des Königs bzw. Kaisers eine ganze Reihe von sogenannten Erzämtern kannte. Neben dem Erzkanzler des Reiches (also dem damaligen Sebastian Kurz) gab es einen Erzmundschenk, einen Erztruchsess, einen Erzmarschall und einen Erzkämmerer.
Die letzten vier Erzämter waren insofern super, als ihre Inhaber zwar im Prinzip dazu verpflichtet waren, ihren neuen Herrscher und Lehensherrn nach dessen Thronbesteigung beim Krönungsmahl zu bedienen. Das heißt, der Erzmundschenk hatte ihm zum Beispiel das Wasser und den Wein zu reichen. Doch wurde dieses Amt im Heiligen Römischen Reich traditionell vom König von Böhmen bekleidet, und der dachte selbstverständlich nicht im Traum daran, an der Krönungstafel seines neuen Herrn wie ein gewöhnlicher Ober- bzw.
Erzkellner mit Wasser- und Weingläsern zu hantieren. Nein, als Erzmundschenk des Reiches konnte er es sich leisten, diese Tätigkeit an Untergebene zu delegieren. Die Submundschenken machten also die Arbeit und der Supermundschenk hatte den Titel und die Ehre. Eine Erzarbeitsteilung, nicht wahr?
Das wäre so ähnlich, wie wenn der Erzwaldi gar nicht selbst bellen und wedeln würde, sondern sich dafür einen Subdackel hielte. Und tatsächlich ist es ja so, dass unser Erzgesundheitsminister und unser Erzkanzler bei der Coronabekämpfung nicht persönlich die bösen Erzspreader suchen, sondern dafür Gehilfen haben. Sie selber lenken nur die Dinge und schweben überwachend über ihnen wie die Erzengel.
Bleibt die Frage, wie das Erz als metallhaltiges Gestein eine solche Karriere machen konnte, dass es heute ganz super dasteht und sogar Engeln, Kanzlern und Bischöfen vorangestellt wird. Aber das ist eine andere Ählung.