Das Ende einer großen Freundschaft?
Der Nahe Osten blickt gespannt auf die Wahl in den USA. Vor allem für den Kronprinzen von Saudi-Arabien wäre ein Machtwechsel schlecht.
Es war während des Vorwahlkampfs der Demokraten im vergangenen Jahr, als Joe Biden seine Überzeugung äußerte, dass der saudische Journalist Jamal Khashoggi „im Auftrag des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman ermordet wurde“. Im Falle seiner Wahl, fügte Biden warnend hinzu, „werde ich ihn den Preis dafür bezahlen lassen“. MBS, wie der Kronprinz kurz genannt wird, werde ein Aussätziger. Als Paria hat Biden den jungen Saudi seither nicht mehr bezeichnet. Der Ton gegenüber Riad blieb jedoch hart. Mehrfach stellte er klar, er werde, im Gegensatz zu Donald Trump, „seine Werte nicht an der Garderobe abgeben, um Waffen zu verkaufen“.
Für den saudischen Kronprinzen wäre die Abwahl von Trump „ein katastrophaler Rückschlag für seine
Ambitionen, als König von SaudiArabien den Nahen Osten nach seinen Vorstellungen zu dominieren“, betont der Chefkommentator des Nahost-Portals „Middle East Eye“, Peter Oborne. Biden würde solchen Plänen „einen Riegel vorschieben“.
Im Gegensatz zu Trump, der die amerikanische Außenpolitik häufig auf persönliche Geschäfte reduziert habe, dürfte ein demokratischer Wahlsieger das saudische Königshaus auch zwingen, den Krieg im Jemen zu beenden, meint der an der James-Madison-Universität lehrende Politologe Bernd Kaussler. Das bedeute aber nicht zwangsläufig, dass die USA unter Biden ihren wichtigsten Kunden für militärische Ausrüstung aufgeben würden.
Er werde, wie Biden es selbst ausdrückte, die Geschäftsbeziehungen mit Riad aber „neu bewerten“. Davon geht auch Kirstin Fontenrose aus, die ehemalige Direktorin für Golf-Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat der Trump-Administration. „Alle Führer, die enge Beziehungen zum amtierenden Präsidenten unterhalten, werden sich bei einem Sieg von Biden warm anziehen müssen“, sagte die Nahostexpertin gegenüber der „Financial Times“. Das gelte nicht nur für die Saudis und die Führung der Emirate, sondern auch für Ägypten sowie den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan. Die Verlegung der größten US-Militärbasis in der Region von Katar nach Abu Dhabi etwa, um die sich Lobbyisten der Emirate bemüht hatten, dürfte für eine Biden-Administration nicht infrage kommen. Ein solcher Schritt würde Katar weiter in die Arme der Türkei und des Iran treiben.
Ohne es laut zu sagen, ist das Regime in Teheran das einzige im Nahen und Mittleren Osten, das auf einen Machtwechsel in Washington hofft. Biden hat sich während seines Wahlkampfs mehrfach für eine Rückkehr der USA zu dem von Trump gekündigten Atomdeal mit dem Iran ausgesprochen – vorausgesetzt, das Land hält sich an die Auflagen des Abkommens.
Eine Wiederbelebung des Atomabkommens dürfte aber auch unter einer Biden-Administration schwierig werden. Der Deal habe Präsident Hassan Rohani und den moderaten Kräften im Iran Unterstützung gebracht, seit dem Ausstieg der USA hätten die Hardliner im Land aber wieder an Gewicht gewonnen, so gibt der an der Universität Sankt Gallen unterrichtende Nahost-Experte Andreas Böhm zu bedenken. Zudem sei Vertrauen zerstört worden, das zuvor in den Verhandlungen zu dem Abkommen mühsam erarbeitet wurde. „Das wurde zwar durch die Person Trump zerstört, aber letztlich ist dies dem ganzen Land zuzurechnen“, sagt Böhm. Trump habe jegliche Brücken zum Iran abgebrochen und für Biden werde die Zeit knapp, diese wiederaufzubauen. Denn im Juni 2021 wird im Iran ein neuer Präsident gewählt – und das wird mit ziemlicher Sicherheit ein Hardliner.
Wie gegenüber dem Iran hat Trump auch mit seiner Israel-Politik Fakten geschaffen, die nicht so leicht revidiert werden können. Dazu zählt die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, die er 2019 über die Bühne gehen ließ. Dazu zählen aber auch die Friedensabkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Bahrain, die von der Trump-Administration vollendet wurden. Ein Präsident Biden würde das nicht rückgängig machen können – und auch nicht wollen. Die Friedensverträge hat Biden sogar ausdrücklich gelobt.
Wie seine Vorgänger würde Biden versuchen, den Fokus vom Nahen und Mittleren Osten Richtung China zu verschieben, meint Böhm. Die Probleme in der Region blieben zudem unabhängig vom zukünftigen US-Präsidenten bestehen: die Abwanderung junger Menschen etwa, bedingt durch soziale und wirtschaftliche Ungleichheit.