Salzburger Nachrichten

Scheinargu­mente helfen dem Sport in diesen Zeiten nicht weiter

Der Aufstand der Sportverei­ne nach dem notwendige­n Lockdown war nachvollzi­ehbar. Die Argumente der Kritiker waren aber teils löchrig.

- RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT

SN-Fußballexp­erte Alexander Bischof hat es diese Woche in seinem Kommentar nach dem Champions-League-Schützenfe­st (6:2) der Münchner gegen Red Bull Salzburg auf den Punkt gebracht: Es muss weitergehe­n und der Fußball hilft ein wenig. Das trifft für den gesamten Sport zu. Der Terror in Österreich und die Coronapand­emie mit dem zweiten Lockdown haben unsere übliche Lebensweis­e arg in Mitleidens­chaft gezogen.

Der Sport insgesamt ist ohnehin nur wenige Tage vor dem Anschlag und dem Niederfahr­en der sozialen Kontakte in vielen Schlagzeil­en allgegenwä­rtig gewesen. Es ging um das Aussetzen des Kinder- und Jugendspor­ts aufgrund der Coronamaßn­ahmen, die ohne Zweifel für die Eindämmung des gefährlich­en Virus notwendig sind.

Die drei Dachverbän­de Union, ASKÖ und ASVÖ haben sich gleich in Stellung gebracht und auf die Folgen dieses sportliche­n Lockdowns für junge Bewegungsh­ungrige hingewiese­n. Sport stärke das Immunsyste­m und trage zum psychische­n Ausgleich bei – zurzeit besonders wichtig, meinte etwa ASVÖ-Präsident Christian Purrer. „Kinder brauchen Sport genauso wie die Schule“, sagte Union-Präsident Peter McDonald. Die Wirkung von Bewegung für alle im Vereinsspo­rt werde zwar immer begrüßt, aber wenn es drauf ankomme, werde nicht darauf zurückgegr­iffen, kritisiert­e ASKÖPräsid­ent Hermann Krist.

Die Politik haben diese Argumente über Jahrzehnte kaltgelass­en. Wenn es darum ging, in der Schule zu sparen, wurden die Turnstunde­n als Erstes ausgesetzt. Das betrifft übrigens nicht nur die Bewegungse­inheiten. Auch die Musik- und Zeichenstu­nden wurden oft alternativ­los gestrichen, wenn es galt im System Schule etwas zu verändern. Dabei erwiesen zahlreiche Studien, dass Kinder nach Turnen oder Singen viel leistungsf­ähiger für den Rest des Tages sind. Ganz abgesehen von den sozialen Kontakten, die in ganz anderen Rahmenbedi­ngungen außerhalb des „normalen“Unterricht­s gepflegt werden können.

Es ist in diesen Zeiten offensicht­lich nicht einprägend genug, die richtigen Argumente für Sport und Bewegung zu finden. Gesundheit­sprophylax­e, Freude durch Bewegung – das sind viel verwendete Schlagwort­e, die stimmig sind. Aber zu meinen, dass sich wegen eines Lockdowns Kinder und Jugendlich­e über vier Wochen von „ihrem“Sport abbringen lassen können, ist irreführen­d. Kein sportlich aktiver junger Mensch lässt sich durch eine Pause abhalten, weiter Sport oder sogar Spitzenspo­rt zu betreiben. Dass eine „ganze Generation abhandenko­mmen könnte“– wie viele Sportgrand­en meinten –, klingt unglaubwür­dig.

Es gilt besonnen zu bleiben und nicht mit lauen Scheinargu­menten, die kurz für Schlagzeil­en sorgen, schnelle Aufmerksam­keit zu erringen, die niemandem etwas bringt. Gerade im Jahr 2020, das uns so viel an Verzicht, Zukunftsän­gsten, aber vielleicht auch ein Umdenken gebracht hat.

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Richard Oberndorfe­r

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