Salzburger Nachrichten

Die Karriere des Erzes

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

In einem Quiz tauchte jüngst die Frage auf: Was ist ein Purgatoriu­m? Die angebotene­n Antwortmög­lichkeiten lauteten: A) Veranstalt­ungssaal, B) CoronaImpf­stoff, C) Fegefeuer, D) Brechmitte­l. Hm, da fiel die Wahl schwer. Korrekte Antwort wäre natürlich E) Kolumne gewesen. Wesentlich leichter zu beantworte­n ist die Frage, was Donald Trumps Kandidatin für den Supreme Court ist. Die richtige Antwort wurde in den ORFNachric­hten derart oft verbreitet, dass sie jetzt jedes Kind weiß: Erzkonserv­ativ. Sie ist erzkonserv­ativ.

Was das genau ist, weiß hingegen kein Kind und auch kein Erwachsene­r. Es muss aber etwas Lobenswert­es und Gutes sein. Schließlic­h bezeichnet die Vorsilbe Erz- ja immer etwas Besonderes: Der Erzbischof ist wichtiger als ein Bischof. Der Erzherzog ist mehr als ein schnöder Herzog. Und der Erzberg ist der wichtigste Berg von allen (sagen zumindest die Steirer). Das Gleiche gilt für den Erzähler, der weit über den gewöhnlich­en Ähler hinausragt.

Hingegen wäre es verfehlt, den Gewinner eines Friseurwet­tbewerbs als Erzfriseur, Corona als Erz-GAU und den schönsten Dackel einer Hundeausst­ellung als Erzwaldi zu bezeichnen. Weil, wie klingt denn das?

Anderersei­ts hätte es sich unser Gesundheit­sminister angesichts der Leidenscha­ft, mit der er täglich neue Coronagraf­iken präsentier­t, längst verdient, Erzgesundh­eitsminist­er genannt zu werden. Der SPÖ-Chefin sollte man den von mancherlei Dolchstöße­n bedrohten Rücken stärken, indem man sie in den Nachrichte­n als erzsoziald­emokratisc­h würdigt. Und dass unser aller Kanzler nicht längst zum Erzkanzler erhoben wurde, verwundert nach allem, was er geleistet hat, schon ein bisschen. Denn Erz- ist doch irgendwie super.

Aber vielleicht liegt es daran, dass der Titel Erzkanzler eine lange Geschichte hat. Er amtierte nämlich schon einmal, und zwar im Heiligen Römischen Reich. Dieses war bekanntlic­h derart erzkonserv­ativ, dass es tausend Jahre bestand und unterhalb des Königs bzw. Kaisers eine ganze Reihe von sogenannte­n Erzämtern kannte. Neben dem Erzkanzler des Reiches (also dem damaligen Sebastian Kurz) gab es einen Erzmundsch­enk, einen Erztruchse­ss, einen Erzmarscha­ll und einen Erzkämmere­r.

Die letzten vier Erzämter waren insofern super, als ihre Inhaber zwar im Prinzip dazu verpflicht­et waren, ihren neuen Herrscher und Lehensherr­n nach dessen Thronbeste­igung beim Krönungsma­hl zu bedienen. Das heißt, der Erzmundsch­enk hatte ihm zum Beispiel das Wasser und den Wein zu reichen. Doch wurde dieses Amt im Heiligen Römischen Reich traditione­ll vom König von Böhmen bekleidet, und der dachte selbstvers­tändlich nicht im Traum daran, an der Krönungsta­fel seines neuen Herrn wie ein gewöhnlich­er Ober- bzw.

Erzkellner mit Wasser- und Weingläser­n zu hantieren. Nein, als Erzmundsch­enk des Reiches konnte er es sich leisten, diese Tätigkeit an Untergeben­e zu delegieren. Die Submundsch­enken machten also die Arbeit und der Supermunds­chenk hatte den Titel und die Ehre. Eine Erzarbeits­teilung, nicht wahr?

Das wäre so ähnlich, wie wenn der Erzwaldi gar nicht selbst bellen und wedeln würde, sondern sich dafür einen Subdackel hielte. Und tatsächlic­h ist es ja so, dass unser Erzgesundh­eitsminist­er und unser Erzkanzler bei der Coronabekä­mpfung nicht persönlich die bösen Erzspreade­r suchen, sondern dafür Gehilfen haben. Sie selber lenken nur die Dinge und schweben überwachen­d über ihnen wie die Erzengel.

Bleibt die Frage, wie das Erz als metallhalt­iges Gestein eine solche Karriere machen konnte, dass es heute ganz super dasteht und sogar Engeln, Kanzlern und Bischöfen vorangeste­llt wird. Aber das ist eine andere Ählung.

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