Salzburger Festspiele stehen zum strittigen Logo
Die Salzburger Festspiele verwenden seit Jahrzehnten einen politisch bedenklichen Entwurf der Künstlerin Poldi Wojtek.
Ist ein Werk von seiner Künstlerfigur zu trennen? Diese und andere Fragen ließen die Salzburger Festspiele anhand ihres Logos und dessen Urheberin Poldi Wojtek wissenschaftlich untersuchen. Die Künstlerin pflegte enge Verbindungen zum NS-Regime, ihr Vater schenkte Wojtek ein „arisiertes“Haus. Zeithistoriker Oliver Rathkolb fand heraus, dass Poldi Wojteks Entwurf gar nicht siegreich aus dem Wettbewerb hervorging. Intendant Markus Hinterhäuser sprach sich gegen eine Veränderung des Logos aus.
WIEN. „Rhythmisches Empfinden für Farbe und Form“attestiert das Abschlusszeugnis der Wiener Kunstgewerbeschule vom 30. Juni 1926 Leopoldine „Poldi“Wojtek (-Mühlmann). Zwei Jahre später wurde ihr Logo, das eigentlich ein Plakatentwurf war, zur grafischen Signatur der Salzburger Festspiele. Das Zeichen aus antiker Theatermaske, Salzburg-Fahne und Silhouette der Festung Hohensalzburg ist bekannt. Über die Künstlerin dahinter wusste man bisher wenig; und das ist brisant. Schließlich rückte sie erst durch die Verstrickung in der NS-Zeit ins Licht. Das strittige Emblem müsse weg, hieß es immer wieder.
Obwohl Präsidentin Helga RablStadler das Logo als „zeitlos gut“bezeichnet hatte, ließen die Salzburger Festspiele ihre eigene Vergangenheit aufdecken und präsentieren zwei Forschungsprojekte – von Zeithistoriker Oliver Rathkolb und Anita Kern, Uni-Lektorin für Grafikdesigngeschichte. Die Fragen: Was sagt moralische Verfehlung über ein Werk aus? Ist es zu trennen von der Künstlerfigur? Was bedeutet es für eine Veranstaltung, wenn eine Künstlerin Profiteurin des Naziregimes war und sich schamlos ein arisiertes Haus ihrer im Konzentrationslager umgekommenen Kollegin Helene von Taussig vom Vater, der früh NSDAP-Mitglied wurde, schenken hat lassen?
Familienhintergrund bedeute nicht unbedingt politische Gesinnung, betonte Rathkolb in der Pressekonferenz am Mittwoch in Wien. Für Künstlerinnen sei es gerade im regionalen Umfeld schwierig gewesen, Fuß zu fassen. Gefangen in ihrem Zeitgeist im autoritären, männlich geprägten Kunstbetrieb taten sich Frauen im gesellschaftspolitischen Spektrum Österreichs schwer. Offenbar ging es nicht ohne Mentor und Protektion. Poldi Wojtek fand diese Unterstützung mit Kajetan Mühlmann, einem umtriebigen Partner mit besten Kontakten in nationalsozialistische Zirkel, quasi ein Nazi-Influencer, später SS-Führer und Kunsträuber. Wojtek behielt das System der politischen Intervention ihr Leben lang bei und manövrierte sich mit allen Mitteln der Macht skrupellos durchs Leben.
Ihr Werk durchwandert verschiedene Richtungen. Die „gewisse Strenge“und „das Prinzip der Klarheit“habe sie von Josef Hoffmann, wird Poldi Wojtek in einer Festspielpublikation zitiert. Dass sie mit ihrem Entwurf den Wettbewerb gewonnen hatte, dachte man bis vor Kurzem. Oliver Rathkolb fand heraus: Poldi Wojtek war gar nicht die erste Wahl! Ursprünglich gewann Hans Köhler, von dem man die Julius-Raab-Karikatur mit der Reblaus kennt und der ebenfalls Verbindungen zum NS-Regime aufwies. Der Propagandist Mühlmann hat offenbar geschickt Regie geführt für seine spätere Frau.
Der Historiker widerlegt noch einen anderen Mythos: Max Reinhardt saß nicht in der Jury. Über das Sujet entschied die Festspielhaus-Gemeinde, und das in Wien. Dass Max Reinhardt damit einverstanden war, ist dennoch unstrittig; sogar sein Name steht auf dem Plakatentwurf. Anton Kolig sowie Anton Faistauer kannten Wojtek und arbeiteten mit ihr zusammen.
Die Künstlerin selbst sagte einst darüber, warum ihr Logo ausgewählt wurde: Die anderen Einsender hätten allzu salzburgische Motive geliefert. „Meines war nicht so alpin, es war (...) das
„Kein Mensch verbindet ein Logo mit dem Grafiker.“
Anita Kern, Studienautorin
strengste und daher auch das wirksamste und vom Motiv her war es eher neutral.“
„Ein Logo muss Inhalt kommunizieren, Witz, Klarheit oder was immer gefordert ist, transportieren. Kein Mensch verbindet ein Logo mit dem Grafiker“, stellt Studienautorin Anita Kern fest. Das Plakat sei „ein zeittypisches grafisches Produkt, das wohl noch unter dem Einfluss der Ausbildung entstand.“Rathkolb ergänzt: „Wir müssen uns vom Geniebegriff aus dem 19. Jahrhundert lösen.“Wichtig sei zwar, wer hinter diese Ästhetik stehe, doch letztlich sollte es um das Werk gehen.
„Dieses Logo kommuniziert nichts über den Nationalsozialismus. Ich würde im jetzigen Moment meiner Kenntnis keine Veränderung oder Abschaffung befürworten“, sagte Intendant Markus Hinterhäuser. Die Debatte und das im Jubiläumsjahr geplante Symposium „Kunst und Gesinnung“sind längst fällig.