Streaming bringt neuen Festspielrekord
Ein „Ausnahmejahr“beschert den Salzburger Festspielen hohe Reichweiten: Eine Kinoreihe soll sie nun weiter ausbauen.
„Wir erreichen damit neue Zielgruppen.“
Florian Wiegand, Konzertchef
Erst gab es Fragezeichen, ob die Salzburger Festspiele 2020 überhaupt stattfinden könnten. Dann wurde im Rekordtempo ein Umplanen und Anpassen an die Coronaverordnungen des Sommers nötig: Ein Teil des Programms zum 100-jährigen Bestehen der Salzburger Festspiele wurde auf 2021 verschoben. Vieles konnte im Jubiläumsjahr in modifizierter Form stattfinden. Aber nicht nur deshalb spricht Konzertchef Florian Wiegand rückblickend von einem „Glücksgefühl“. 2020 bleibe auch in anderer Hinsicht „ein Ausnahmejahr“: Trotz coronabedingt eingeschränkter Besucherzahlen „haben wir noch nie so viele Zuschauer erreicht wie heuer“.
Das liegt an einem Vorstoß ins Streaming: Die Opern „Elektra“und „Così fan tutte“sowie die „Jedermann“-Premiere wurden nicht nur erstmals (teils live) in Kinos in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Russland und Korea übertragen. Erstmals gab es auch ein Angebot an digitalen Streams auf der Plattform von Arte Concert und den Internetkanälen der Festspiele. Als Konzertchef freue es ihn besonders, „dass es gelungen ist, neben den szenischen Produktionen 28 Konzerte zu streamen. So konnten trotz Reisebeschränkungen viele Menschen zumindest digital eine Vielfalt an Konzerten auf höchstem Niveau miterleben“, sagt Wiegand.
Von Arte Concert und Salzburger Festspielen kam Freitag auch eine dazugehörige Rekordmeldung: Die Marke von einer Million Nutzern habe das (mit Unitel produzierte) Webprogramm bereits erreicht.
Das Aufstellen des Streamingangebots sei im Frühsommer freilich „ein Hexenritt“gewesen, sagt Wiegand,
der auch für Medienagenden der Salzburger Festspiele verantwortlich ist. „Unter normalen Umständen hätten die Vorbereitungen ein Jahr in Anspruch genommen.“Die Ausnahmesituation habe aber Kooperationsbereitschaft bei allen Partnern mit sich gebracht: „Allein hätten wir so ein Projekt nie aufstellen können. Es hat sich eine unglaubliche Eigendynamik entwickelt. Auch Künstler, die Streamingangeboten sonst vielleicht skeptisch gegenüberstehen, sagten zu.“
Und viele Künstler seien im Nachhinein von der Qualität der Produktionen begeistert gewesen: „Wir haben in 4K-Technologie gefilmt. In den Konzertsälen kamen unter anderem fix installierte Remote-Kameras zum Einsatz, die vom Mischpult aus gesteuert wurden. So konnten wir Nahaufnahmen
ohne Störung der Interpreten auf den Bühnen machen.“
Während die digitalen Streams aus dem Salzburger Festspielsommer überwiegend neunzig Tage nach der Erstausstrahlung (also bei einzelnen Konzerten bis Ende November) abrufbar bleiben, startet an diesem Wochenende eine neue Initiative. Unter dem Motto „Salzburg im Kino“bringen die Salzburger Festspiele auch außerhalb des Sommers Festspielproduktionen ins Kino. Die Kinoübertragungen im August hätten gezeigt, „dass wir auf diesem Weg nicht nur Besucher erreichen, die heuer nicht reisen konnten, sondern vielen einen ersten Kontakt mit den Salzburger Festspielen ermöglichen“.
Zehn Opernproduktionen aus den vergangenen Jahren werden in Etappen bis Juni 2021 in mehr als 135 Kinos in Österreich und Deutschland gezeigt: Von Mozarts „Così fan tutte“aus dem aktuellen Festspielsommer über „Salome“mit Asmik Grigorian von 2018 oder „Aida“mit Anna Netrebko (2017) bis zu „La Traviata“von 2005: In dieser Produktion hatte Netrebko erstmals als Weltstar (nach ihrem SalzburgDebüt 2002) für vielfach überbuchte Vorstellungen gesorgt.
Mit „La Traviata“beginnt nun auch die Kinoreihe. Viel Resonanz sei nicht nur beim Kartenvorverkauf zu spüren, sondern auch seitens der Kinobetreiber, berichtet Wiegand. Die Zahl der mitwirkenden Spielstätten vergrößere sich stetig, und auch große Ketten hätten Interesse gezeigt.
Ob die Offensive trotz der auch in Kinosälen stark reduzierten Zahl an Sitzplätzen für die Salzburger Festspiele rentabel ist? Im Vordergrund beim Streaming wie bei der Kinoreihe stehe „das Ziel, möglichst vielen Menschen die Festspielproduktionen zugänglich zu machen, auch wenn wir damit keinen Gewinn erwirtschaften“. Dies sei ein wichtiges Instrument vor allem auch im Hinblick auf das teils auf 2021 verlagerte Programm: „Es schafft ein Bindeglied zwischen den beiden Jubiläumsjahren.“
Von den heuer gemachten Erfahrungen mit dem Streaming werde man indes auch 2021 profitieren: „Es wird sicher wieder ein digitales Angebot geben.“Ersetzen könne Streaming das Live-Erlebnis zwar nicht: „Aber es kann die Lust darauf wecken.“
Stream: SALZBURGERFESTSPIELE.AT Kino: SALZBURGIMKINO.DE
Als Salzburger Spielort ist ab November das (aktuell geschlossene) Mozartkino angegeben.