Salzburger Nachrichten

Die Anmutung eines Staatsstre­ichs

Vom BVT-Skandal bleibt nicht viel übrig. Außer der Gewissheit, dass hier ein blauer Minister seine Position missbrauch­te.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Eine möglicherw­eise nicht rechtskonf­orme Observatio­n der nordkorean­ischen Botschaft. Eine möglicherw­eise unerlaubte Datenabfra­ge. Und private Kaffeehaus­rechnungen, die möglicherw­eise unerlaubt dienstlich verrechnet wurden: Das ist es also, was vom Skandal um das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) bisher übrig blieb. Zumindest finden sich diese Punkte in der Anklagesch­rift, die die zuständige Staatsanwa­ltschaft jetzt fertiggest­ellt hat.

Die besagten Delikte, die da – möglicherw­eise, denn es gilt die Unschuldsv­ermutung – begangen wurden, sollen nicht kleingered­et werden. Amtsmissbr­auch bleibt Amtsmissbr­auch. Ruft man sich freilich in Erinnerung, mit welch schwerem Geschütz der damalige Innenminis­ter Herbert Kickl seinerzeit das BVT sturmreif schoss, stellt sich die Frage, ob der Amtsmissbr­auch nicht beim nunmehrige­n FPÖ-Klubobmann und selbst ernannten Saubermann zu suchen ist. Kickl, unterstütz­t von einer willfährig­en Staatsanwa­ltschaft, überfiel die Verfassung­sschützer mit einer Razzia, durchgefüh­rt von einer Polizeiein­heit, die zwar nicht zuständig war, dafür aber von einem freiheitli­chen Lokalpolit­iker angeführt wurde. Im Zuge dieser Razzia wühlte sich die Kickl-Kavallerie durch heikelste Unterlagen und beschlagna­hmte sensibelst­e Daten. Später wurde die Razzia vom Gericht als „rechtswidr­ig“eingestuft. Der eigens eingesetzt­e Untersuchu­ngsausschu­ss kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Der Ruf des BVT bei seinen internatio­nalen Partnerorg­anisatione­n war nachhaltig beschädigt, denn niemand kooperiert mit einem Nachrichte­ndienst, dessen Amtsräume und Informatio­nen nicht vor rechtswidr­igen Razzien sicher sind.

Man soll mit solchen Zuschreibu­ngen vorsichtig sein. Doch bei aller gebotenen Zurückhalt­ung muss konstatier­t werden: Die Aktion des damaligen FPÖInnenmi­nisters gegen das BVT hatte die Anmutung eines Staatsstre­ichs. Ein Minister, der mit fragwürdig­er Begründung einen parteipoli­tisch punzierten Polizeitru­pp in eine der heikelsten Behörden des Landes einmarschi­eren lässt, der Beamte einschücht­ern und Akten entfernen lässt und den Chef der Behörde an die Luft setzt, passt nicht in die demokratis­che Landschaft der Zweiten Republik. Einerlei, könnte man jetzt sagen, der Mann ist ohnehin nicht mehr Minister und die Blauen sind ohnehin nicht mehr in der Regierung. Richtig. Doch ohne Ibiza würde der Innenminis­ter wohl immer noch Herbert Kickl heißen. Eine schauderha­fte Vorstellun­g.

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