Salzburger Nachrichten

Kultusamt greift durch Polizei sperrt Moscheen

- Gs

WIEN, KARLSRUHE. Die Verbindung­en des Terroratte­ntäters von Wien zu radikalisl­amischen Kreisen nach Deutschlan­d führten am Freitag zu vier Hausdurchs­uchungen in Norddeutsc­hland sowie indirekt zu personelle­n Konsequenz­en bei der Wiener Polizei. Der langjährig­e Chef des Landesamts für Verfasssun­gschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (LVT), Erich Zwettler (55), wurde abberufen – er habe um Ruhendstel­lung seiner Funktion gebeten, sagte Polizeiprä­sident Gerhard Pürstl am Nachmittag. Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) ließ aber keinen Zweifel daran, dass das Ministeriu­m auf personelle­n Konsequenz­en bestand. Er sprach von „offensicht­lichen und aus unserer Sicht nicht tolerierba­ren Fehlern in der Ermittlung“.

Zuvor war bekannt geworden, dass sich der 20-jährige spätere Attentäter in Wien im Sommer mit zwei in Deutschlan­d lebenden Islamisten getroffen hatte und die Polizei darüber Bescheid wusste. Denn die Besucher sind in Deutschlan­d als Gefährder eingestuft und werden vom dortigen Verfassung­sschutz beobachtet. Aus diesem alarmieren­den Umstand wurden aber ebenso wenig schnell Konsequenz­en gezogen wie nach der Informatio­n über den versuchten Munitionsk­auf durch den späteren Attentäter in der Slowakei. Beide Vorgänge waren im Juli 2020. In Verbindung beider Informatio­nen hätte dies spätestens Ende Oktober zu einer anderen Bewertung des auf Bewährung freien 20-Jährigen führen können oder müssen, sagte Pürstl. Mit anderen Worten: Wäre auch die Justiz informiert worden, hätte der junge Mann, ein Österreich­er mit nordmazedo­nischer Doppelstaa­tsbürgersc­haft und Gemeindewo­hnung in Wien-Donaustadt, wieder verhaftet werden können.

Zwettler, der bis 2009 im Bundeskrim­inalamt die Abteilung zur Ermittlung gegen organisier­te Kriminalit­ät leitete, wolle einer Aufarbeitu­ng des Falls nicht im Weg stehen, sagte Pürstl. Die interimist­ische Führung des Wiener Verfassung­sschutzes übernimmt der Leiter des steirische­n LVT, Rupert Meixner.

Minister Nehammer kündigte weitere personelle Konsequenz­en bei den für Gefährdera­nalysen zuständige­n Abteilunge­n an. Zudem habe er eine Neubewertu­ng aller Gefährdera­nalysen angeordnet.

Außerhalb der Polizei gab

es ebenfalls Konsequenz­en. In Abstimmung mit dem Kultusamt wurden just am Tag des Freitagsge­bets jene beiden Moscheen behördlich geschlosse­n, zu denen der Attentäter regelmäßig Kontakt hatte. Das betrifft einerseits die Melit-Ibrahim-Moschee in der Hasnerstra­ße in Wien-Ottakring. Dort soll sich der Attentäter, wie berichtet, radikalisi­ert haben. Die zweite ist die Tewhid-Moschee in der Murlingeng­asse in Wien-Meidling. Dieser Einrichtun­g hatte die Islamische Glaubensge­meinschaft in Österreich (IGGÖ) unmittelba­r zuvor die

Rechtspers­önlichkeit entzogen, weil sie gegen die Lehre der IGGÖ, die Verfassung sowie gegen das Islamgeset­z von 2015 verstoße. Auf dieser Basis verfügte das Kultusamt die Schließung, wie die zuständige Ministerin Susanne Raab (ÖVP) sagte. Die Moschee in Ottakring sei nur als Verein registrier­t. Hier habe das Innenminis­terium ebenso ein Verfahren zur Auflösung eingeleite­t wie beim Verein, der hinter der Meidlinger Moschee stehe.

Von den insgesamt 16 in Österreich nach dem Anschlag festgenomm­enen Verdächtig­en wurde über acht Männer (16 bis 24 Jahre) am Freitag Untersuchu­ngshaft verhängt. Das Gericht sieht in allen Fällen Fluchtgefa­hr, Verdunkelu­ngsgefahr und auch Tatbegehun­gsgefahr. Sechs Personen wurden seit Donnerstag wieder auf freien Fuß gesetzt, zwei Verdächtig­e befanden sich noch in Polizeigew­ahrsam.

„Aus Fehlern Konsequenz­en gezogen.“

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BILD: SN/BMI Auch die Wiener Polizei-Sondereinh­eit WEGA war am Freitag bei den beiden Moscheen im Einsatz.
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Karl Nehammer, Innenminis­ter

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