Distant Socialising funktioniert nur recht und schlecht
Sehnsucht nach dem Büro: Wer hätte das gedacht? Das Arbeiten im Homeoffice hat sich bewährt. Aber es zeigt sich auch, was fehlt.
Die heillos überfüllte U-Bahn, dazu Regenwetter, die aufreibende Suche nach einem Parkplatz, der Schreibtisch, auf dem sich die Papiere türmen, und dann die Kolleginnen und Kollegen, die „wirklich nur ganz kurz“etwas von einem brauchen. Ein typischer Arbeitsalltag im Büro – bis Corona kam.
Da wurden viele Arbeitnehmer in Büroberufen mit einem Schlag aus dem täglichen Trott gerissen und ins Homeoffice beordert. Prima, dachten sich viele, endlich in Ruhe arbeiten können, noch dazu zu Hause. Besser geht es nicht.
Das dachten sich offenbar auch viele Unternehmen. Beim Kurznachrichtendienst Twitter stellte man Mitarbeitern schon im Frühjahr frei, in Zukunft immer von zu Hause aus zu arbeiten. Und der Onlinehändler Amazon hat seinen Mitarbeitern erst dieser Tage angeboten, bis Mitte nächsten Jahres im Homeoffice zu bleiben. So weit gehen nicht alle Unternehmen, aber das Gebot, die sozialen Kontakte stark einzuschränken, macht aus der Not eine Tugend.
Seit Ausbruch der Coronakrise und jetzt wieder wird ja von allen gefordert, Abstand zu halten, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Social Distancing lautet die Devise. Das ist mit etwas gutem Willen und Vernunft leicht zu machen. Das Distant Socialising will hingegen nicht so recht funktionieren – Telefon und Videokonferenzen sind für das persönliche Gespräch kein tauglicher Ersatz.
Das zeigen erste Erfahrungsberichte von Betroffenen. Je länger die Menschen von zu Hause aus arbeiten, desto mehr erkennen sie, dass ihnen vieles fehlt, was sie im Büroalltag gar nicht mehr bewusst wahrgenommen haben. Ja, sie vermissen sogar das, was ihnen hin und wieder auf die Nerven ging.
Es sind die spontanen Begegnungen auf dem Gang, in der Kaffeeküche, selbst in den Waschräumen, die nicht stattfinden, wenn man im Homeoffice ist. Das häufig belanglose Tratschen ist nicht nur für die seelische Hygiene des Einzelnen wichtig, es ist auch aus Sicht des Unternehmens nicht zu unterschätzen. Oft kommen Mitarbeitern gerade in diesen vermeintlich unproduktiven Arbeitspausen die besten Ideen. Die Coronakrise war für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Crashkurs, wie sich Arbeit anders organisieren lässt. Vorurteile, Mitarbeiter würden nur mehr faulenzen, wurden ebenso als falsch entlarvt wie sich das idealisierte Bild vom gemütlichen Homeoffice in Luft auflöste.
Die Lösung liegt daher künftig nicht im Entweder-oder, sondern im Sowohl-als-auch. Damit beide Seiten möglichst stark vom Homeoffice profitieren, braucht es aber klare Regeln. Auf die sollten sich Politik und Sozialpartner rasch einigen, nicht erst im März 2021.