Stahl wird grün
Schweden will Erster sein. Wasserkraft macht es möglich. Der höhere Preis schreckt nicht. Finde es gut, dass wir etwas Neues ausprobieren. Für das Klima.
Das dünn besiedelte Nordschweden macht sich fit für die Zukunft. Während in Skellefteå eine der größten Autobatteriefabriken Europas entsteht und in Kiruna ein Abschusszentrum für zivile Weltraumrakete wächst, findet in Luleå eine kleine, grüne Revolution statt. Die könnte, wenn sie glückt, enorme Auswirkungen für den globalen Klimaschutz haben.
Es geht um ein kürzlich eröffnetes Stahlwerk, das ohne fossile Brennstoffe und enormen CO2-Ausstoß auskommt. Es sieht zudem hübscher, kompakter aus als herkömmliche Stahlanlagen mit ihren unzähligen Schläuchen, Kuppeln und Schornsteinen.
Schon 2026 soll der schwedische Öko-Stahl auf den Weltmarkt, wenn alles gut geht. Kein anderes Land sei bislang so weit gekommen, sagen die drei finanzstarken Betreiber: Der einst staatliche Stahlkonzern SSAB, der staatliche Stromerzeuger Vattenfall und das ebenso staatliche Bergbauunternehmen LKAB. Hinzu kommen rund 50 Millionen Euro staatliche Fördermittel.
Warum ist das bislang noch kleine Projekt so wichtig? So wie in Österreich ist auch in Schweden die Stahlindustrie einer der schlimmsten Klimaschädlinge.
SSAB bläst jährlich rund zehn Prozent des gesamten in Schweden entstehenden Kohlendioxids in den Himmel. Das entspricht in etwa dem Anteil der Voest in Österreich. Weltweit kommen rund sieben Prozent des Ausstoßes aus der Stahlproduktion. Die Technik aus Nordschweden könnte, so hoffen die Betreiber, zum neuen Standard werden.
Um Stahl zu produzieren, wird derzeit im Prinzip sehr viel Kohle in Form von Koks als Reduktionsmittel genutzt, um den Stahlbaustein Eisenerz im Hochofen so stark zu erhitzen und Sauerstoff zu entziehen, dass daraus Roheisen wird. In der folgenden Weiterverarbeitung wird daraus Rohstahl gewonnen. Durch die Kohleverbrennung entsteht viel CO2.
In der schwedischen Testanlage wird die Kohle als Reduktionsmittel durch Wasserstoff ersetzt. Statt aus dem Schornstein rauchendes Kohlendioxid ist das Restprodukt dann harmloses Wasser.
Doch was ist mit dem Rest der Zutaten für den grünen Stahl? Auch der Bergbaukonzern LKAB, der das Eisenerz zuliefert, will seine Arbeitsabläufe klimaneutral elektrifizieren. Allerdings werden für die umweltfreundlichere Umstellung beim Bergbau und vor allem bei klimaneutraler Stahlproduktion enorme Mengen an Strom benötigt.
Allein für die Stahlproduktion wären das nach der Produktionsumstellung von Kohle auf Wasserstoff rund 15 Terawattstunden oder zehn Prozent der gesamten jährlichen schwedischen Stromproduktion.
Doch auch dafür haben die Betreiber eine Lösung. Der Stromkonzern Vattenfall will den Bedarf für den grünen Stahl aus der reichlich in Schweden vorhandenen, fossilfreien Wasserkraft (derzeit 44 Prozent der Gesamtstromproduktion) und anderen, erneuerbaren Quellen liefern.
Die werden gerade kräftig ausgebaut. Schweden will bereits 2045 klimaneutral wirtschaften. In Nordschweden entsteht der größte Onshore-Windpark Europas. Die rotgrüne Regierung in Stockholm will das Vetorecht von Kommunen beim Ausbau von nicht immer hübsch anzusehenden Windkraftanlagen abschaffen.
Aber darf ein einziges Unternehmen wie SSAB einfach so enorm viel Strom in Anspruch nehmen, egal ob es grüner Strom ist oder nicht? Martin Pei, technischer Direktor bei
SSAB, findet schon: „Man kann diese Frage umkehren. Denn zurzeit verbrauchen wir mehr Energie in Form von Kohle, die wir aufwendig aus Australien importieren. Sollen wir damit weitermachen und auf Strom verzichten? Oder sollten wir lokal produzierten Strom nutzen, um keine Kohle mehr importieren zu müssen?“
Schon 2026 will SSAB seinen fossilfreien Stahl anbieten können. Der wird dann auch 20 bis 30 Prozent teurer sein als herkömmlicher CO2-Stahl. Trotzdem rechnet SSAB mit einem profitablen Geschäft. Denn die Tendenz ist klar: Treibhausgas-Emissionen werden immer teurer werden, Ökostrom immer billiger. Bis 2040 soll gar die gesamte schwedische Stahlproduktion grün sein.
Auch die Arbeiter im herkömmlichen Stahlwerk in Luleå scheinen die Neuerungen zu begrüßen. Nils Edman arbeitet schon seit den 1980ern am klassischen Hochofen: „Ich war Projektleiter, als er gebaut wurde. Aber ich finde es super, dass wir etwas Neues ausprobieren. Für das Klima. Deshalb machen wir das ja“, sagt er dem Sender SVT.
Stahlkocher
Nils Edman