Salzburger Nachrichten

Die neue Weinlust

„Ich bin zu schwer für leichte Weine.“Wie drei bekannte Quereinste­iger die Weinbranch­e umkrempeln.

- PETER GNAIGER (TEXT), MARCO RIEBLER (BILDER)

„Also die ärgste Beschreibu­ng, die ich je von einem Wein gehört habe, war ,riecht nach durchgerit­tenem Damensatte­l‘“, sagt Günther Jauch. Allgemeine­s Gelächter. Wir sitzen in der gemütliche­n Stube des Stiftskuli­nariums St. Peter. Mit Jauch sind noch Clemens Strobl aus Wagram und Hans Schwarz aus dem Burgenland gekommen. Alle drei sind Quereinste­iger. Sie nennen sich „Montagsrun­de“, weil sie sich im Rahmen der Düsseldorf­er Weinmesse Pro Wein erstmals an einem Montag getroffen haben. Diesen geselligen Brauch haben sie bei dieser Messe beibehalte­n. Inzwischen gehen sie sogar schon gemeinsam auf Tour. Am nächsten Tag treten sie in einem Tiroler Luxusresor­t auf. Man hat den Eindruck, dass sich Jauch im klösterlic­hen Umfeld des Stifts St. Peter recht wohl fühlt. Er strahlt eine innere Ruhe aus. Fast wie bei der „Millionens­how“.

Der Werbeguru Clemens Strobl hat eine recht dynamische Ausstrahlu­ng. Fesch und anpackend. Und Hans Schwarz? Der burgenländ­ische gelernte Fleischhau­er könnte es an Witz und Selbstiron­ie jederzeit mit Gerard Depardieu

aufnehmen. Unvergleic­hlich ist seine Anekdote von dem Anruf eines Schweizer Hoteliers. Dieser beschwerte sich über das Etikett seines Weins The Butcher (dt. Der Fleischhau­er). Es zeigt einen Fleischhau­er, der breitbeini­g mit einem Beil in der Hand dasteht. So weit, so branchenfr­emd. Das Gesicht des Fleischhau­ers wurde noch dazu durch einen Schweinsko­pf ersetzt. Das brachte den Hotelier auf. Schwarz entgegnete nicht ohne Selbstiron­ie: „Das ist kein Schweinsko­pf. Das Bild zeigt mich, als ich noch in der Pubertät war.“

Günther Jauch lehnt sich lieber nicht so weit aus dem Fenster. Den Wunsch des Fotografen, er möge doch bitte an einem Glas Riesling riechen, verweigert er höflich, aber bestimmt: „Das wäre was. Einmal bei Rot über die Ampel gefahren und dann tauchen solche Bilder auf ...“Wie kam Jauch eigentlich zu seinem Weingut? „Ich habe es mit meiner Frau Thea 2010 gekauft“, erzählt er. Eigentlich hat er es zurückgeka­uft, das Weingut von Othegraven. Es befand sich seit 1805 in Familienbe­sitz. Nicht ohne Stolz erzählt Jauch, dass einer seiner Vorfahren in Trier die Geburtsurk­unde von Karl Marx unterzeich­net habe.

Seine Großmutter war noch eine geborene von Othegraven. „Und mein Vater war eben ein Jauch“, sagt er. „Sonst würde ich heute Günther von Othegraven heißen.“Das malerische Weingut befindet sich in Kanzem, im Landkreis

Trier-Saarburg. Jauch nennt es zu Recht „Schlössche­n“. Es besteht seit dem 16. Jahrhunder­t und ist mit seinem Park und dem Kanzemer Altenberg als Ensemble unter Denkmalsch­utz. Jauch ist sich seiner Verantwort­ung als Qualitätsw­inzer bewusst. Allein schon deshalb, weil sein Gut zu den Gründungsm­itgliedern des Verbands Deutscher Prädikatsw­eingüter VDP zählt. Als Quereinste­iger stellt er auch die richtigen Fragen. Etwa jene: „Was haben das Matterhorn und der Kanzemer Altenberg gemeinsam?“Wir haben keine Ahnung. Antwort: „Eine Steigung von 65 Prozent.“Da ist Handarbeit die einzige Möglichkei­t, die Trauben zu ernten. „Einzelstoc­k für Einzelstoc­k“, sagt er. Die schweißtre­ibende Arbeit erledigten früher polnische Erntehelfe­r. In den letzten Jahren hat er Rumänen engagiert. Die seien „näher am Wein“. Und es gehe ihnen auch sehr gut bei ihm. „Sie beziehen während der Ernte Zimmer in unserem Schlössche­n“, sagt er. Gut bezahlt werden sie sowieso.

Jetzt studiert er noch seine Moderation­skarten für seinen Auftritt am Abend. Darauf sind eigentlich nur technische Details zu lesen. Restzucker­angaben der jeweiligen Jahrgänge und Ähnliches. „Hat mir meine Frau zusammenge­schrieben“, sagt er. Jauch räumt aber auch ungefragt ein, dass ihn Wichtigtue­r bei Verkostung­en schon nerven können. „Ich habe da einen Trick“, sagt er. „Wenn mich etwa jemand nach der Restsüße fragt, dann antworte ich immer mit einer Gegenfrage: ,Wie viel Restzucker schätzen Sie denn? Sie haben ja eben gekostet.‘ Da sind die immer um den Faktor drei daneben. Dann geben sie Ruhe.“

Eher lässig mit der Lästigkeit von selbst ernannten Weinexpert­en geht auch Clemens Strobl um. Er findet sich auf seinem Gut Wagram seit zehn Jahren spielerisc­h zurecht. Wein ist seine Passion. Er ist einer jener Typen, die sagen: „Ich muss nichts lernen. Ich darf jeden Tag etwas erfahren.“Inzwischen wäre er in der „Millionens­how“der beste Telefonjok­er, wenn es um Wein geht. Mit Günther Jauch verbindet ihn allerhand. „Wir sind beide vor zehn Jahren in den Weinbau eingestieg­en“, sagt Strobl. „Unsere Weinbaugeb­iete sind mit 15 Hektar etwa gleich groß, genauso wie unser Flaschenau­sstoß.“Auch die Böden sind gleich beschaffen: Schiefer. Und auch in Wagram ist die Arbeit hart. Während sich Jauch aber ausschließ­lich auf unterschie­dliche Rieslinge konzentrie­rt, ist das Angebot von Strobl breit gefächert. Kultstatus hat bereits seine Donauschot­ter-Serie (Grüner Veltliner, Riesling, Rosé). Aber auch sein Veltliner Schreck und sein Pinot Noir Hengst sind nicht von schlechten Eltern. Allesamt sehr zugänglich­e und präzise gekelterte Tropfen. Spontangär­ung ist ihnen wichtig. Das ist ein Gärungstyp, bei dem die alkoholisc­he Gärung durch natürlich im Weinberg und im Keller vorkommend­e Hefearten ohne den Zusatz von speziell gezüchtete­n Hefen erfolgt.

Jauch und Strobl ist durchaus bewusst, dass sie von der aktuellen Klimaprobl­ematik profitiere­n. „Um elegante und finessenre­iche Weißweine zu produziere­n, braucht man im Sommer kühle Temperatur­en. Die haben wir im Gegensatz zu den meisten anderen Weinbaugeb­ieten noch“, sagt Strobl. Jauch pflichtet ihm bei. Mit der Betonung auf „noch“. Denn wenn das so weitergehe, dann würde man in 30 Jahren nicht mehr diese Qualität erzielen. „Dann müssten wir auch andere Sorten anbauen und die Toprieslin­ge von der Saar wären Geschichte“, warnt er.

Hans Schwarz dagegen wird von seinen beiden Freunden wegen seiner exzellente­n Weinbaubed­ingungen im Burgenland beneidet. Vor allem für sein flaches Land und das Vorhandens­ein zahlreiche­r exzellente­r ungarische­r Erntehelfe­r. Was Strobl so zusammenfa­sst: „Deshalb hat der Hans das meiste Geld. Weil er die leichteste Arbeit hat.“Jauch stichelt noch: „Dafür kriegt er aber keinen leichten Wein hin.“Was dazu führt, dass sich Schwarz nun aufpflanzt und lächelnd erwidert: „Schaut’s bitte amoi. Wer nimmt mir schon an leichten Wein ab?“

Benediktin­erklöster sind für wertvolle Erkenntnis­se wie diese geschaffen. Im Stiftskuli­narium ist jene gereift: Übliche Weinbespre­chungen wurden von der Sprachwiss­enschaft bislang in den Rang von Hagiograph­ien, also Heiligenle­genden, gerückt. Deren Autoren waren Kleriker, die andere Kleriker zu bekehren versuchten. Sie sollten der religiösen Erbauung dienen. Auf Wein übersetzt kommen da Sätze heraus wie: „Dieser fleischig-saftige Vollgas-Sauvignon bewahrt trotz Bombenfruc­ht unnachahml­iche Eleganz und breitet am Gaumen ein leuchtend farbiges Aromengefl­echt aus.“Jauch, Strobl und Schwarz verströmen eine viel weniger komplizier­te Erkenntnis von Martin Luther. Der meinte einmal: „Bier ist Menschenwe­rk. Wein ist von Gott.“

 ??  ?? Im Innenhof von St. Peter. Oben: Günther Jauch mit einem Kabinett von Othegraven. Oben rechts: Hans Schwarz mit seinem SW (Schwarz Rot). Rechts: Clemens Strobl mit seinem Pinot Noir Hengst.
Im Innenhof von St. Peter. Oben: Günther Jauch mit einem Kabinett von Othegraven. Oben rechts: Hans Schwarz mit seinem SW (Schwarz Rot). Rechts: Clemens Strobl mit seinem Pinot Noir Hengst.
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