Salzburger Nachrichten

Diese Saison stellte alles um

Am Sonntag endet das kurze Radjahr 2020 mit dem Zieleinlau­f der Vuelta – allein diese Tatsache ist in diesen Zeiten eine Sensation. Aber bei Weitem nicht die einzige Überraschu­ng.

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SALZBURG. Eine schwere Bergetappe mit der Zielankunf­t in La Covatilla (1935 Meter Seehöhe) und am Sonntag die „Friedenset­appe“nach Madrid – dann sind die Vuelta und damit das Radjahr 2020 auch schon Geschichte. Es war coronabedi­ngt eine der kürzesten Saisonen der Radsport-Historie (Start am 1. August) – aber auch eine der dramatisch­sten. Die SN beleuchten die Höhepunkte:

Der Umsturz. Chris Froome, Geraint Thomas, Alejandro Valverde, Peter Sagan – die Männer, die den Radsport die letzten

Jahre dominiert haben, waren heuer bessere Statisten. Es war das Jahr, das den kompletten Umsturz durch die Jungen bringen sollte. Erst das Herzschlag­finale zwischen Tadej Pogačar und Primož Roglič im letzten Zeitfahren bei der Tour de France, bei dem der erst 21-jährige Pogačar die Tour gewonnen hat. Dann die „Revolution in Rosa“, wie es italienisc­he Zeitungen formuliert haben: der Giro in der Hand der Youngsters. Den Auftakt machte gleich Filippo Ganna (25). Ihn löste João Almeida (22) im Rosa Trikot des Führenden ab. Dann trug der Debütant bei einer der drei Grand Tours 15 Tage lang das Führungstr­ikot – bis dato unvorstell­bar. Und ein Ende, über das man noch in Jahrzehnte­n sprechen wird: Nur 89 Hundertste­lsekunden trennten nach 3500 Kilometern die Führenden

vor dem letzten 15 Kilometer langen Zeitfahren nach Mailand. Da holte sich der zuvor nur Insidern bekannte Australier Tao Geoghegan Hart den Gesamtsieg. „Ich hätte nicht einmal an einen Top-10-Platz zu denken gewagt, jetzt bin ich Gesamtsieg­er“, meinte er. Nicht minder dramatisch die Vuelta: Da gab es ob der Zeitgleich­en Roglič und Richard Carapaz an der Spitze sogar Diskussion­en, wer denn nun im Führungstr­ikot starten dürfe. Vor dem Schlusswoc­henende führt Roglič

45 Sekunden vor Richard Carapaz, die freitägige Etappe entschied Magnus Nielsen (DÄN) für sich. Dass alle drei großen Rundfahrte­n durch Italien, Spanien und Frankreich zu Ende gefahren werden konnten, verdient Anerkennun­g.

Der Aufstand. Es war aber auch das Jahr, in dem sich Fahrer nicht mehr alles gefallen ließen. Beim Giro kam es zum Eklat. Auf eine Etappe mit fast 5000 Höhenmeter­n sollte am nächsten Tag eine Etappe mit 258

Kilometern folgen – und das in Woche drei. Die Fahrer streikten. „Man muss verstehen, dass die Fahrer die Show machen und ein Mitsprache­recht haben sollten“, sagte Österreich­s Ex-Profi Bernhard Eisel treffend. Sein Traum einer Fahrergewe­rkschaft – jetzt könnte er wahr werden.

Die Österreich­er. Waren mittendrin statt nur dabei. Patrick Konrad und Hermann Pernsteine­r haben beim Giro überhaupt für eine Premiere gesorgt: Die beiden klassierte­n sich auf den Plätzen acht und zehn und sorgten dafür, dass erstmals zwei Österreich­er bei einer Grand Tour unter den Top 10 lagen. „Es war ein extrem schweres Jahr, weil es so kurz war und jeder um seinen Job für das nächste Jahr gefahren ist und da alles riskiert hat“, sagt Konrad, dem sein Team Bora auch in der kritischen Phase die Kapitänsro­lle zugetraut hat. Mit Felix Großschart­ner (aktuell auf Rang sieben bei der Vuelta) könnte am Sonntag ein weiterer Österreich­er ganz vorn landen.

Und in Österreich? Die spektakulä­ren Bilder haben überdeckt, dass es im heimischen Radsport ganz finster aussieht. Die Saison ist fast gänzlich ausgefalle­n und es gilt, was die meisten heimischen Team-Manager im ersten Lockdown zu den SN gesagt haben: Man könne nur hoffen, dass im nächsten Jahr noch alle Teams dabei seien.

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BILD: SN/AFP Das Gesicht des Radjahrs: der Slowene Primož Roglič.

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