Flexibilität hat sich in Verzweiflung verwandelt
Obwohl Kulturveranstalter aufwendige Präventionskonzepte erstellt und eingehalten haben, werden sie gesperrt.
Üblicherweise beginnt Mario Steidl in diesen Tagen den späten Sommer des kommenden Jahres zu planen. Da findet das Jazzfestival Saalfelden statt, eine der weitum wichtigsten Kulturveranstaltungen. Noch weiß wegen Corona niemand, was nächstes Jahr sein wird. Aber nicht deshalb plant er noch nichts. Er hat keine Zeit. „Ich kann mit guten Gewissen nicht einmal ein Programm für den Dezember machen“, sagt Steidl über das Saalfeldener Kunsthaus Nexus, das er leitet. Das Veranstaltungsverbot, das seit einer Woche in vier Salzburger Bezirken in Kraft ist, brachte alles durcheinander. Es passiere „alles nur mehr kurzfristig“. Als Kulturmacher lässt sich so nicht arbeiten.
Das Verbot sei „überfallsartig“gekommen, bestätigt Heinz Kaiser vom Kulturverein Schloss Goldegg. Er sei empört. Es gab keine offizielle Verständigung, keine Angabe von Gründen. Dabei habe es in der Kulturabteilung des Landes vor ein paar Wochen noch geheißen, dass für Kulturveranstaltungen andere Kriterien gälten als für Kirchen oder Gastronomie. „Bei uns sitzen alle, und alle schauen in die gleiche Richtung.“Da müsste man auch das Zugfahren absagen, sagt Kaiser, der irgendwie „immer noch nicht glauben kann“, was da passiert sei.
„Wir machen alles doppelt und dreifach“, sagt Steidl. Man warte jeden Tag ja nur mehr, was per Tickermeldung an neuen Verordnungen und Änderungen daherkomme. Das sei „nervenaufreibend und raubt die Energie“. Was da „an politischen Entscheidungen getroffen wird und im Moment die Kultur auf dem Land lahmlegt, ist lächerlich“. Es laufe in der Kultur unter den gegebenen Voraussetzungen „alles sicher“. Jeder Abstand, jeder Sitzplatz im Nexus sei mit der Bezirkshauptmannschaft abgesprochen. Es gibt keine Ansteckungen. „Ich habe nicht das Gefühl, dass irgendein Politiker in letzter Zeit bei einer
Kulturveranstaltung war.“Anders könne er sich „dieses Messen mit zweierlei Maß“nicht erklären.
Alle von Kulturveranstaltern getroffenen Maßnahmen aber zählen „offenbar nichts“, kritisiert Heinz Kaiser. Es werde – zuletzt in der Pressestunde von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) – immer „in allgemeiner Umschreibung“von Veranstaltungen geredet und „alles in einen Topf geworfen“.
Leo Fellinger von der KunstBox in Seekirchen sieht das ähnlich. „Es wird alles über einen Kamm geschoren, jede Differenzierung fehlt.“Aber es sei ein Unterschied zwischen Feuerwehrfest oder Party und einer „Lesung oder einem Konzert in einem klar definierten Raum“, in dem alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen würden. Sein Pinzgauer Kollege Steidl wird das Gefühl nicht los, „dass da schon fast eine Bestrafung erfolgt“. Es geht darum, dass unter Veranstaltungsverbot einfach alles zusammengeworfen wird.
„Es fühlt sich an, als wollte man den subkulturellen Bereich abschaffen“, sagt Mario Steidl. Und Fellinger stellt fest: Es sei unlogisch und unerklärlich, dass Leute dann „die paar Kilometer in die Stadt
Salzburg fahren und sich dort etwas anschauen können.“
Trotzdem: „Wir wollen nicht aufgeben“, versichert Leo Fellinger, „immerhin bekommen wir öffentliches Geld und können nicht einfach sagen: Das war’s.“Auch in Goldegg will „niemand zusperren“. Aber längst sei aus der Flexibilität pure Verzweiflung geworden – nicht nur für die Veranstalter, sondern auch für Künstler und Künstlerinnen.
„Das alles ist eine emotionale Belastung“, sagt Heinz Kaiser. Dazu kommt Verunsicherung beim Publikum. „Die Leute reservieren immer noch Karten für Veranstaltungen, die wir jetzt wieder absagen müssen“sagt Leo Fellinger. „Es ist ein großes Durcheinander.“Mario Steidl kommt zur bitteren Erkenntnis: „Bevor es so dahingeht mit dauernd neuen Bestimmungen, die Verwirrung stiften, wär’s gescheiter, es gäbe ein komplettes Verbot.“
„Das Verbot ist überfallsartig gekommen.“
Heinz Kaiser, Schloss Goldegg