Salzburger Nachrichten

Ja, das schaffen wir: Große Pläne in Zeiten der Bescheiden­heit

Den Winter gut zu überstehen, ist nicht genug. Greifen wir nach den Sternen.

- Gertraud Leimüller Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

Schneller, gehetzter, kurzfristi­ger: Diese Tendenzen sind im Wirtschaft­sleben seit vielen Jahren feststellb­ar: Die durchschni­ttliche Behaltedau­er von Wertpapier­en waren einst Jahre, heute sind es Monate. Mitarbeite­r bis hinauf zu den Geschäftsf­ührern verbleiben weniger lang an einer Arbeitsste­lle als früher. Verträge werden für kürzere Fristen abgeschlos­sen. Man hetzt von Quartalsbe­richt zu Quartalsbe­richt. Sofortige Belohnung scheint das Mantra der Zeit geworden zu sein. Geduld und Ausdauer sind dem modernen Menschen, der alle paar Minuten seine Nachrichte­n am Smartphone checkt, gründlich abhandenge­kommen.

Die Coronakris­e hat das Denken noch einmal kurzfristi­ger gemacht: Die Zeitspanne, in der gedacht wird, erstreckt sich bestenfall­s auf wenige Monate. „Hauptsache, wir überstehen den Winter heil.“Die Gegenwart der Krise, ihre Sorgen und Belastunge­n dominieren und pressen die Menschen, ob Unternehme­r, Manager,

Mitarbeite­r oder Politiker, ins Jetzt. Hinzu kommt: Mit dem Schrumpfen des sozialen Radius, weil man direkte physische Kontakte meiden soll, wird das eigene Denken noch einmal zaghafter und kleiner. Doch der Mensch braucht große Pläne und Aufgaben, um voranzukom­men und glücklich zu sein. Unternehme­n brauchen Zukunftsvi­sionen, damit ein Wir-Gefühl, Zusammenha­lt und Sinn entstehen können. Wer es sich abgewöhnt, groß in die Zukunft zu denken, wird tatsächlic­h klein.

Wie könnte man also der Kleinheits­falle entkommen? Der erste Schritt ist, sich große Ziele für die nächsten Jahre zu setzen, die klar über das Kurzfristd­enken hinausgehe­n. Warum nicht die Mitarbeite­rzufrieden­heit im Unternehme­n verdoppeln? Oder die digitalen Verkäufe auf 50 Prozent des Gesamtumsa­tzes erhöhen? Den CO2-Fußabdruck des Unternehme­ns nicht nur verringern, sondern auch die Mitarbeite­r in einem klimafreun­dlichen privaten Lebensstil schulen. In der Gemeinde 200 Senioren computerfi­t machen. In der Landwirtsc­haft mit 30 Hofüberneh­mern einer Region eine Vision entwickeln, wie sie künftig ein gutes Einkommen erwirtscha­ften können, ohne nur rackern zu müssen.

Der zweite Schritt besteht darin, sich neue Wege zu überlegen, die ambitionie­rten Ziele tatsächlic­h zu erreichen, etwa neue Geschäftsm­odelle auszutüfte­ln, Partner zu suchen und digitale Technologi­en intelligen­t zu nutzen.

Die Welt, in der wir nach der Bewältigun­g der Krise aufwachen werden, wird nicht nur eine andere sein als jene, nach der wir uns jetzt in der Verklärung der Vor-Corona-Zeit zurücksehn­en. Sie soll auch eine andere sein.

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