„Dann klagen wir die Republik“
Hätte der Anschlag in Wien verhindert werden können? Der Lokalpolitiker und Anwalt Karl Newole will das vor Gericht klären.
Die Anwaltskanzlei von Karl Newole liegt nur wenige Minuten vom Anschlagsort in der Wiener Innenstadt entfernt. Der Lokalpolitiker mit eigener Liste und Jurist überlegt eine Amtshaftungsklage gegen die Republik. Laut ihm wäre das der beste Weg, um zu klären, ob der Anschlag zu verhindern gewesen wäre.
SN: Wieso wollen Sie eine Amtshaftungsklage einbringen? Karl Newole: Mit einer Amtshaftungsklage kann die Republik wegen schuldhaften und rechtswidrigen Verhaltens ihrer Organe geklagt werden. Das könnte im Fall des Anschlags greifen. Denn nach aktuellem Wissensstand dürfte die Polizei die Berichte über einen versuchten Munitionskauf des Täters in der Slowakei nicht an die Justiz weitergegeben haben. Es wurde auch keine neue Anzeige erstattet. Jetzt müsste man in einem Prozess überprüfen, ob das stimmt, und in weiterer Folge, ob der Anschlag hätte verhindert werden können.
SN: Wäre das möglich gewesen? Jetzt muss man davon ausgehen, dass der Munitionskauf wohl als Verletzung der Bewährungsauflage gesehen worden wäre und zu einer
Verhaftung geführt hätte. Ganz unabhängig von der Bewährungsstrafe gibt es noch einen anderen Punkt: Wenn jemand mit diesem Hintergrund Munition für eine Kalaschnikow kaufen will, lässt das vielleicht auf eine neue Tat schließen und wenn Tatbegehungsgefahr besteht, kann U-Haft verhängt werden.
SN: Was sind nächste Schritte? Wir warten noch ab, ob es mehr Informationen geben wird. Wenn sich der aktuelle Wissensstand bekräftigen lässt, dann werden wir eine Amtshaftungsklage einbringen.
SN: Wen vertreten Sie?
An mich sind zwei Personen herangetreten. Einer hat einen Sachschaden erlitten und die andere Person ist verletzt worden. Es könnten sich weitere Personen anschließen. Hinterbliebene, Verletzte oder Menschen, denen Sachschaden entstanden ist. Zuerst müsste in einem Verfahren festgestellt werden, ob die Republik überhaupt dem Grunde nach haftet, und im zweiten Schritt ist zu klären, was dem Einzelnen zusteht. Es geht dabei auch um langfristige Kosten, etwa Invalidität, oder um die Bezahlung einer Therapie. Die Republik selbst könnte, wenn sie verurteilt wird, dann zu den einzelnen Beamten gehen und ebenfalls Geld fordern.
SN: Kann eine Amtshaftungsklage dabei helfen, mögliche Ermittlungsfehler der Polizei aufzuklären?
Das ist meines Erachtens der saubere Weg zur Aufklärung. Denn für ein Strafverfahren gegen die handelnden Beamten gibt es keinen Anlass.
Dass jemand die politische Verantwortung übernimmt, sehe ich derzeit ebenfalls nicht. Und wie unabhängig und transparent die angekündigte Untersuchungskommission arbeiten wird, ist unklar. Vor allem weil eine solche Kommission nicht alle Möglichkeiten hat. Muss ich dort die Wahrheit sagen? Kann ich jemanden vorladen? Deshalb wäre ein solches Amtshaftungsverfahren ein transparenter Weg zur tatsächlichen Aufklärung. Das Gericht ist ein Schwert, das schneidet. Das würde neben der rechtlichen auch die politische Verantwortung wirklich klären. Da geht es nicht nur um Schmerzensgeld und Schadenersatz. Da geht es auch um das Sichtbarmachen möglicher Schwachstellen im System. Wir alle müssen ein Interesse daran haben, dass die Tat schonungslos aufgeklärt wird, um so etwas in Zukunft zu verhindern.
SN:
Versetzen Sie sich in die Lage der Angehörigen eines Opfers, das bei einer Tat getötet wird, bei der der Täter amtsbekannt und am Radar der Sicherheitsbehörden war. Die Politik muss allein aus Respekt gegenüber den Opfern die Konsequenzen ziehen. Da muss irgendwo einer gehen, wenn es ein Verschulden gibt.
Jetzt kommen die Stehsätze, wonach der Täter alle getäuscht hätte. Das stimmt aber nicht. Es war offenkundig. Er ist in die Slowakei gefahren, um Munition für eine Kalaschnikow zu kaufen. Offensichtlicher geht es fast nicht. Anschläge wird man nie ganz verhindern können, aber diesen Anschlag, an diesem Tag, mit diesen Toten hätte man, was man bisher weiß, wohl verhindern können. Darum geht es.
„Versetzen Sie sich in die Lage der Angehörigen.“