Roter Veltliner: Eine Rebsorte kehrt zurück
Die alte heimische Sorte war nahezu verschwunden. Nun hat sich eine Gruppe Biowinzer der Rekultivierung des Roten Veltliners verschrieben.
Sie ist eine Diva. Das macht die Rebsorte unwiderstehlich, ist aber auch der Grund, warum sie in den vergangenen 50 Jahren zugunsten des Grünen Veltliners so gut wie aus allen heimischen Weingärten verschwunden ist. Mit ihm haben die Winzer ein einfacheres Leben. Er ist weniger kapriziös im Anbau und auch im Keller kommt man leichter mit ihm aus. „Bei uns war der Rote Veltliner aber immer wichtig, fast wie ein ganz besonderes Familienmitglied“, sagt Josef Mantler, Juniorchef am Weingut Mantlerhof in Gedersdorf im Kremstal. Die Mantlers stehen quasi exemplarisch für den spannenden Wein. „Als kaum mehr jemand Roten Veltliner kultiviert hat, hielt mein Großvater immer noch daran fest. Mein Vater hat die Sorte in Österreich und auch international bekannt gemacht. Wir haben immer an ihr Potenzial geglaubt“, erzählt er weiter. In Mantlers Ried Reisenthal wachsen die Trauben in einem perfekten Umfeld. Daraus keltern sie schon Jahrzehnte unverwechselbare, authentische Weine mit einem ganz eigenen Profil und Charisma.
Die Aromatik des Roten Veltliners ist von einer würzigen, saftig gelben Frucht geprägt (Apfel, Birne, Pfirsich, Marille, Kriecherl, verschiedenste Kräuter). Bei höherer Reife gehen die Noten ins Exotische, hie und da findet man Blütenhonig oder kandierte Zitruszesten. Die Weine sind ausdrucksstark und charaktervoll, was sie zu wunderbaren Speisebegleitern, vor allem zur würzigen Küche, macht. Rotgipfler, Neuburger, Frühroter Veltliner oder auch Zierfandler – alle stammen vom Roten Veltliner ab. Vor einigen Jahren fand der Klosterneuburger Rebwissenschafter Ferdinand Regner
mithilfe einer DNA-Analyse heraus, dass es sich beim Roten Veltliner um das Stammelternteil der Veltliner-Familie handelt. Trotz seiner ampelographischen (rebsortenkundlichen) Wichtigkeit und ehemals großen Popularität verlor er über die Zeit seinen Anbauwert. Nur ganz wenige, wie die Mantlers, hielten die Flagge für die außergewöhnliche Sorte hoch. Heute dürfte ein Großteil der gepflanzten Stöcklinge aus Selektionen ihrer Weingärten stammen. Am Rande: Trotz der Bezeichnung „rot“handelt es sich um eine Weißweinsorte, deren Beerenschalen dunkelgrün bis kupferfarben sind.
In den vergangenen Jahren entdeckten einige Winzer das Besondere im Roten Veltliner wieder. Eine Gruppe von zehn Bioweinbaubetrieben aus dem Donauraum tat sich zusammen, um ihm zu altem Glanz und neuer Aufmerksamkeit zu verhelfen. Die Mitglieder investieren viel Energie und Zeit in die Entwicklung der Sorte – ein wichtiger Beitrag zum Erhalt des weingeschichtlichen Kulturguts. Als Würdigung steht nun die begehrte Anerkennung als Presidio-Projekt der internationalen Slow-Food-Stiftung für biologische Vielfalt bevor. Diese hat bereits informell grünes Licht für die Anerkennung des Bio-Roten-Veltliners als Presidio-Projekt gegeben. Presidi (Einzahl: presidio = ital. für Schutz) sind Projekte, welche von der Slow-Food-Stiftung unterstützt werden. Derzeit sind 13.000 Erzeuger in mehr als 590 Presidi weltweit aktiv. In Österreich gibt es neun Presidi, davon drei im Waldviertel.
Üblicherweise hat jeder Winzer eine sehr individuelle Herangehensweise an seine Arbeit sowohl im Weingarten als auch bei der Vinifikation im Keller. Die Winzergruppe „Roter Veltliner Donauterrassen“hat hier in bedachtsamer Annäherung eine gemeinsame Philosophie definiert, wobei die ureigene Handschrift jedes Einzelnen erhalten bleibt. Parameter wie die Handlese oder Förderung der Biodiversität in den Rebgärten sind essenziell. Im Keller zählen unter anderem die Spontanvergärung oder Vergärung mit eigenen Hefen, der Verzicht auf Anreicherung und tierische Schönungsmittel dazu. Der Verkauf des neuen Jahrgangs startet nicht vor dem ersten Frühlingsvollmond im Jahr nach der Ernte.
Apropos Ernte. Die befindet sich aktuell im Finale. „Wir sind zufrieden“, sagt Paul Schabl, Winzer aus Königsbrunn am Wagram. „Das feuchte Wetter über die Vegetationsperiode hat es uns heuer nicht leicht gemacht. Vor allem beim Roten Veltliner. Er hat dicht gepackte Trauben und sehr dünne Beerenschalen. Wir mussten ordentlich auslesen, um beste Qualität zu ernten“, erklärt er. In seinen Weingärten habe man heuer viel Laubarbeit gemacht. Während des Reifeprozesses seien die Trauben geteilt worden, um den verbleibenden Beeren mehr Platz zu geben. Sie sind dann weniger fäulnisanfällig. Die Schabls hatten den Roten Veltliner auch völlig gerodet. 2009 wurde er wieder neu ausgepflanzt. Paul Schabl ist glücklich darüber. Er und seine Kollegen sind auf dem besten Weg, das Gesicht der Diva unter den weißen Rebsorten wieder zum Strahlen zu bringen.