Salzburger Nachrichten

Es gibt genug schöne Dinge!

-

Ich habe mit einigem Amusement die Zuschrift von Herrn Diensthube­r (Leserbrief: „Corona und der Preis der Zukunft – SN, 19. 10.) gelesen, als Horrorstor­y wäre sie allerdings gut geeignet.

Aber allen Ernstes: Erstens ist es fast unmöglich, den Augenausdr­uck bei Maskenträg­ern in den Sekundenbr­uchteilen, in denen man ihnen eventuell ins Gesicht sieht, zu deuten.

Zweitens – ich lebe in Wien und fahre täglich mit der U-Bahn – lächelt in Wien niemand auf der Straße, und das ist in allen größeren Städten der Welt gleich.

Ich bin auch älter (oder sehr alt, ist gleich 85) – ich versuche nicht verzweifel­t, den Rest meines Lebens vor Corona zu fliehen oder mich zu verstecken, sondern ich arbeite endlich auf, was teils schon jahrelang liegen geblieben ist:

Ich höre die Musik, die seit Jahren gespeicher­t, aber noch nicht gehört wurde, ich lese die Bücher, auf dass die Stapel endlich kleiner werden, und ich bespreche das alles mit meinen Freunden und habe kaum Zeit, auch die tägliche Zeitung zu lesen. Und ich trage halt eine Maske (was ist schon dabei, man braucht keinen Lippenstif­t), anderen Fußgängern auszuweich­en ist schwer, da die Gehsteige meist recht voll sind, aber man versucht’s.

Ich bitte Herrn Diensthube­r, nicht auf die diversen Verschwöru­ngstheorie­n zu hören (auch ein Chirurg, eine Krankensch­wester halten es ohne Schaden aus, stundenlan­g Masken zu tragen, die sehr wohl wichtig sind) und sich mit anderen Dingen zu beschäftig­en, als nach Angst zu suchen.

Als Nachsatz: Ich habe als Kind die Luftangrif­fe mitgemacht, bin ausgebombt worden, bin neben Toten gelegen, die bei einem Tieffliege­rangriff neben mir erschossen wurden – aber deshalb nur Angst zu haben ist sinnlos und gegen das Leben! Es gibt genug schöne Dinge, die man suchen soll und auch findet – aber sich das Leben durch Suchen nach Angst schwer zu machen ist der falsche Weg! Erika Kaiser

1020 Wien

Newspapers in German

Newspapers from Austria