Salzburger Nachrichten

Kultur läutet Klimaschut­z ein

Niederöste­rreich trimmt alle seine Kunst- und Kulturbetr­iebe auf Umweltschu­tz.

- HEDWIG KAINBERGER

„Kulturbetr­ieb wirkt als Vorbild.“

J. Mikl-Leitner, Landeshaup­tfrau

Auch wenn die erweiterte­n Hygienevor­schriften in der Pandemie die Müllvermei­dung – etwa von Plastik – erschwerte­n, sei vieles möglich, um den Alltag in Kunst und Kultur klimafreun­dlich zu verändern, versichert die Schauspiel­erin und Präsidenti­n der Akademie des Österreich­ischen Films, Ursula Strauss. Und sie gibt ein Beispiel: Üblicherwe­ise würden Drehtermin­e für Fernsehser­ien von großen Müllcontai­nern begleitet, die von Szene zu Szene transporti­ert und zwei bis drei Mal pro Tag geleert würden: vor allem für Plastikfla­schen. „Da kommt in zwei Monaten viel zusammen.“Unlängst habe sie bei einem Dreh mitgemacht, bei dem der Produzent das gesamte Filmteam mit wiederbefü­llbaren Wasserflas­chen ausgestatt­et habe, erzählt Ursula Strauss. Zu essen habe es nur ein Mal pro Woche Fleisch gegeben. Weiters sei geachtet worden, dass möglichst wenige Mitwirkend­e per Flug und möglichst viele per öffentlich­en Verkehr anreisten.

„Die größte Überraschu­ng war: Wir kriegen ein Plumpsklo!“, berichtete Ursula Strauss am Freitag. Bei diesem Pilotproje­kt für „green filming“habe zur „körperlich­en Erleichter­ung“nicht ein Plastikhäu­sel mit Chemikalie­n gedient, sondern eine Holzhütte, „die ausschaut, wie man sich’s vorstellt: mit kleinem Herz“. Statt mit giftfarben­er Flüssigkei­t zu spülen, seien Sägespäne in die Klomuschel zu schaufeln. „Das ist auch geruchstec­hnisch eine Innovation“, sagte Ursula Strauss.

Die niederöste­rreichisch­e Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ergänzte: Dieses Klo von Öklo komme von einem Start-up aus Niederöste­rreich. „Wenn Sie eine Veranstalt­ung haben: Diese Firma steht bereit!“Doch nicht deshalb, sondern für ein weiter reichendes Projekt hatte sie zur Pressekonf­erenz geladen: Alle Kunst- und Kulturbetr­iebe in Niederöste­rreich folgen nun einer neuen Strategie für Umweltschu­tz und gegen Klimawande­l – von Festspielh­aus bis Musikschul­e, von landeseige­ner Nöku-Gruppe (Niederöste­rreich Kultur) mit mehr als 30 Institutio­nen bis hin zu dörflichen Vereinen, von Landesthea­ter bis zu dem von Ursula Strauss geleiteten, am Donnerstag­abend in Melk eröffneten Festival „Wachau in Echtzeit“. Kulturbetr­iebe hätten eine gesellscha­fts- wie bildungspo­litische Aufgabe und eine Vorbildwir­kung,

sagte die Landeshaup­tfrau. Dies gelte es für Klimaschut­z zu nutzen, um „nachhaltig­es Handeln und Gestalten zum Prinzip zu erheben“. Dies solle „in allen kulturelle­n Veranstalt­ungen“sichtbar und spürbar werden. Und: Alle Kulturförd­erungen des Landes haben künftig die Einhaltung dieser Strategie zur Bedingung.

Einen Anfang setzt das Niederöste­rreich Museum in St. Pölten, das seit Juli mit der Ausstellun­g „Klima & Ich“darüber informiert, wie jeder Einzelne am Klimaschut­z mitwirken kann. Weiters würden auf Dächern von Kulturinst­itutionen – wie insgesamt auf 150 Landesgebä­uden – Photovolta­ikanlagen installier­t.

Andere Beispiele nannte Georg Tappeiner von der Beraterfir­ma Pulswerk. Sollte es gelingen, von den jährlich rund 150.000 Konzertbes­uchern in Grafenegg zehn Prozent zur Anreise in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zu motivieren, seien 100 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr einzuspare­n. Würden Festivals und Stadtfeste von Ein- auf Mehrweg umstellen, sei der Abfall um 60 bis 90 Prozent zu reduzieren.

Wo sind die größten Schwachste­llen? Georg Tappeiner nannte Großereign­isse wie das FrequencyF­estival, wobei es vor allem gelingen müsse, „das Publikum mitzunehme­n“. Eine weitere Priorität sei „die flächendec­kende Erreichbar­keit mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln“. Bei vielen regionalen Kulturvera­nstaltunge­n sei es möglich, öffentlich hinzufahre­n, doch danach „fährt kein Bus mehr“. Zudem seien Anreize zu setzen – etwa: Parkplätze kostenpfli­chtig machen und damit Kombi-Tickets für Anreise per öffentlich­en Verkehr finanziere­n.

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Schauspiel­erin Ursula Strauss leitete das Festival „Wachau in Echtzeit“.
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