Schlechtes Essen sollte als Körperverletzung angezeigt werden.
Keine Sorge: Hier finden Sie garantiert keine Botschaften von Nahrungsmittelkonzernen, die Ihnen allerhand Wunderpflanzen verscherbeln wollen. Also sogenanntes Super Food und ähnliche Kategorien wie Mood Food. Das zuerst Genannte soll einfach nur – aus welchen Gründen auch immer – super sein. So in der Art: Cranberrys sind cool wie Harry Styles. Preiselbeeren dagegen brockt höchstens noch Sepp Forcher. Es gibt noch viel anderes Food auf dem Markt. Ethic Food etwa. Das ist eine Art schräge Herkunftsbezeichnung. Etwa Thai Food, das in Unterpremstätten angeboten wird. Der PR-Stratege versteht es auch schon ganz hervorragend, Innviertler Knödel in Bludenz als Ethic Food anzupreisen. Dann haben wir noch Fast Food, Slow Food – suchen Sie sich etwas aus. Alles macht glücklich. Denn prinzipiell ist zu sagen: Jedes Essen macht glücklich und trägt zur Lebensfreude bei. Kein Essen zu haben macht dagegen garantiert nicht glücklich.
Aber ganz so einfach ist das schon lange nicht mehr. Wenn wir ein Kind anschauen, dem wir – sagen wir einmal – einen Hummer vorsetzen, dann verrät der Gesichtsausdruck der oder des Kleinen: Essen kann auch sauer machen. Andererseits sind Geschmäcker verschieden. Die angeblich so großartigen Avocados werden von den einen auf Knien angebetet, andere finden sie geschmacklich abscheulich und wieder andere hassen sie sowieso, weil sie die Existenz vieler mittelamerikanischer Landwirte gefährden. Bevor Sie zu einem Food greifen, sollten Sie also halbwegs über ihre eigenen Wünsche Bescheid wissen und sich nicht von der Werbung blenden lassen. Um sinnlose Kosten zu vermeiden, sollten Sie also kosten, kosten und noch einmal kosten. Oder genauer: anschauen, riechen, schmecken. Da muss man kein Genie dazu sein. Ein gutes Beispiel sind die angeblich so glücklich machenden Kartoffelchips. Diese Snacks werden zumeist gedankenlos einfach nur hinuntergeschlungen. Das würden Sie in den meisten Fällen nicht tun, wenn Sie nur intensiv daran riechen. Da vergeht einem wegen des synthetischen Industriegeruchs schnell die Freude. Was den Nutzen für den Körper betrifft, ganz zu schweigen. Ginge es nach dem in München wirkenden italienischen Sternekoch Mario Gamba, dann sollte man schlechtes Essen bei der Polizei als Körperverletzung anzeigen dürfen. Wenn man sich das Essverhalten vieler Menschen ansehe, so Gamba, dann erinnere ihn dieser Anblick oft an eine Art schleichenden Selbstmord. Seit Paracelsus wissen wir aber auch, dass es zumeist die Dosis ist, die das Gift macht. Bananen zählen etwa auch zu sogenanntem Mood Food. Aber wussten Sie, dass der Verzehr von vier Bananen zu einem Kaliumschock und letztlich zum Herzstillstand führen kann? Kaviar soll wiederum gut gegen Grippeviren wirken. Eigentlich sollte er auf Krankenschein erhältlich sein. Aber aufgepasst: Wer mehr als 250 Gramm isst, dem steht ein Eiweißschock bevor. Der hohe Kalziumgehalt von Energydrinks wiederum kann Muskelstarre und in weiterer Folge Atemstillstand auslösen. Sogar Mineralwasser ist gefährlich: Bei mehr als drei Litern bromhaltigem Mineralwasser besteht die Gefahr, dass Sie impotent werden.
Dann vielleicht doch gleich tatsächlich in der Internetapotheke Mood Food bestellen. Etwa Proteinvitamin-Pulver. 400 Gramm gibt es schon ab 17,90 Euro. Enthalten sind Cannabis und andere Hanfprodukte. Dass dieser Stoff glücklich macht, ist nicht wirklich neu. Bleibt noch Mut Food. Diesen Ausdruck wollen wir dem jüngsten Schrei in der Lebensmittelbranche verpassen. Mut Food deshalb, weil Heuschrecken, Heimchen und Mehlwürmer nicht jedermanns Sache sind. Für zehn Gramm dieses proteinhaltigen Stoffs blättert der Großstadt-Hipster schon einmal 12,50 Euro hin. Weil diese Tiere in der freien Wildbahn natürlich total mit Pestiziden verseucht sind, müssen sie in Hallen gezüchtet werden. Das macht sie so teuer. Andererseits kann man so Heuschrecken Made in Austria bewerben. Womit wir gleich zwei Insektennamen auf eine einzige Packung schreiben können. An diesem Trend kann man also gut sehen, die Zeit vergeht. Vor zehn Jahren ließ der Gast noch seine Suppe zurückgehen, wen er eine Made darin fand. Heute kostet sie in diesem Fall gleich doppelt so viel. Warum das heute so ist? Die Werbebotschaft lautet – kein Scherz – wer Insekten isst, hilft die Welt zu retten. Und das macht ja dann doch wieder ein bisserl glücklich.
Was auf alle Fälle und ohne Nebenwirkung glücklich macht, das ist große Kochkunst. Ein gutes Beispiel dafür hat der ehemalige Dreisternekoch Thomas Bühner bis 2018 in seinem Osnabrücker Restaurant „la vie“serviert. Der Mann hat mit allen Köstlichkeiten dieser Erde hantiert, aber der Star des Menüs war stets der süße Abschluss namens „Fluffy Duck“. Das war ein essbares gelbes Quietschentchen. Gebastelt hat es Bühners Patissier René Frank. Es besteht aus einem leichten MangoSchaum, einem Ring aus frischer Mango, umgeben von Orangenschaum. Dazu gab es immer den Namensspender, einen Cocktail mit Gin und Mango-Crumbles. Bei diesem Gericht gab es stets Aaahs und Oooohs. Die Gesichter der Gäste entspannten sich stets zu einem seligen Lächeln, am ehesten mit jenem Lächeln zu vergleichen, das man beim Anblick eines Babys hat. Und noch dazu: Mango! Es wird Sie nicht überraschen, dass Mango ein super Mood Food ist. Sagt zumindest die Werbebranche. Aber nun zu einer nicht vollständigen Liste von Mood Food, wie es auch von Ernährungsexperten beworben wird. Da wären zuerst Nudelgerichte mit Parmesan. Warum? Wegen der Kohlehydrate und wegen des Eiweißes im Parmesan. Lachs und Avocados sind Omega-3-Fettsäuren-Bomben. Chili macht sowieso glücklich. Weil er saugut schmeckt und über ausreichend Capsaicin verfügt. Ingwer soll angeblich Glückshormone ausschütten. Bananen wiederum haben viele Vitamine und vor allem den Inhaltsstoff Tryptophan. Dieser soll das Gehirn bei der Bildung des Glückshormons Serotonin unterstützen. Und sonst? Ananas, Himbeeren, Erdnüsse – alles ok.
Aber macht das wirklich glücklich? Nein. Glücklich werden Sie nur sein, wenn Sie daheim den Tisch romantisch decken und für Ihren Partner etwas Soul Food kochen. Das kann etwas Geschmortes sein, manchmal hilft schon das Öffnen einer Dose Kaviar. Und wenn Sie dann mit einem Glas anstoßen, das Glänzen in den Augen Ihres Partners sehen und diese Spannung spüren, dass Sie bald mit ihm im Bett landen. Dann – ja dann werden Sie glücklich sein wie schon lange nicht mehr.
Mario Gamba
Sternekoch