Wie sich Frauen und Männer im Lockdown verhielten
Die Ausgangssperren hatten unterschiedliche Auswirkungen auf die Geschlechter. Männer erledigten öfter den Einkauf, Frauen telefonierten länger. Für beide wurde der Tag kürzer.
Es war Freitag, der 13., als die Regierung umfassende Einschränkungen ab dem darauffolgenden Montag ankündigte. Wenn alle zu Hause sitzen, machen auch alle das Gleiche? Mitnichten: Männer und Frauen verhielten sich in den darauffolgenden Wochen unterschiedlich, konnten Wissenschafter des Wiener Complexity Science Hub (CSH) in einer Studie feststellen. Telefondaten von 1,2 Millionen Geräten in Österreich – also knapp 15 Prozent der Bevölkerung – wurden dazu in anonymisierter Form analysiert, von Anfang Februar bis Ende Juni. So ließen sich auch Verhaltensänderungen über die Phasen der Krise nachvollziehen. „Wir konnten mehr Unterschiede in den Reaktionen feststellen als zuvor gedacht“, sagt Komplexitätsforscher Stefan Thurner, der mit fünf Kollegen die – noch unveröffentlichte – Studie verfasste.
Dass es Unterschiede im Verhalten von Frauen und Männern gibt, ist lange bekannt. Diese nahmen in Bezug auf Mobilität und Kommunikationsmuster im Lockdown aber massiv zu. Schlafmuster und Tagesrhythmus näherten sich indes einander an. Der Bewegungsradius wurde für beide Geschlechter – wenig überraschend – massiv kleiner. Frauen neigten jedoch dazu, ihre Bewegung deutlich stärker einzuschränken als Männer. Festgestellt wurde etwa, dass in der Zeit Männer öfter den Lebensmitteleinkauf erledigten – was in normalen Zeiten längst nicht der Fall ist.
Nachdem die Ausgangsbeschränkungen Anfang Mai wieder aufgehoben wurden, kehrten Männer auch viel schneller zur Normalität zurück als Frauen. „Bei Frauen dauerte es zum Teil Tage und sogar Wochen länger“, sagt Thurner. Aus den Mobilfunkdaten lassen sich keine direkten Erklärungen ablesen. Vermutet wird jedoch, dass Frauen aufgrund von Kinderbetreuungspflichten – Schulen öffneten ab Mai stufenweise – weiterhin mehr Zeit zu Hause verbrachten. Zudem waren Frauen stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Der Weg zur Arbeit entfiel für sie also. Zudem verweisen die Komplexitätsforscher auf Erhebungen, die zu dem Schluss kommen, dass Frauen Coronaregeln schlichtweg ernster nehmen und sich an die weiterhin aufrechten Aufforderungen, soziale Kontakte einzuschränken und mehr zu Hause zu bleiben, stärker hielten. Das zeigte sich etwa auch darin, dass Frauen länger Freizeiteinrichtungen mieden. „Vor der Krise bewegten sich Frauen an Werktagen im Schnitt um 20 Prozent weniger als Männer. Während des Lockdowns waren es bis zu 30 Prozent. Und als der Lockdown aufgehoben wurde, ging der Bewegungsradius von Frauen noch einmal zurück.“
Insgesamt stieg die Telefoniezeit bei beiden Geschlechtern drastisch an. Interessanterweise gab es aber eine Verringerung der Anzahl der Anrufe. Sie sank um 15 Prozent. „Man redete länger, aber mit weniger Leuten“, erklärt Thurner. Spannend waren auch die drei Tage zwischen der Ankündigung und dem Beginn des Lockdowns. „Wir sehen da die starke Nervosität, die bei Männern und Frauen gleich war. Man telefonierte sehr viel, sprach sich im Familien- und Freundeskreis ab. Danach ging die Zahl der Anrufe wieder stark zurück.“Vor und nach der Krise war das Telefonieverhalten von Frauen und Männern relativ ähnlich. Das gängige Vorurteil von weiblichen Plaudertaschen stimmt also nicht. Im Lockdown nahmen aber vor allem Gespräche zwischen Frauen massiv zu. „Da hatten wir einen Zuwachs von 100 Prozent. Bei Männern, die mit anderen Männern telefonieren, waren es nur 15 Prozent mehr“, sagt der Komplexitätsforscher. Frauen führten in der Krise tendenziell weniger, dafür aber viel längere Telefonate.
Der Tag wurde indes für beide Geschlechter kürzer – und die Nacht länger: „Wie es scheint, haben wir im Lockdown mehr geschlafen. Der Tag ist im Schnitt um 53 Minuten kürzer geworden“, sagt Thurner. Das sei auch bemerkenswert, weil der Trend gegen die planetare Zeit erfolgte.
„Fanden mehr Unterschiede als gedacht.“
Stefan Thurner, Komplexitätsforscher