Salzburger Nachrichten

Ein „Lockdown light“soll die Pandemie eindämmen

Da die Zahlen rasant steigen und sich die Lage in den Spitälern gefährlich zuspitzt, dürfte die Regierung die Maßnahmen gegen Corona deutlich verschärfe­n.

- ANDREAS KOLLER INGE BALDINGER

WIEN. Die Zeichen mehren sich, dass Österreich, ähnlich wie Deutschlan­d, im November das soziale und wirtschaft­liche Leben wieder deutlich herunterfä­hrt. In Regierungs­kreisen will niemand von einem neuen Lockdown sprechen, wie ihn Österreich im Frühling dieses Jahres erlebte. Es könnte aber ein „lockdownäh­nlicher

Zustand“sein, hörten die SN. Österreich könnte sich an Deutschlan­d orientiere­n, wo am Mittwoch neue Maßnahmen beschlosse­n wurden: So soll im gesamten deutschen Bundesgebi­et im November die Gastronomi­e geschlosse­n bleiben. Kontakte in der Öffentlich­keit sowie Feiern im Freien und in Wohnungen werden stark eingeschrä­nkt. Offen bleiben sollen nur Schulen und Kindergärt­en, der Handel sowie Friseurges­chäfte. Profisport soll nur noch ohne Zuseher stattfinde­n. Kulturvera­nstaltunge­n müssen abgesagt werden.

Welche Restriktio­nen in Österreich umgesetzt werden, dürfte die Bundesregi­erung in den kommenden Tagen bekannt geben. Grund für die neuen Restriktio­nen ist die angespannt­e Lage in den Spitälern, wo teilweise bereits nicht lebenswich­tige Operatione­n verschoben werden. Die Regierung fürchtet, dass ohne energische­s Gegensteue­rn die Lage außer Kontrolle gerät.

Hauptaussc­huss muss zustimmen

WIEN. In Österreich dürften angesichts der hohen Infektions­zahlen und der immer stärker unter Druck kommenden Spitäler weitere Verschärfu­ngen der Coronarest­riktionen bevorstehe­n. In Regierungs­kreisen ist von „lockdownäh­nlichen Maßnahmen“, die gesetzt werden müssten, die Rede.

Die Einschränk­ung des öffentlich­en Lebens werde aber nicht so dramatisch sein wie im Frühjahr, erfuhren die SN. Vielmehr werde Österreich ähnliche Maßnahmen setzen, wie sie in Deutschlan­d ab 2. November gelten sollen. Die haben es freilich in sich. Bund und Länder haben sich am Mittwoch auf harte Einschnitt­e geeinigt, die von der Bundesregi­erung vorgeschla­gen worden waren. Demnach werden Gaststätte­n, Bars, Clubs, Theater, Kinos, Fitnessstu­dios sowie Massage- und Kosmetikst­udios für vier Wochen dicht gemacht. Öffentlich­e Zusammenkü­nfte werden eingeschrä­nkt, Zuschauer in der Bundesliga wieder verboten. Offen bleiben nur Schulen und Kindergärt­en, der Groß- und Einzelhand­el sowie Friseurges­chäfte.

Wann die neuen Maßnahmen verkündet werden, ist offen. Anbieten würde sich ein Termin rund um das kommende Wochenende. Ursache der bevorstehe­nden Verschärfu­ng der Restriktio­nen ist die Lage in den Spitälern. Bei einem weiteren ungebremst­en Anstieg der Coronazahl­en drohen die Betten in relativ kurzer Zeit knapp zu werden. Und auch beim Krankenhau­spersonal, von den Ärzten bis zu den Pflegern, drohen Engpässe. Immer mehr Krankenhäu­ser gehen bereits dazu über, nicht lebensnotw­endige Operatione­n aufzuschie­ben.

Die rechtliche Basis für die bevorstehe­nden „lockdownäh­nlichen Maßnahmen“liefert das novelliert­e Covid-19-Maßnahmeng­esetz, das seit 25. September in Kraft ist. Darin ist geregelt, wann es zu scharfen

Einschränk­ungen kommen kann. In einer ersten Stufe sind Betretungs­beschränku­ngen (von Betriebs- und Arbeitsstä­tten, von „bestimmten“und öffentlich­en Orten) vorgesehen: Sie können dann erlassen werden, wenn dies zur Verhinderu­ng der Verbreitun­g von SARS-CoV-2 erforderli­ch ist, weil andere Maßnahmen nicht mehr ausreichen. Hilft das nichts, können Betretungs­verbote ausgesproc­hen werden (für maximal vier Wochen). Hilft auch das nichts, bleiben als letztes Mittel Ausgangsve­rbote: Möglich sind sie dann, wenn sie „unerlässli­ch“sind, um einen drohenden Zusammenbr­uch der medizinisc­hen Versorgung oder „ähnlich gelagerte Notfälle“zu verhindern. Gelten dürfen Ausgangsve­rbote maximal zehn Tage. Insbesonde­re bei den Verboten bleibt ein relativ großer Interpreta­tionsspiel­raum. Fix ist aber: Die Regierung kann sie nicht allein verfügen. Es muss das Einvernehm­en mit dem

Hauptaussc­huss des Nationalra­ts gesucht werden. Einzige Ausnahme: Gefahr in Verzug. Nur in diesem Fall darf die Zustimmung des Hauptaussc­husses nachträgli­ch eingeholt werden, das spätestens binnen vier Tagen.

Die Adaptierun­g des Covid-19Maßnahme­ngesetzes war unter anderem deshalb notwendig geworden, weil die während des Lockdowns im Frühjahr geltenden Ausgangsbe­schränkung­en im Nachhinein vom Verfassung­sgerichtsh­of aufgehoben worden waren. Zugleich sollte das neue Gesetz eine solidere Basis für die Erlassung von Coronavero­rdnungen bieten. Ob das geklappt hat, dürfte sich nun bald weisen. Für die entspreche­nden Verordnung­en von bundesweit­er Gültigkeit ist jedenfalls das Gesundheit­sministeri­um zuständig.

Dass es in den Bundesländ­ern – und da wieder regional – zu unterschie­dlich starken Restriktio­nen kommen kann (und längst kam), hat das Covid-19-Maßnahmeng­esetz ebenfalls im September klargestel­lt. Die Landesbehö­rden bekamen darin ausdrückli­ch die Möglichkei­t, strengere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen. Sie taten das recht unmittelba­r, man erinnere sich an die Vorverlegu­ng der Sperrstund­e auf 22 Uhr im Westen oder die zügige Einführung der Registrier­ungspflich­t in der Gastronomi­e in Wien; einem Beispiel, dem rasch gefolgt wurde. Genützt haben all die seit September in Kraft getretenen regionalen und bundesweit­en Verschärfu­ngen offenbar nichts, andernfall­s würden die Infektions­zahlen nicht derart rapide steigen.

Noch einmal kurz zurück zu den Coronagese­tzen: Sie lieferten auch

Am Donnerstag wird die Ampel neu geschaltet

die rechtliche Basis für die CoronaAmpe­l. Die Ampelschal­tungen erfolgen jeweils Donnerstag­abend. Zuständig dafür ist die sogenannte Ampelkommi­ssion. Vergangene Woche leuchteten bereits 25 Bezirke in Rot auf. In den Spitälern hat sich die Zahl der Covid-Patienten binnen zwei Wochen mehr als verdoppelt.

 ?? BILD: SN/STOCK.ADOBE ??
BILD: SN/STOCK.ADOBE

Newspapers in German

Newspapers from Austria