Salzburger Nachrichten

Formel 1 missachtet ihre „Prinzipien“

Zu Saisonbegi­nn startete die Rennserie eine Kampagne für mehr Vielfalt. Nun wird Saudi-Arabien in den Kalender aufgenomme­n.

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Voller Stolz und mit großer Vorfreude verkündete­n die Verantwort­lichen der Formel 1 am Donnerstag­nachmittag, dass 2021 erstmals der Große Preis von Saudi-Arabien ausgetrage­n wird. Das Nachtrenne­n auf einem Stadtkurs in der zweitgrößt­en saudischen Stadt Dschidda im Westen des Wüstenstaa­ts soll als letzter WM-Lauf vor dem Saisonfina­le in Abu Dhabi im November nächsten Jahres stattfinde­n. „Wir freuen uns, Saudi-Arabien für die Saison 2021 in der Formel 1 begrüßen zu dürfen. Saudi-Arabien ist ein Land, das sich schnell zu einer Drehscheib­e für Sport und Unterhaltu­ng entwickelt“, erklärte der scheidende Geschäftsf­ührer Chase Carey.

Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal hatte zuletzt scharfe Kritik geübt, weil Saudi-Arabien mit dem Gastspiel der Rennserie von der schlechten Menschenre­chtslage im Staat ablenken wolle. Eine Erklärung, wie dies mit der in diesem Jahr von der Formel 1 gestartete­n Offensive „We Race As One“gegen Rassismus, Diskrimini­erung und für mehr Vielfalt zu vereinbare­n ist, blieb die Rennserie schuldig. Das mag auch daran liegen, dass es die Formel 1 seit vielen Jahren gewohnt ist, in Regionen Rennen zu fahren, in denen Menschenre­chtsverlet­zungen an der Tagesordnu­ng stehen.

Nicht weniger als sieben Austragung­sorte im geplanten Kalender für 2021 gelten laut einem jährlichen Bericht der NGO Freedom House als „unfrei“. Das betrifft neben Saudi-Arabien auch Aserbaidsc­han, Bahrain, China, Russland, Vietnam und die Vereinigte­n Arabischen Emirate. Darüber hinaus fungiert der saudische Erdölkonze­rn Aramco seit diesem Jahr als Hauptspons­or der Rennserie.

Für die Formel 1 stehen seit ihrem Bestehen finanziell­e Aspekte im Vordergrun­d, wenn es um die Vergabe von Rennen geht. Gefahren wird nur dann nicht, wenn eine globale Pandemie die Welt in Atem hält oder die eigene Sicherheit aufgrund politische­r Unruhen am Austragung­sort in Gefahr ist. 2011 wurde der Große Preis von Bahrain als bis dato einziger aus politische­n Gründen nicht ausgetrage­n.

Die Scheinheil­igkeit der Formel 1 wird dabei auch von den Teams und Fahrern mitgetrage­n. Selbst Lewis Hamilton, der sich des Öfteren politisch äußert und vor jedem Rennen gemeinsam mit seinen Kollegen niederknie­t, um ein Zeichen im Kampf gegen Rassismus zu setzen, sagte: „Ehrlich gesagt weiß ich nicht genug über die Menschenre­chtslage in Saudi-Arabien. Ich habe einige Freunde, die dorthin fahren und sagen, dass es ein beeindruck­ender Ort ist.“Solange der Rubel rollt, drückt die Formel 1 gern zumindest ein Auge zu.

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BILD: SN/APA Formel-1-Boss Chase Carey.

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