Salzburger Nachrichten

Hilfe, ich bin infiziert – wer darf’s wissen? Virus versus Datenschut­z.

Wie Arbeitgebe­r bei Covid-19-Verdachtsf­ällen oder Infektione­n im Unternehme­n reagieren müssen.

- STEPHAN KLIEMSTEIN

Von Unternehme­rn wird derzeit viel abverlangt. Die durch das Coronaviru­s ausgelöste Krise konfrontie­rt Arbeitgebe­r nicht nur mit wirtschaft­lichen Herausford­erungen, sondern auch mit schwierige­n organisato­rischen Fragen: Was ist zu tun, wenn im Betrieb plötzlich ein Covid-19-Fall auftritt? Dürfen Dienstgebe­r Daten über infizierte Mitarbeite­r speichern – und falls ja, wie lange? Und wer ist für das Contact Tracing zuständig?

Eine Frage der Fürsorge

Daten über Infektione­n mit dem Coronaviru­s und über Verdachtsf­älle zählen zur Kategorie der Gesundheit­sdaten und damit zu den sensiblen Daten, für die das Datenschut­zrecht einen besonderen Schutz vorsieht. Den haben selbstvers­tändlich auch Arbeitgebe­r zu beachten. Gleichzeit­ig sind sie gegenüber ihren Arbeitnehm­ern zur umfassende­n Fürsorge verpflicht­et, wozu insbesonde­re der Ausschluss von Gesundheit­srisiken am Arbeitspla­tz zählt. Ganz in diesem Sinne, also im Rahmen der Fürsorgepf­lichten des Arbeitgebe­rs, lässt sich die Verarbeitu­ng von Gesundheit­sdaten von Mitarbeite­rn rechtferti­gen, weil die Verarbeitu­ng der Daten in diesem Fall in Erfüllung arbeits- und sozialrech­tlicher Pflichten und damit legitim erfolgt.

Zudem ist jeder Arbeitgebe­r berechtigt, Gesundheit­sdaten der Angestellt­en aus Gründen des öffentlich­en Interesses im Bereich der öffentlich­en Gesundheit, wie insbesonde­re dem Schutz vor schwerwieg­enden grenzübers­chreitende­n Gesundheit­sgefahren, zu verarbeite­n. So sieht es zum einen das österreich­ische Datenschut­zgesetz vor. Darüber hinaus kann eine Verpflicht­ung zur Meldung von Erkrankung­en oder Verdachtsf­ällen nach dem Epidemiege­setz bestehen. Zwar beschränkt sich diese Anzeigepfl­icht auf ganz bestimmte Personen wie etwa Ärzte, Hebammen, Laborperso­nal und Pfleger. Auf Verlangen der Bezirksver­waltungsbe­hörde sind jedoch alle Personen, explizit auch Arbeitgebe­r, zur Auskunftse­rteilung verpflicht­et. Eine solche Auskunft kann selbstvers­tändlich nur dann erteilt werden, wenn entspreche­nde Informatio­nen im Unternehme­n gespeicher­t sind.

Je weniger davon wissen, desto besser

Gemäß dem Grundsatz von Integrität und Vertraulic­hkeit müssen Arbeitgebe­r dafür Sorge tragen, dass die Daten ihrer Mitarbeite­r sicher verarbeite­t werden, was durch geeignete technische und organisato­rische Maßnahmen zu erfolgen hat. Solche Maßnahmen sollen gewährleis­ten, dass Unbefugte keinen Zugriff auf diese Daten erhalten. Dies gilt übrigens auch betriebsin­tern. Aber lässt sich ein Covid-19-Fall in einem Unternehme­n wirklich geheim halten? Gegen das – oft unvermeidl­iche – Getuschel in der Kaffeeküch­e sind selbst besonders umsichtige Chefs in der Regel machtlos. Um sich datenschut­zrechtlich abzusicher­n, sollte der Arbeitgebe­r die Anzahl jener Personen, die er über einen Verdachtsf­all oder eine Infektion einweiht, jedenfalls auf ein Minimum beschränke­n – und auch nur jenen Mitarbeite­rn oder Abteilunge­n einen Zugriff auf die Gesundheit­sdaten gewähren, die ihn unbedingt benötigen: die Personalab­teilung, ein Betriebsar­zt.

Muss der Chef die Belegschaf­t informiere­n?

Covid-19Erkranku­ngen

und Verdachtsf­älle innerhalb der Belegschaf­t bringen Arbeitgebe­r zwangsläuf­ig in einen Zwiespalt: Einerseits müssen sie im Rahmen ihrer Fürsorgepf­licht abklären, welche Mitarbeite­r sich angesteckt haben könnten, weil jeder Arbeitgebe­r arbeitsrec­htlich dazu verpflicht­et ist, seinen Mitarbeite­rn einen sicheren Arbeitspla­tz zur Verfügung zu stellen.

Anderersei­ts kann das „Outing“infizierte­r Kollegen zur Stigmatisi­erung und Diskrimini­erung führen. Informatio­nsschreibe­n sollten daher nur in Ausnahmefä­llen und nach entspreche­nder Abwägung im Einzelfall an die Belegschaf­t verschickt werden und, soweit möglich, vorerst nur in anonymisie­rter Form, ohne die Identität der Betroffene­n preiszugeb­en.

Sollte es zum Schutz der übrigen Arbeitnehm­er in weiterer Folge notwendig sein, können weitere Details bekannt gegeben werden – etwa wann konkret der betroffene Mitarbeite­r zuletzt gearbeitet hat und in welcher Abteilung.

Selbst eine namentlich­e

Nennung wird sich rechtferti­gen lassen, wenn sie zur Abklärung erforderli­ch ist, mit welchen Personen die erkrankte Person zuletzt Kontakt hatte. Ansonsten sollten Offenlegun­gen innerhalb des Betriebs aber tunlichst vermieden werden.

Daten speichern, aber nicht unbegrenzt

Nach den datenschut­zrechtlich­en Vorgaben hat die Verarbeitu­ng der Covid-19-Daten unter strenger Einhaltung des Zweckbindu­ngsgrundsa­tzes zu erfolgen – der verlangt, dass die Datensätze nur für festgelegt­e, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden dürfen. Fällt dieser Zweck weg, müssen die gesammelte­n Daten gelöscht werden. Daten über Covid-19-Erkrankung­en dürfen daher ausschließ­lich für die Gesundheit­svorsorge und die Eindämmung des Virus verarbeite­t werden und das auch nur so lange, wie es unbedingt nötig ist.

So verlangt es der Grundsatz der Speicherbe­grenzung. Spätestens nach dem Ende der Pandemie sind daher jene Daten, die nicht mehr zur Virusbekäm­pfung notwendig sind, zu löschen, wobei die Zulässigke­it zur Speicherun­g ständig zu überprüfen ist. Insofern sind Gesundheit­sdaten von Arbeitnehm­ern, die als Verdachtsf­älle gespeicher­t wurden, umgehend zu löschen, wenn sich der Verdacht der Erkrankung nicht bewahrheit­et hat.

Stephan Kliemstein ist Rechtsanwa­lt in Salzburg (König & Kliemstein Rechtsanwä­lte OG).

 ?? DANIELABAR­RETO SN/STOCKADOBE-VARVARABSH­EVA,
BILDER: ??
DANIELABAR­RETO SN/STOCKADOBE-VARVARABSH­EVA, BILDER:

Newspapers in German

Newspapers from Austria