Donald Trump. Eine Schadensbilanz
Warum der Amtsinhaber von vielen Experten als Gefahr für die liberale Demokratie eingestuft wird, lässt sich an einer Maßnahme erkennen, die er gerade erst getroffen hat. Aufmerksam wurde man durch den plötzlichen Rücktritt eines loyalen von Trump eingesetzten obersten Behördenleiters aus Gewissensnotstand. Ein scheinbar belangloses und sehr technisch anmutendes neues Dekret des Präsidenten besagt, dass in Zukunft Bundesangestellte „stärker für ihre Leistung zur Rechenschaft gezogen werden“.
Tatsächlich würde der bestehende Schutz der Berufsbeamtenschaft vor parteipolitischer Willkür aufgehoben werden und Beamte wären nicht mehr der Wahrheit und ihrer fachlichen Expertise verpflichtet, sondern politischen Loyalitätsbekundungen dem Präsidenten gegenüber. Andernfalls könnten sie ohne ordentliches Verfahren gefeuert werden.
Es ist hinlänglich bekannt, dass Trump mit wesentlichen Teilen seiner Beamtenschaft auf Kriegsfuß steht und diesen misstraut. Das betrifft die Geheim- und Sicherheitsdienste, deren Know-how vor allem zu Russland er öffentlich anzweifelt, ebenso wie das FBI, von dem er sich verfolgt fühlt, die Gesundheitsbehörden, deren Empfehlungen er verhöhnt, und natürlich die Umwelt- und Sozialagenturen, deren Befugnisse beschnitten und Budgets gekürzt wurden. Die eigene Bundespost bezichtigt Trump praktisch täglich, an einem gigantischen Wahlbetrug beteiligt zu sein.
Die Neugewichtung von Ministerien je nach politischer Agenda ist in der Demokratie normal, auch die teilweise politische Besetzung von Posten im Behördenapparat. Jedoch stellt das Einfordern von politischen Scheinwahrheiten
von für die Regierung tätigen Fachleuten und Behörden wider deren bestes Wissen und Gewissen ein Novum dar. Hierzu muss man wissen, dass seit dem Amtsenthebungsverfahren, bei dem Beamte auch gegen den Präsidenten aussagten, in Behörden ein umfangreiches Säuberungsprogramm im Gange ist, das von parteipolitischen Akteuren im Weißen Haus koordiniert wird.
Dass sich Trump um bis dato geltende Normen wenig kümmert, ist hinlänglich dokumentiert. So verbietet etwa der „Hatch Act“einem Präsidenten, im Weißen Haus Wahlkampfveranstaltungen abzuhalten, und fordert, persönliche politische Ambitionen von der Staatsräson zu trennen. Doch wenn kümmerte dies?
Wenn das Gesetz blumig davon spricht, dass Amerikas Diplomaten „dem Vergnügen des Präsidenten“dienen, dachten alle bisher an die Staatsräson und nicht an eine wörtliche Auslegung dieser Formulierung, doch Trump meint genau das. Der Staat habe ihm persönlich loyal zu dienen. Daher ist er mehr denn je bestrebt, den Staatsapparat unter seine persönliche Kontrolle zu bringen und Mitglieder seiner Familie oder einflussreiche Freunde in hohe Positionen zu hieven. Die bedienten sich dann entsprechend oder mussten für Trump Bärendienste verrichten, was beide Gruppen mit dem Gesetz in Konflikt brachte und zu einer erstaunlichen Zahl von Klagen und Verurteilungen führte.
Auf diese Weise ist der Staat und sein Apparat nicht länger neutral. Er wird ein Instrument persönlicher Machtambitionen. Das ist eine Entwicklung, die wir von unausgereiften Demokratien oder autoritären Systemen kennen, wo es zwar formal Wahlen gibt, aber de facto die persönlichen Befindlichkeiten des Regierungschefs die Staatsräson vorgeben.
Der Präsident geht nicht nur gegen den eigenen staatlichen Verwaltungsapparat vor, sondern auch gegen die anderen für die liberale Demokratie unerlässlichen Gewalten, speziell die Medien, die Justiz oder aber auch den Kongress, der als Kontrollorgan gegenüber dem der Präsident fungieren soll. Gleichzeitig dämonisiert er auf bisher nie da gewesene Weise seine politischen Gegner, unterstellt
Behörden und Landespolitikern Wahlbetrug, stellt die etablierten demokratischen Spielregeln wie den friedlichen Machttransfer infrage und fordert indirekt zur Gewaltanwendung gegen seine Gegner auf.
Trumps immer wieder zur Schau gestellte Bewunderung für Autokraten, von Recep Tayyip Erdoğan und Wladimir Putin bis hin zum saudischen Kronprinzen, vervollständigen dieses Bild. Die sehr dünne und flexible USVerfassung mit ihren vielen auf Konventionen basierenden Spielregeln deckt diese Normenverschiebung auch bis zu einem gewissen Grad.
Vor diesem Hintergrund ist die Besorgnis um die amerikanische Demokratie berechtigt. Diese hängt jedoch nicht nur an der Person Trump, sondern an einem Bündel gesellschaftlicher Entwicklungen, die ganze Bevölkerungsgruppen gegeneinander in einen Konflikt treibt. Trump ist nicht deren Ursache. Er ist allenfalls Symptom und Konsequenz.
Reinhard Heinisch