Die neue Weinlust
„Ich bin zu schwer für leichte Weine.“Wie drei bekannte Quereinsteiger die Weinbranche umkrempeln.
„Also die ärgste Beschreibung, die ich je von einem Wein gehört habe, war ,riecht nach durchgerittenem Damensattel‘“, sagt Günther Jauch. Allgemeines Gelächter. Wir sitzen in der gemütlichen Stube des Stiftskulinariums St. Peter. Mit Jauch sind noch Clemens Strobl aus Wagram und Hans Schwarz aus dem Burgenland gekommen. Alle drei sind Quereinsteiger. Sie nennen sich „Montagsrunde“, weil sie sich im Rahmen der Düsseldorfer Weinmesse Pro Wein erstmals an einem Montag getroffen haben. Diesen geselligen Brauch haben sie bei dieser Messe beibehalten. Inzwischen gehen sie sogar schon gemeinsam auf Tour. Am nächsten Tag treten sie in einem Tiroler Luxusresort auf. Man hat den Eindruck, dass sich Jauch im klösterlichen Umfeld des Stifts St. Peter recht wohl fühlt. Er strahlt eine innere Ruhe aus. Fast wie bei der „Millionenshow“.
Der Werbeguru Clemens Strobl hat eine recht dynamische Ausstrahlung. Fesch und anpackend. Und Hans Schwarz? Der burgenländische gelernte Fleischhauer könnte es an Witz und Selbstironie jederzeit mit Gerard Depardieu
aufnehmen. Unvergleichlich ist seine Anekdote von dem Anruf eines Schweizer Hoteliers. Dieser beschwerte sich über das Etikett seines Weins The Butcher (dt. Der Fleischhauer). Es zeigt einen Fleischhauer, der breitbeinig mit einem Beil in der Hand dasteht. So weit, so branchenfremd. Das Gesicht des Fleischhauers wurde noch dazu durch einen Schweinskopf ersetzt. Das brachte den Hotelier auf. Schwarz entgegnete nicht ohne Selbstironie: „Das ist kein Schweinskopf. Das Bild zeigt mich, als ich noch in der Pubertät war.“
Günther Jauch lehnt sich lieber nicht so weit aus dem Fenster. Den Wunsch des Fotografen, er möge doch bitte an einem Glas Riesling riechen, verweigert er höflich, aber bestimmt: „Das wäre was. Einmal bei Rot über die Ampel gefahren und dann tauchen solche Bilder auf ...“Wie kam Jauch eigentlich zu seinem Weingut? „Ich habe es mit meiner Frau Thea 2010 gekauft“, erzählt er. Eigentlich hat er es zurückgekauft, das Weingut von Othegraven. Es befand sich seit 1805 in Familienbesitz. Nicht ohne Stolz erzählt Jauch, dass einer seiner Vorfahren in Trier die Geburtsurkunde von Karl Marx unterzeichnet habe.
Seine Großmutter war noch eine geborene von Othegraven. „Und mein Vater war eben ein Jauch“, sagt er. „Sonst würde ich heute Günther von Othegraven heißen.“Das malerische Weingut befindet sich in Kanzem, im Landkreis
Trier-Saarburg. Jauch nennt es zu Recht „Schlösschen“. Es besteht seit dem 16. Jahrhundert und ist mit seinem Park und dem Kanzemer Altenberg als Ensemble unter Denkmalschutz. Jauch ist sich seiner Verantwortung als Qualitätswinzer bewusst. Allein schon deshalb, weil sein Gut zu den Gründungsmitgliedern des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter VDP zählt. Als Quereinsteiger stellt er auch die richtigen Fragen. Etwa jene: „Was haben das Matterhorn und der Kanzemer Altenberg gemeinsam?“Wir haben keine Ahnung. Antwort: „Eine Steigung von 65 Prozent.“Da ist Handarbeit die einzige Möglichkeit, die Trauben zu ernten. „Einzelstock für Einzelstock“, sagt er. Die schweißtreibende Arbeit erledigten früher polnische Erntehelfer. In den letzten Jahren hat er Rumänen engagiert. Die seien „näher am Wein“. Und es gehe ihnen auch sehr gut bei ihm. „Sie beziehen während der Ernte Zimmer in unserem Schlösschen“, sagt er. Gut bezahlt werden sie sowieso.
Jetzt studiert er noch seine Moderationskarten für seinen Auftritt am Abend. Darauf sind eigentlich nur technische Details zu lesen. Restzuckerangaben der jeweiligen Jahrgänge und Ähnliches. „Hat mir meine Frau zusammengeschrieben“, sagt er. Jauch räumt aber auch ungefragt ein, dass ihn Wichtigtuer bei Verkostungen schon nerven können. „Ich habe da einen Trick“, sagt er. „Wenn mich etwa jemand nach der Restsüße fragt, dann antworte ich immer mit einer Gegenfrage: ,Wie viel Restzucker schätzen Sie denn? Sie haben ja eben gekostet.‘ Da sind die immer um den Faktor drei daneben. Dann geben sie Ruhe.“
Eher lässig mit der Lästigkeit von selbst ernannten Weinexperten geht auch Clemens Strobl um. Er findet sich auf seinem Gut Wagram seit zehn Jahren spielerisch zurecht. Wein ist seine Passion. Er ist einer jener Typen, die sagen: „Ich muss nichts lernen. Ich darf jeden Tag etwas erfahren.“Inzwischen wäre er in der „Millionenshow“der beste Telefonjoker, wenn es um Wein geht. Mit Günther Jauch verbindet ihn allerhand. „Wir sind beide vor zehn Jahren in den Weinbau eingestiegen“, sagt Strobl. „Unsere Weinbaugebiete sind mit 15 Hektar etwa gleich groß, genauso wie unser Flaschenausstoß.“Auch die Böden sind gleich beschaffen: Schiefer. Und auch in Wagram ist die Arbeit hart. Während sich Jauch aber ausschließlich auf unterschiedliche Rieslinge konzentriert, ist das Angebot von Strobl breit gefächert. Kultstatus hat bereits seine Donauschotter-Serie (Grüner Veltliner, Riesling, Rosé). Aber auch sein Veltliner Schreck und sein Pinot Noir Hengst sind nicht von schlechten Eltern. Allesamt sehr zugängliche und präzise gekelterte Tropfen. Spontangärung ist ihnen wichtig. Das ist ein Gärungstyp, bei dem die alkoholische Gärung durch natürlich im Weinberg und im Keller vorkommende Hefearten ohne den Zusatz von speziell gezüchteten Hefen erfolgt.
Jauch und Strobl ist durchaus bewusst, dass sie von der aktuellen Klimaproblematik profitieren. „Um elegante und finessenreiche Weißweine zu produzieren, braucht man im Sommer kühle Temperaturen. Die haben wir im Gegensatz zu den meisten anderen Weinbaugebieten noch“, sagt Strobl. Jauch pflichtet ihm bei. Mit der Betonung auf „noch“. Denn wenn das so weitergehe, dann würde man in 30 Jahren nicht mehr diese Qualität erzielen. „Dann müssten wir auch andere Sorten anbauen und die Toprieslinge von der Saar wären Geschichte“, warnt er.
Hans Schwarz dagegen wird von seinen beiden Freunden wegen seiner exzellenten Weinbaubedingungen im Burgenland beneidet. Vor allem für sein flaches Land und das Vorhandensein zahlreicher exzellenter ungarischer Erntehelfer. Was Strobl so zusammenfasst: „Deshalb hat der Hans das meiste Geld. Weil er die leichteste Arbeit hat.“Jauch stichelt noch: „Dafür kriegt er aber keinen leichten Wein hin.“Was dazu führt, dass sich Schwarz nun aufpflanzt und lächelnd erwidert: „Schaut’s bitte amoi. Wer nimmt mir schon an leichten Wein ab?“
Benediktinerklöster sind für wertvolle Erkenntnisse wie diese geschaffen. Im Stiftskulinarium ist jene gereift: Übliche Weinbesprechungen wurden von der Sprachwissenschaft bislang in den Rang von Hagiographien, also Heiligenlegenden, gerückt. Deren Autoren waren Kleriker, die andere Kleriker zu bekehren versuchten. Sie sollten der religiösen Erbauung dienen. Auf Wein übersetzt kommen da Sätze heraus wie: „Dieser fleischig-saftige Vollgas-Sauvignon bewahrt trotz Bombenfrucht unnachahmliche Eleganz und breitet am Gaumen ein leuchtend farbiges Aromengeflecht aus.“Jauch, Strobl und Schwarz verströmen eine viel weniger komplizierte Erkenntnis von Martin Luther. Der meinte einmal: „Bier ist Menschenwerk. Wein ist von Gott.“