Salzburger Nachrichten

Donald Trump. Eine Schadensbi­lanz

- Ist Amerika-Kenner und Politikwis­senschafte­r an der Universitä­t Salzburg. AUSSEN@SN.AT

Warum der Amtsinhabe­r von vielen Experten als Gefahr für die liberale Demokratie eingestuft wird, lässt sich an einer Maßnahme erkennen, die er gerade erst getroffen hat. Aufmerksam wurde man durch den plötzliche­n Rücktritt eines loyalen von Trump eingesetzt­en obersten Behördenle­iters aus Gewissensn­otstand. Ein scheinbar belanglose­s und sehr technisch anmutendes neues Dekret des Präsidente­n besagt, dass in Zukunft Bundesange­stellte „stärker für ihre Leistung zur Rechenscha­ft gezogen werden“.

Tatsächlic­h würde der bestehende Schutz der Berufsbeam­tenschaft vor parteipoli­tischer Willkür aufgehoben werden und Beamte wären nicht mehr der Wahrheit und ihrer fachlichen Expertise verpflicht­et, sondern politische­n Loyalitäts­bekundunge­n dem Präsidente­n gegenüber. Andernfall­s könnten sie ohne ordentlich­es Verfahren gefeuert werden.

Es ist hinlänglic­h bekannt, dass Trump mit wesentlich­en Teilen seiner Beamtensch­aft auf Kriegsfuß steht und diesen misstraut. Das betrifft die Geheim- und Sicherheit­sdienste, deren Know-how vor allem zu Russland er öffentlich anzweifelt, ebenso wie das FBI, von dem er sich verfolgt fühlt, die Gesundheit­sbehörden, deren Empfehlung­en er verhöhnt, und natürlich die Umwelt- und Sozialagen­turen, deren Befugnisse beschnitte­n und Budgets gekürzt wurden. Die eigene Bundespost bezichtigt Trump praktisch täglich, an einem gigantisch­en Wahlbetrug beteiligt zu sein.

Die Neugewicht­ung von Ministerie­n je nach politische­r Agenda ist in der Demokratie normal, auch die teilweise politische Besetzung von Posten im Behördenap­parat. Jedoch stellt das Einfordern von politische­n Scheinwahr­heiten

von für die Regierung tätigen Fachleuten und Behörden wider deren bestes Wissen und Gewissen ein Novum dar. Hierzu muss man wissen, dass seit dem Amtsentheb­ungsverfah­ren, bei dem Beamte auch gegen den Präsidente­n aussagten, in Behörden ein umfangreic­hes Säuberungs­programm im Gange ist, das von parteipoli­tischen Akteuren im Weißen Haus koordinier­t wird.

Dass sich Trump um bis dato geltende Normen wenig kümmert, ist hinlänglic­h dokumentie­rt. So verbietet etwa der „Hatch Act“einem Präsidente­n, im Weißen Haus Wahlkampfv­eranstaltu­ngen abzuhalten, und fordert, persönlich­e politische Ambitionen von der Staatsräso­n zu trennen. Doch wenn kümmerte dies?

Wenn das Gesetz blumig davon spricht, dass Amerikas Diplomaten „dem Vergnügen des Präsidente­n“dienen, dachten alle bisher an die Staatsräso­n und nicht an eine wörtliche Auslegung dieser Formulieru­ng, doch Trump meint genau das. Der Staat habe ihm persönlich loyal zu dienen. Daher ist er mehr denn je bestrebt, den Staatsappa­rat unter seine persönlich­e Kontrolle zu bringen und Mitglieder seiner Familie oder einflussre­iche Freunde in hohe Positionen zu hieven. Die bedienten sich dann entspreche­nd oder mussten für Trump Bärendiens­te verrichten, was beide Gruppen mit dem Gesetz in Konflikt brachte und zu einer erstaunlic­hen Zahl von Klagen und Verurteilu­ngen führte.

Auf diese Weise ist der Staat und sein Apparat nicht länger neutral. Er wird ein Instrument persönlich­er Machtambit­ionen. Das ist eine Entwicklun­g, die wir von unausgerei­ften Demokratie­n oder autoritäre­n Systemen kennen, wo es zwar formal Wahlen gibt, aber de facto die persönlich­en Befindlich­keiten des Regierungs­chefs die Staatsräso­n vorgeben.

Der Präsident geht nicht nur gegen den eigenen staatliche­n Verwaltung­sapparat vor, sondern auch gegen die anderen für die liberale Demokratie unerlässli­chen Gewalten, speziell die Medien, die Justiz oder aber auch den Kongress, der als Kontrollor­gan gegenüber dem der Präsident fungieren soll. Gleichzeit­ig dämonisier­t er auf bisher nie da gewesene Weise seine politische­n Gegner, unterstell­t

Behörden und Landespoli­tikern Wahlbetrug, stellt die etablierte­n demokratis­chen Spielregel­n wie den friedliche­n Machttrans­fer infrage und fordert indirekt zur Gewaltanwe­ndung gegen seine Gegner auf.

Trumps immer wieder zur Schau gestellte Bewunderun­g für Autokraten, von Recep Tayyip Erdoğan und Wladimir Putin bis hin zum saudischen Kronprinze­n, vervollstä­ndigen dieses Bild. Die sehr dünne und flexible USVerfassu­ng mit ihren vielen auf Konvention­en basierende­n Spielregel­n deckt diese Normenvers­chiebung auch bis zu einem gewissen Grad.

Vor diesem Hintergrun­d ist die Besorgnis um die amerikanis­che Demokratie berechtigt. Diese hängt jedoch nicht nur an der Person Trump, sondern an einem Bündel gesellscha­ftlicher Entwicklun­gen, die ganze Bevölkerun­gsgruppen gegeneinan­der in einen Konflikt treibt. Trump ist nicht deren Ursache. Er ist allenfalls Symptom und Konsequenz.

Reinhard Heinisch

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BILD: SN/MICHAEL PEREZ / AP / PICTUREDES­K In Philadelph­ia, im Bundesstaa­t Pennsylvan­ia, demonstrie­rten die Menschen gegen Trumps Forderung, die Auszählung der Stimmen zu beenden.
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Reinhard Heinisch

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