Ja, das schaffen wir: Große Pläne in Zeiten der Bescheidenheit
Den Winter gut zu überstehen, ist nicht genug. Greifen wir nach den Sternen.
Schneller, gehetzter, kurzfristiger: Diese Tendenzen sind im Wirtschaftsleben seit vielen Jahren feststellbar: Die durchschnittliche Behaltedauer von Wertpapieren waren einst Jahre, heute sind es Monate. Mitarbeiter bis hinauf zu den Geschäftsführern verbleiben weniger lang an einer Arbeitsstelle als früher. Verträge werden für kürzere Fristen abgeschlossen. Man hetzt von Quartalsbericht zu Quartalsbericht. Sofortige Belohnung scheint das Mantra der Zeit geworden zu sein. Geduld und Ausdauer sind dem modernen Menschen, der alle paar Minuten seine Nachrichten am Smartphone checkt, gründlich abhandengekommen.
Die Coronakrise hat das Denken noch einmal kurzfristiger gemacht: Die Zeitspanne, in der gedacht wird, erstreckt sich bestenfalls auf wenige Monate. „Hauptsache, wir überstehen den Winter heil.“Die Gegenwart der Krise, ihre Sorgen und Belastungen dominieren und pressen die Menschen, ob Unternehmer, Manager,
Mitarbeiter oder Politiker, ins Jetzt. Hinzu kommt: Mit dem Schrumpfen des sozialen Radius, weil man direkte physische Kontakte meiden soll, wird das eigene Denken noch einmal zaghafter und kleiner. Doch der Mensch braucht große Pläne und Aufgaben, um voranzukommen und glücklich zu sein. Unternehmen brauchen Zukunftsvisionen, damit ein Wir-Gefühl, Zusammenhalt und Sinn entstehen können. Wer es sich abgewöhnt, groß in die Zukunft zu denken, wird tatsächlich klein.
Wie könnte man also der Kleinheitsfalle entkommen? Der erste Schritt ist, sich große Ziele für die nächsten Jahre zu setzen, die klar über das Kurzfristdenken hinausgehen. Warum nicht die Mitarbeiterzufriedenheit im Unternehmen verdoppeln? Oder die digitalen Verkäufe auf 50 Prozent des Gesamtumsatzes erhöhen? Den CO2-Fußabdruck des Unternehmens nicht nur verringern, sondern auch die Mitarbeiter in einem klimafreundlichen privaten Lebensstil schulen. In der Gemeinde 200 Senioren computerfit machen. In der Landwirtschaft mit 30 Hofübernehmern einer Region eine Vision entwickeln, wie sie künftig ein gutes Einkommen erwirtschaften können, ohne nur rackern zu müssen.
Der zweite Schritt besteht darin, sich neue Wege zu überlegen, die ambitionierten Ziele tatsächlich zu erreichen, etwa neue Geschäftsmodelle auszutüfteln, Partner zu suchen und digitale Technologien intelligent zu nutzen.
Die Welt, in der wir nach der Bewältigung der Krise aufwachen werden, wird nicht nur eine andere sein als jene, nach der wir uns jetzt in der Verklärung der Vor-Corona-Zeit zurücksehnen. Sie soll auch eine andere sein.